Eskalation im Drogenkrieg: Am Wochenende explodierte in Antwerpen einer Wohnung im Stadtteil Borgerhout eine Bombe. Foto: VRT Belgien

Belgien gilt als Drehscheibe für den Drogenhandel. Die Clans gehen bei ihren Kämpfen immer brutaler vor. Doch Politik und Polizei schmieden einen Plan dagegen.

Der Drogenkrieg in Antwerpen geht in eine neue Runde. Am Wochenende explodierte in einer Wohnung im Stadtteil Borgerhout eine Bombe. Wie die Polizei mitteilte, wurde bei der Detonation niemand verletzt, allerdings musste der gesamte Wohnblock evakuiert werden. „Wir können eine Verbindung ins Drogenmilieu nicht ausschließen“, sagte ein Polizeisprecher.

Seit einigen Monaten überrollt Antwerpen eine Welle von Gewalt. Erst im Frühjahr wurde ein elfjähriges Mädchen getötet, Unbekannte feuerten auf ein Haus im Stadtteil Merksem. Bei dem Mädchen handelte es sich um die Nichte eines berüchtigten Drogenschmugglers.

Bande wollte den Justizminister entführen

Ende vergangenen Jahren vereitelte die Polizei die Entführung von Justizminister Vincent Van Quickenborne. Der Politiker ist in Belgien überaus populär, auch weil er der ausufernden Drogenkriminalität den Kampf angesagt hat. Er stattete etwa die Behörden mit mehr Personal aus, schuf eine neue Ermittlungsbehörde für den Hafen und schloss einen Auslieferungsvertrag mit den Vereinigten Arabischen Emiraten ab. Dafür sollte er offenbar büßen.

Belgien mit seinen über elf Millionen Einwohnern längst zu einem der wichtigsten Umschlagplätze für Drogen in Europa geworden. 2022 beschlagnahmte die Polizei allein in Antwerpen über 100 Tonnen Kokain. Die Drogen werden von dort aus über den ganzen Kontinent verteilt.

Hafenarbeiter und Regierungsbeamte geschmiert

Wie die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht schreibt, sind die Kokainfunde im Hafen von Antwerpen r nur die Spitze des Eisbergs. Man schätzt, dass eine Tonne Kokain gefunden wird, gleichzeitig neun weitere unbemerkt den Zoll passieren. Das geht nicht ohne Korruption in großem Stil, wie die EU-Beobachtungsstelle unterstreicht: Vom Hafenarbeiter bis zum Regierungsangestellten würden seien Helfer geschmiert.

In den vergangenen Jahren hat sich der Schwerpunkt des Drogenhandels von Rotterdam nach Antwerpen verlagert. Grund dafür sind die wesentlich verschärften Kontrollen in dem niederländischen Hafen. Dort wird inzwischen jeder Mitarbeiter überprüft, auch wurden die Strafen drastisch erhöht.

Nimmt die Gewalt noch zu?

In Antwerpen wollen sie nun von diesen Erfolgen lernen und die Maßnahmen verschärfen. Der Zoll soll mehr als 100 neue Mitarbeiter bekommen, die Staatsanwaltschaft gestärkt werden. Neue Scanner werden gekauft. Container sollen häufiger durchleuchtet werden, teilten die Behörden mit. Und auch in Antwerpen sollen Mitarbeiter des Hafens regelmäßig überprüft werden.

Die Erfolge der Fahnder haben auch eine Kehrseite: Sie könnten zur Zunahme der Gewalt der Drogenbanden führen, vermutet der Kriminologe Michaël Dantinne. „Es ist ein Paradox“, sagte Dantinne dem belgischen Sender RTBF. Werde Kokain beschlagnahmt, gebe es jemanden, der dafür zahlen müsse. „Meiner Meinung nach gibt es eine Reihe unbezahlter Rechnungen, die zu Spannungen zwischen den Akteuren geführt haben, die wegen der Schulden und Forderungen zu Gewalt greifen.“