Foto: Oliver von Schaewen

Der Arbeitskreis Asyl findet Obstwiesenbesitzer, die ihre Bäume zur Verfügung stellen. Damit wird die Ernte gesichert, und die jungen Männer finden eine Beschäftigung.

Benningen - Flink kraxelt Bubaka Sila von einem Ast zum andern. Der 23-Jährige aus Gambia schüttelt energisch – schon purzelt eine Ladung Äpfel auf den Boden, wo sie von acht anderen Helfern schnell aufgehoben werden. „Nicht einfach nur rumzusitzen, das tut uns gut“, sagt Sila auf Englisch. Daheim holt er manchmal Mangos und Orangen von den Bäumen, an der Aufgabe am Rande des Benninger Neckarradwegs entwickelt er sichtlich Freude.

 

Der Ernteeinsatz der Asylbewerber ist aus der Not geboren. Organisiert hat ihn Heike Schmitt, Leiterin des Arbeitskreises Asyl in Benningen. „Wir wollen den Asylbewerbern eine Möglichkeit geben, etwas Sinnvolles zu tun“, erzählt sie. Die Idee sei ihr beim Spaziergang gekommen, als sie die vielen noch nicht abgeernteten Apfelbäume gesehen habe. „Manche Besitzer von Streuobstwiesen schaffen es aufgrund von Zeitmangel, Alter oder Krankheit nicht mehr“, weiß Heike Schmitt. Ganz anders gestaltet sich dagegen die Situation der 54  Männer, die in den Containern im Benninger Gewerbegebiet im Neckartal leben. Sie strotzen vor Tatendrang und motivieren sich gegenseitig. Statt das Obst verkommen zu lassen, soll Saft entstehen, der Geschäften gespendet wird. Vom Erlös bekommt der Arbeitskreis dann einen kleinen Betrag zurück – um Deutschbücher für den ehrenamtlichen Unterricht in den Unterkünften zu kaufen.

Eigentlich würden die Männer aus Syrien, Afrika oder anderen Ländern lieber arbeiten und Geld verdienen. Aber das Asylverfahrensgesetz verbietet es ihnen. Neun Monate lang dürfen sie sich keinen Job suchen, heißt es im Paragrafen 61. Und auch danach sieht es schlecht aus. Deutsche und andere Bürger der Europäischen Union haben Vorrang, wenn irgendwo eine Stelle frei wird. „Die Chancen, dass sie eine Arbeit finden, sind damit gleich null“, sagt Heike Schmitt, die als Heilpraktikerin zurzeit eine Woche Urlaub hat und die Arbeitseinsätze begleitet. Sie hoffe, dass sich durch den von Landesvater Winfried Kretschmann ermöglichten sogenannten Asylkompromiss etwas verändere. „Das Arbeitsverbot gilt dann nur noch drei Monate“, sagt Schmitt, die begrüßt, dass die Vorrangregelung nur noch 15 Monate andauert – und nicht wie bisher für Asylbewerber unbegrenzt und für Geduldete vier Jahre. Dann könnten sich die Asylbewerber gleichberechtigt mit anderen um einen Arbeitsplatz bemühen.

Von einer verkürzten Wartezeit hält auch das Landratsamt Ludwigsburg viel. „Eine sinnvolle Beschäftigung dient insgesamt dem sozialen Frieden und ist auch förderlich für die Integration der Ausländer“, teilt Andreas Fritz, Pressesprecher der Behörde, mit. Auch könnten die öffentlichen Kassen durch die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts entlastet werden. Das Landratsamt sei jedoch dagegen, die Wartezeit auf unter drei Monate zu verkürzen. Dies würde entsprechende Anreize für Wirtschaftsflüchtlinge setzen und könnte eine Sogwirkung auslösen.

Eine solche Forderung erheben Heike Schmitt und ihre fünf Helfer im Arbeitskreis nicht. Sie wollen mit der Apfelpflück-Aktion ein Zeichen zu setzen. „Wir betreiben Friedensarbeit – wenn die Leute vielleicht irgendwann in ihre Heimat zurückmüssen, gehen sie dort die Aufbauarbeit viel motivierter an“, ist Schmitt überzeugt. Und: Deutsche wollten in der Fremde auch respektvoll behandelt werden.

Freiwillig dabei ist an diesem Erntenachmittag auch die Benningerin Katja Huscher. Die 22-Jährige studiert sonst Public Relation. Einmal in der Woche geht sie in die Unterkünfte, um den Flüchtlingen Deutsch beizubringen. Die ehrenamtlichen Kurse seien nötig, weil Deutsch-Sprachkurse an der Volkshochschule überfüllt seien, erzählt Heike Schmitt. Auch könnten die Asylbewerber sie in der Regel nicht bezahlen.