Matthias Abt und Annika Kienast-Abt waren vom Begrüßungsbesuch für Sohn Niclas zunächst etwas überrascht. Foto: Jan Potente

Ansprechpartner, Kontaktvermittler – die Ehrenamtlichen des Familienbegrüßungsdiensts haben viele Aufgaben. Das vor einem Jahr gestartete Angebot, von dem auch die Stadt profitiert, kommt bei jungen Eltern in Weinstadt gut an.

Weinstadt - Niclas blinzelt seinen Besuch noch etwas verschlafen an. Die Eltern des zweieinhalb Monate alten Säuglings, Annika Kienast-Abt und Matthias Abt, mustern Helga Lorenz dagegen erwartungsvoll. In einem Schreiben hat der Weinstädter Oberbürgermeister Michael Scharmann den frischgebackenen Eltern das Kommen von Helga Lorenz angekündigt. Sie ist eine von fünf Ehrenamtlichen des Familienbegrüßungsdienstes, den die Stadt in Kooperation mit dem Familienzentrum Weinstadt Mitte 2017 ins Leben gerufen hat.

Kleine Geschenke gibt es auch

Helga Lorenz hat Geschenke mitgebracht: gestrickte Babysöckchen und ein Traubenkernkissen mit der Aufschrift „Fühl dich wohl in Weinstadt“, dazu jede Menge Informationsmaterial über Betreuungsmöglichkeiten, Krabbelgruppen und weiteren Angeboten für junge Familien. Das ist aber noch nicht alles. Helga Lorenz hat vor allem auch Zeit mitgebracht, um mit den frischgebackenen Eltern ins Gespräch zu kommen. Brauchen sie Unterstützung? Gibt es Wünsche, die sie an die Stadt haben? Hilfe brauchen sie nicht, antwortet Annika Kienast-Abt: „Wir sind gut umsorgt von Mama, Schwester und Oma.“

Auf solch ein familiäres Netzwerk können längst nicht alle jungen Eltern zurückgreifen. „Familien sind immer mehr auf sich allein gestellt“, berichtet Margret Mack von der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart (eva), die das Familienzentrum koordiniert, von ihren Erfahrungen. Vielfach seien diese aus beruflichen Gründen nach Weinstadt gezogen und die Großeltern lebten weit entfernt, etwa in Ost- oder Norddeutschland. Stark eingespannt durch den Beruf sei den Neubürgern oftmals zudem kaum Zeit geblieben sich im Ort zu vernetzen. Eines der Ziele des Familienbegrüßungsdienstes sei es daher Kontakte zu Angeboten zu vermitteln, wo die jungen Eltern Gleichgesinnte treffen können, wie etwa das Säuglingscafé im Familienzentrum, bei dem eine Hebamme dabei ist. „Das ist ganz arg wichtig in dieser Lebensphase.“ Des Weiteren erführen die jungen Eltern, wohin sie sich bei etwaigen Problemen wenden können, wo sie Ansprechpartner finden, nicht nur in Weinstadt auch darüber hinaus beim Landkreis.

Die Mehrheit der Eltern wümscht einen Besuch

Der Familienbegrüßungsdienst kommt an. Die Mehrheit der Eltern wünsche einen Besuch, berichtet Helga Lorenz. Das belegt auch die Statistik. Von 181 gemeldeten Neugeborenen in Weinstadt von Jahresanfang bis zum Oktober wurden die Begrüßungsdienstler von deren Eltern in 126 Fällen empfangen. Wer keinen Besuch möchte, kann dies mitteilen. „Wir waren erst etwas überrascht. Wir haben nicht damit gerechnet“, erzählt Annika Kienast-Abt vom Zeitpunkt als das Ankündigungsschreiben des OBs ins Haus flatterte. Doch dann hätten sie sich über das Besuchsangebot gefreut. „Gott sei Dank kommt jemand, den man fragen kann“, sei ihr zweiter Gedanke gewesen. Denn die Darstellung der Betreuungsmöglichkeiten auf der Stadt-Homepage sei mehr verwirrend als hilfreich – ein Hinweis, den Helga Lorenz prompt aufnimmt und weitergeben will.

