Geneviève Lhermitte im Jahr 2008 bei ihrem Prozess. Foto: AFP/Yves Herman

Sie wollte mit ihrer Schuld nicht leben: In Belgien ist Geneviève Lhermitte am Jahrestag ihrer blutigen Tat für tot erklärt worden. Sie hatte 2007 ihre fünf Kinder getötet.

Geneviève Lhermitte ist tot. Die 56-Jährige hat ganz legal Sterbehilfe in Anspruch genommen. In Belgien kennen viele den Namen dieser Frau, allerdings ist es eine sehr traurige Berühmtheit. Geneviève Lhermitte hat vor 16 Jahren ihre fünf Kinder getötet, gestorben ist sie nun am Jahrestag ihrer Tat, dem 28. Februar, wie ihr Anwalt Nicolas Cohen erst jetzt mitteilte.

In Belgien ist Sterbehilfe unter bestimmten Auflagen erlaubt, wenn sie einem unerträglichen psychischen Leiden ein Ende setzt. „Auf diese spezifische Prozedur hat sich Frau Lhermitte berufen“, erklärte nun ihr Anwalt.

Die Kinder getötet, den Suizidversuch überlebt

Die grausame Tat im Jahr 2007 hat das ganze Land geschockt. Damals hatte die Hausfrau ihre vier Töchter und ihren Sohn in ihrem Haus in Nivelles südlich von Brüssel zuerst bewusstlos geschlagen und ihnen dann mit einem Küchenmesser die Kehlen durchgeschnitten. Die Kinder waren zwischen drei und 14 Jahre alt. Anschließend versuchte die Mutter, Suizid zu begehen, sie überlebte jedoch. Der Vater der Kinder war zum Tatzeitpunkt auf Reisen.

Die Verteidiger von Geneviève Lhermitte verwiesen während des Prozesses auf die schweren psychischen Probleme ihrer Mandantin, um eine langjährige Gefängnisstrafe abzuwenden. Auch mehrere medizinische Gutachter kamen zu diesem Urteil. Das Gericht kam aber zu einem anderen Schluss. Die Geschworenen betonten, dass die Frau nach der Tat keine Reue gezeigt habe und die Verantwortung dafür etwa auf ihren Mann geschoben habe. Die Morde habe sie vorsätzlich und in vollem Bewusstsein begangen, deshalb die Gefängnisstrafe.

Aus der Psychiatrie Antrag auf Sterbehilfe gestellt

Zwölf Jahre saß Geneviève Lhermitte danach im belgischen Frauengefängnis Berkendael, bevor sie in eine psychiatrische Anstalt verlegt wurde. Sie sei danach richtig aufgeblüht und habe ihre neue Freiheit genossen, sagte ihre Mutter der Tageszeitung „Le soir“. Sie habe wieder mehr gegessen und auch besser ausgesehen. Doch war diese Entwicklung offenbar nur oberflächlicher Natur. Denn Geneviève Lhermitte unternahm einen erneuten Suizidversuch.

Im vergangenen September stellte sie schließlich den Antrag auf Sterbehilfe, die in Belgien seit 2002 erlaubt ist. Im vergangenen Jahr machten davon offiziell 2966 Menschen Gebrauch. Das war laut der zuständigen belgischen Kommission ein Anstieg von fast zehn Prozent im Vergleich zu 2021. Der Anteil der Menschen mit psychischen Problemen ist allerdings mit unter einem Prozent verschwindend gering.

„Im Kopf 1000-mal für ihre Tat bestraft“

Ihr Bruder André erklärte nach der Nachricht vom Tod seiner Schwester, dass das Weiterleben für Geneviève Lhermitte nicht mehr möglich gewesen sei. „Ich will, dass die Menschen verstehen, dass sie in ihrem Kopf 1000-mal für ihre Tat bestraft worden ist,“ sagte er.

Nach zahlreichen Gutachten von Psychiatern und Medizinern wurde ihrem Antrag auf Sterbehilfe schließlich stattgegeben. Ihr Anwalt Nicolas Cohen wollte nicht bestätigen, dass das Datum, exakt 16 Jahre nach ihrer grausamen Tat, eine symbolische Bedeutung gehabt habe. Er bestätige lediglich ihren Tod. Damit sei die Akte Geneviève Lhermitte nun endgültig geschlossen.