Die Börsen feiern Trumps Rückkehr, doch die Furcht vor Zöllen bleibt. Wie groß ist die Gefahr? Die Experten Holger Schmieding und Dejan Djukic ordnen die Lage ein.
Chefvolkswirt Holger Schmieding von der Hamburger Privatbank Berenberg ist für seine Zuversicht bekannt, doch beim Gedanken an Donald Trump wird auch ihm etwas mulmig. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt er gemeinsam mit Berenbergs Portfoliomanagementleiter Dejan Djukic, warum Europas Chancen bei einem Handelsstreit mit dem neuen US-Präsidenten trotz allem gar nicht so schlecht stehen, wie ein sinnvoller Deal zwischen den Wirtschaftsblöcken aussehen könnte, und wie Anleger sich vor drohenden Turbulenzen der Ära Trump 2.0 schützen können.
“Bisher bin ich etwas erleichtert“
„Ich bin Optimist, es überwiegt bei mir die Hoffnung, dass es gut geht. Aber die Möglichkeit, dass es – wenn es schief geht – es dieses Jahr dann auch richtig schief geht, ist leider erheblich“, sagt Schmieding beim Jahresauftaktempfang von Berenberg in Hamburg. „Da sind wir dann beim Thema Trump.“ Der neue US-Präsident hat hochtourig losgelegt, kurz nach Amtsantritt schon zahlreiche Erlasse unterschrieben. „Er müsste langsam Probleme im Handgelenk kriegen“, scherzt Schmieding. Allerdings: Zölle gegen Europa – das Zitterthema der deutschen Wirtschaft, sparte Trump dabei bislang noch weitgehend aus.
„Bisher bin ich etwas erleichtert. Gerade bei Zöllen ist er noch nicht über die Stränge geschlagen“, so Schmieding. Trump drohte jüngst zwar auch wieder der EU mit höheren Einfuhrschranken. „Sie behandeln uns sehr, sehr schlecht. Also werden sie mit Zöllen rechnen müssen“, sagte er bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus. Konkret angekündigt hat Trump bislang aber nur Maßnahmen gegen die US-Nachbarstaaten Mexiko und Kanada, denen er Importabgaben in Höhe von 25 Prozent androhte. Auch mit Blick auf China sprach Trump zuletzt wieder von zusätzlichen Zöllen – allerdings nur noch in Höhe von 10 Prozent. Im Wahlkampf hatte er 60 Prozent „auf alles“ aus China in Aussicht gestellt.
Bedeutet das, die relativierenden Stimmen, die in Trumps Zolldrohungen von Anfang an vor allem ein Verhandlungsinstrument gesehen haben, lagen richtig? Schmieding rät zur Vorsicht: „Es ist noch sehr, sehr früh“. Dass Trump sein Lieblingsthema Zölle ganz vernachlässigen werde, sei nicht zu erwarten. „Ein bisschen was dürfte da auf jeden Fall kommen“. Allerdings macht dem Ökonomen Hoffnung, dass die geplanten Abgaben auf Waren aus Mexiko und Kanada als Druckmittel zur Grenzsicherung dienen sollen – Trump will, dass die Nachbarländer mehr tun, um illegale Drogen und Einwanderer zu stoppen. Das deute nicht auf den Beginn eines globalen Handelskriegs hin, so Schmieding.
Auch seine jüngsten Drohungen in Richtung Peking begründete Trump vor allem als Maßnahme gegen die Drogenflut: „Wir sprechen bezüglich China über einen Zoll von 10 Prozent, weil sie Fentanyl nach Mexiko und Kanada schicken“. Trotzdem sollten sich Deutschland und die EU nicht in Sicherheit wähnen. Der Berenberg-Chefvolkswirt geht davon aus, dass noch weiterer Zollärger ansteht. Europa müsse sich entschieden zur Wehr setzen, eine Zollspirale durch wechselseitige Vergeltung aber vermeiden. Wenn nötig, solle man „hart, aber unterproportional“ zurückschlagen. Zudem dürften sich Länder der EU nicht durch Verhandlungen auf einzelstaatlicher Ebene spalten lassen.
„Er möchte vor allem mehr Öl und Gas verkaufen“
Schmieding hat auch schon eine Idee, wie sich Trump möglicherweise besänftigen lassen könnte: Einen Energie-Deal. „Er möchte ja vor allen Dingen mehr Öl und Gas verkaufen.“ Davon hätten die USA dank Trumps Förderung des Sektors künftig mehr – in Europa könne man es gut gebrauchen. „Wir werden jetzt im Sommer wesentlich mehr Bedarf haben als in den beiden sparsamen Vorjahren, die Gasspeicher wieder aufzufüllen für den Herbst.“ Bereits 2018, während Trumps erster Amtszeit als US-Präsident, hatte der damalige EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker den Amerikaner mit einem Deal überzeugt, den dieser innenpolitisch als Erfolg verkaufen konnte. Schon damals ging es – neben Sojabohnen – um Flüssiggas aus den USA.
„Ich bin vorsichtig zuversichtlich, dass es nicht zur ganz großen Eskalation kommt mit Trump“, sagt Schmieding und klopft an Holz. Das größere Risiko als die Handelskonflikte sei jedoch ohnehin der Ukraine-Krieg. Sollte Trump das Land fallen lassen, habe Europa ein Riesenproblem. „Dann vergessen Sie allen sonstigen Optimismus.“
Schmiedings Kollege Djukic, der seit 2024 den Bereich Portfoliomanagement Multi-Asset bei Berenberg leitet, rechnet mit steigenden Unsicherheiten und Kursschwankungen an den Finanzmärkten. Bei Trump sei generell erratisches Handeln zu erwarten. Zudem dürfte seine protektionistische Wirtschaftspolitik aus Steuersenkungen, Deregulierung, Zöllen und Abschiebungen die Inflation wieder antreiben. „Wir sehen derzeit keinen Anlass für Zinssenkungen der US-Notenbank.“ Die hohen Zinsen und Anleiherenditen wiederum könnten für die Aktienmärkte zur Belastung werden.
Insgesamt geht man bei Berenberg nach zwei historisch gesehen außergewöhnlich starken Aktienjahren von einem weiteren Bullenjahr aus, das jedoch deutlich zäher werden dürfte und angesichts des hohen bereits erreichten Bewertungsniveaus von stärkeren Rücksetzern geprägt werden könnte. Nachdem die Aktien großer US-Techkonzerne wie dem KI-Profiteur Nvidia bereits heißgelaufen sind und reif für Kurskorrekturen sein könnten, setzt Djukic verstärkt auf Firmen mit kleinerer und mittlerer Kapitalisierung. Grundsätzlich empfiehlt er Anlegern ein breit aufgestelltes Portfolio, in dem auch Rohstoffe wie Gold enthalten sind, das er schon seit Jahren als Basisinvestment empfehle. Dem aktuellen Kryptoboom steht der Finanzprofi eher skeptisch gegenüber. Die größte Digitalwährung Bitcoin etwa sei inzwischen zwar ein „valider Portfoliobaustein“, bleibe aber vor allem eines: ein spekulatives Investment.