Die Stadt erfährt, was die Familien umtreibt

„Auf diese Weise erfährt die Stadt, was Familien umtreibt, was ihnen unter den Nägeln brennt“, sagt Margret Mack. Auch deshalb sei der Anstoß einen Familienbegrüßungsdienst einzurichten einst von der Stadt gekommen. Bereits als man gemeinsam vor vier Jahren das Familienzentrum am Endersbacher Bahnhof aufbaute, habe die Stadt diesen Wunsch geäußert, um dem Vorbild von Waiblingen, Fellbach und Kernen zu folgen. Zumal sie als „Familiengerechte Kommune“ zertifiziert sei. Das Familienzentrum habe dann die Aufgabe übernommen, den Begrüßungsdienst an den Start zu bringen und Ehrenamtliche zu schulen, unter anderem zum Umgang mit problematischen Familiensituationen. Einen solcher Fall sei indes bislang aber noch nie gegeben.

„Sollten wir einen Bedarf sehen, würden wir diesen ansprechen. Aber bisher ist alles im grünen Bereich gewesen“, sagt auch Helga Lorenz, die ihre Aufgabe ohnehin nicht darin sieht, die Besuchten zu kontrollieren, sondern sie zu ermutigen und ihnen Wertschätzung entgegenzubringen. „Unser gemeinsamer Familienbegrüßungsdienst ist ein voller Erfolg“, zieht OB Scharmann Bilanz zum neuen Angebot. Und durch die positiven Rückmeldungen der Eltern sieht er sich darin bestätigt.

Weitere Begrüßungsdienste im Rems-Murr-Kreis

Städte
In anderen Großen Kreisstädten des Rems-Murr-Kreise gibt es ebenfalls Familienbegrüßungsdienste, aber längst nicht in allen. So haben Waiblingen und Fellbach schon vor Weinstadt welche eingerichtet. Zu jungen Eltern in Winnenden hingegen kommt kein persönlicher Begrüßungsdienst. Jedoch erhalten sie ein Glückwunschschreiben des Oberbürgermeisters Hartmut Holzwarth zugesandt nebst einer Broschüre des Kreisjugendamtes über das „Landesprogramm Stärke“ mit Informationen in verschiedenen Sprachen zu Elternbildungskurse im ersten Lebensjahr eines Kindes, Offene Treffs und Elternbildungsangebote in besonderen Lebenslagen. Ein Glückwunschschreiben des Oberbürgermeisters bekommen auch junge Eltern in Backnang und dazu ein „Backnanger Wimmelbuch“ als Präsent sowie ein Prospekt über Kindertagesbetreuungsmöglichkeiten in der Stadt plus ein Glückwunschschreiben des Ministerpräsidenten mit Infos für das Landesprogramm „Stärke“. In Schorndorf verweist man auf Anfrage darauf, dass man zwar keinen Begrüßungsdienst habe, aber in einem Familienzentrum sehr wohl zahlreiche Angebote, auch für junge Eltern.

Gemeinden
Auch Kernen als kleinere Kommune bietet einen Familienbegrüßungsdienst an. 2011 habe man die Familienbesuche eingeführt, wofür man unter der Leitung des Professors Jörg Fegert mit Unterstützung der Stiftung Kinderland Baden-Württemberg ein eigenes Berufsbild entwickelt habe, berichtet die Sozialamtsleiterin Claudia Bubeck. Initiiert habe das Projekt das Bürgernetz Roter Faden. Zu Beginn sei es zur Hälfte mit Sponsorengeldern finanziert worden. Seit 2013 trage die Gemeinde die Familienbesuche allein, um die sich eine Mitarbeiterin hauptamtlich kümmere. Die jungen Eltern bekommen ein Begrüßungspaket unter anderem mit einem Gutschein für Erziehungsfragen, einem Kernener Babybody, diversen Broschüren über das „Kinderland Baden-Württemberg“ sowie Informationen über Betreuungsangebote und Beratungsstellen. Auch in anderen Kommunen erhalten frischgebackene Eltern zumindest ein Geschenk und Infomaterial – beispielsweise in Leutenbach.