Angela Merkel sieht die Politik nicht in der Verantwortung. Foto: AFP

Für die Bundeskanzlerin ist die Frage einer möglichen AfD-Beobachtung durch den Verfassungsschutz keine politische. Der sächsische Verfassungsschutzpräsident sieht trotz Chemnitz derzeit keinen Handlungsbedarf.

Berlin - Die Entscheidung über eine mögliche Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz liegt nach Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht in der Hand der Politik. Es sei „gute Praxis“, dass die Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern die Lage beobachten und daraus Schlussfolgerungen ziehen, sagte Merkel: „Das sind also keine politischen Entscheidungen, sondern es sind Entscheidungen, die auf Tatsachen beruhen.“ Diese würden regelmäßig adjustiert. Der Bielefelder Staatsrechtler Christoph Gusy sprach sich für eine Beobachtung der AfD in den drei ostdeutschen Ländern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt aus.

Merkel sagte, aus einigen Ländern sei inzwischen bekannt, dass es mit Blick auf die AfD „durchaus einige Beobachtungspunkte“ gebe. „Und so wird das auch auf Bundesebene gehandhabt“, erklärte die Kanzlerin nach einem Treffen mit Spitzenvertretern von Wirtschaft und Gewerkschaften am Montagabend im brandenburgischen Meseberg.

Gusy sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt gebe es Anzeichen für eine Fraternisierung der AfD mit verfassungsfeindlichen Gruppen wie „Pegida“ oder mit NPD-Mitgliedern. In den drei Bundesländern sei die gesellschaftliche Mitte „nicht so stark und stabil“ wie in manchen westdeutschen Regionen, erklärte er. Dort drohe die Gefahr, dass die Erosion am rechten Rand der Gesellschaft die Mitte erfasse. Forderungen nach einer Beobachtung der AfD insgesamt lehnte der Professor für Öffentliches Recht, Staatslehre und Verfassungsgeschichte an der Uni Bielefeld jedoch ab.

Rechtliche Hürden sind hoch

Der Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes, Gordian Meyer-Plath, sprach sich gegen die Beobachtung der AfD in dem Bundesland aus. Die rechtlichen Hürden dafür seien sehr hoch, sagte Meyer-Plath am Dienstag im RBB-Inforadio. Es müssten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung gebe. Das sei für die AfD in Sachsen derzeit nicht belegbar.

Auch der FDP-Vorsitzende Christian Lindner lehnte eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz ab. „Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die demokratischen Parteien sich lästiger Konkurrenz entledigen wollen, indem sie sie vom Verfassungsschutz beobachten lassen“, sagte er im Radiosender Bayern 2. Er halte die Debatte für gefährlich. Die Verfassungsschutzbehörden bräuchten „keinen parteipolitischen Rat“ in dieser Frage.

Der Politikwissenschaftler Hajo Funke dagegen bezeichnete eine Überwachung der AfD durch den Verfassungsschutz als nötig. Es gebe eine bundesweite Kooperation zwischen der Partei und der rechtsextremen Identitären Bewegung sowie der „von Rassisten geleiteten ‚Pegida’-Bewegung“, sagte Funke im Deutschlandfunk. Entscheidend sei die Ausrichtung der Partei - und die sei rechtsradikal.

Skeptische Haltung der Bundesregierung

Die Debatte über eine vollständige oder teilweise Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz war nach den jüngsten rechten Demonstrationen in Chemnitz wieder entbrannt. Die Bundesregierung blieb am Montag bei ihrer skeptischen Haltung gegenüber der Forderungen nach Beobachtung. Aus ihrer Sicht liegen die Voraussetzungen dafür nicht vor. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) plädierte hingegen ebenfalls für eine Beobachtung von Teilen der Partei.

Eine epd-Umfrage unter den Innenministerien der Länder Anfang des Jahres hatte ergeben, dass einzelne Mitglieder im Visier der Verfassungsschützer stehen. Bremen und Niedersachsen lassen zudem als erste Bundesländer die Nachwuchsorganisation der AfD, Junge Alternative, vom Verfassungsschutz beobachten, wie am Montag bekanntwurde.