Tilman Krämer entlockte seinem Flügel Melodiegirlanden, die das Publikum begeisterten. Foto: Gabriele Metsker

Der Pianist Tilman Krämer war Solist beim traditionellen Benefizkonzert des Lions Clubs Solitude. Mit dem Erlös des Konzertes werden diverse Projekte unterstützt.

S-West - Als der Pianist Tilman Krämer am Samstagabend Felix Mendelssohn Bartholdys „Frühlingslied“ als Zugabe anstimmt, ist rund ums Schloss Solitude die Sonne eigentlich schon untergegangen. Trotzdem scheint sie im Weißen Saal der Barockschlösschens aufzugehen: Soviel Wärme und Helligkeit strahlt aus den Melodiegirlanden und begleitenden Harmonien, die Krämer seinem Flügel entlockt. Es ist der strahlende Schlusspunkt eines Konzertes, welches vom Publikum mit stehenden Ovationen gewürdigt wurde. Eingeladen zu der Benefizveranstaltung hatte der Förderverein Lions Club Solitude, der mit dem Erlös des Konzertes traditionell Projekte zu Gunsten junger Menschen und Senioren in Leonberg, Ditzingen und Gerlingen unterstützt.

Drei Sonaten von Domenico Scarlatti, eines Zeitgenossen von Johann Sebastian Bach, gab es zum Auftakt. Keine leichte Aufgabe war es für den Künstler, die feingliedrige Musik aus der Epoche des Barock so zu intonieren, dass die durch starken Hall geprägte Akustik des Saales ihr nichts anhaben konnte. Fein modelliert gelangten die Klänge jedoch in den Äther: Die typisch barocken Sequenzierungen der Sonate B-Dur (K 551) perlten ohne Hast, dabei voller Energie. Der lyrische Charakter der Sonate C-Dur (K 384) kam die Akustik des Saales sogar entgegen und ließ die aufsteigende Melodielinie mit ihrem zarten Echo verträumt und heiter leuchten. Jubilierend und kapriziös gab sich die Sonate F-Dur (K 17), die in einem anderen Konzertsaal hätte vielleicht noch etwas brillanter zum Ausdruck gekommen wäre. In ihrer Lebendigkeit ließ sie jedoch gar nichts zu wünschen übrig.

Viel Kraft und Volumen

Zum Träumen verführte Tilman Krämer sein aufmerksam lauschendes Publikum mit vier der „Lieder ohne Worte“ von Felix Mendelssohn Bartholdy. Bedächtig stiegen beim ersten (E-Dur, Op. 19 Nr. 1) die Arpeggien auf. Ganz leise tönte das Echo, gebrochene Akkorde zauberten ein irisierendes Klangfarbenspiel. Kraftvoll und energisch marschierte das „Jägerlied“ (A-Dur, op. 19 Nr. 3) durch den Raum, ehe die Melodiestimme beim „Venezianischen Gondellied“ (fis-moll, op. 30 Nr. 6) mit süßer Melancholie und großer Intensität Geschichten erzählte – umfangen von der weichen Tonalität der begleitenden Unterstimme. Beim abschließenden „Spinnerlied“ (C-Dur, op. 67 Nr.4) sprudelten die Töne auf das Virtuoseste. Sie wirbelten, rauschten in Kaskaden, schäumten wie die Gischt auf stürmisch bewegtem Wasser und ließen akustische Lichtreflexe um die Wette glitzern.

Geradezu gefestigt und geerdet schienen da die ersten Takte von Ludwig von Beethovens Sonate As-Dur (op. 110). Geradlinig und schlicht stellte sich das erste Thema vor. Das war jedoch nur der Anfang. Denn rasch baute sich ein beeindruckendes Klanggebäude auf, wurde dichter und entfaltete ein vielgestaltiges Spektrum an Stimmungen und Emotionen – bei aller Beachtung der musikalischen Form. Auf klagende Einwürfe folgten grollende Bässe, die sich in schwelgerische, von Licht durchflutete Klangbilder öffnete. Hier forderte Tilman Krämer von seinem Instrument viel Kraft und Volumen – deren Wucht sodann von fast tonloser Stille abgelöst wurde. Auch schlichte Melodielinien wurden in der ausdrucksvollen Gestaltung des Pianisten zum Ereignis.

Den ganzen Reichtum seiner musikalischen Farbpalette stellte Tilman Krämer mit den Variationen und der Fuge über ein Thema von Händel von Johannes Brahms (B-Dur, op. 24) vor. Dabei wurde das anfangs präsentierte Ursprungsmusikstück nicht nur mit Hilfe kompositorischer Mittel verkleidet, sondern erhielt auch jedes Mal ein ganz neues, eigenes Wesen: mal vehement fordernd, dann wieder als Frage-Antwort-Spiel oder buntes und wildes Fest inszeniert. Flirrender Klangfarbenimpressionismus wechselte mit mächtigem Drohgebaren, das sogar den Parkettboden des Saales vibrieren ließ.