Das Belcea-Quartett Foto: Knapp

Mit einem grandiosen Konzert des 1994 in London gegründeten rumänisch-polnisch-französischen Belcea-Quartetts hat die Stuttgarter Kammermusikreihe der SKS Russ begonnen

Stuttgart - Sie kommen aus Rumänien, Polen und Frankreich, haben während ihres Studiums am Londoner Royal College of Music vor gut zwanzig Jahren zum Ensemble zusammengefunden, spielen alles, was vier Streichinstrumente spielen können, haben sämtliche Quartette Beethovens auf CD und DVD aufgenommen, gelten heute als eine der weltweit besten Streichquartett-Formationen, und beim Start der SKS-Kammermusikreihe am Donnerstagabend im Mozartsaal konnte man hören, warum das so ist.

Gäbe es das Belcea-Quartett nicht schon, so müsste man es erfinden: So exemplarisch, so gut und so spannend ist, was die drei Männer und ihre hochenergetische Primaria in Stuttgart mit Werken von Haydn, Bartók und Mozart anstellen, und so fein austariert sind ihre Interpretationen zwischen Strenge und Spontanität, Kontrast und Verschmelzung, Individuum und Masse.

Fenster zur Romantik

Wie sich im Adagio von Haydns G-Dur-Quartett op. 77/1 eine gemeinsame Linie auffächert, wie die Instrumente hier singen, wie die Musik die Fenster zur Romantik weit aufmacht: Das ist ungemein packend gespielt und scheint im innigen Zwiegespräch der Geigen zu Beginn von Béla Bartóks erstem Streichquartett, ja überhaupt in dessen zahlreichen liebevollen Rückblicken auf das 19. Jahrhundert seine Fortsetzung zu finden.

Nicht nur die Fuge des ersten Satzes spielt das Belcea-Quartett mit einem Mut zum Risiko, der Zuhörern den Atem stocken lässt – und bei dem die Musiker um der Wirkung des Ganzen in Kauf nehmen, dass ab und zu mal ein Ansatz oder ein Ton ins Straucheln gerät. Spannung entsteht bei Bartók hier auch aus dem Widerspruch zwischen (harmonischer wie formaler) Affirmation und Revolution, und wenn das Quartett den Abend mit der eigentlich unmöglichen, aber so wundervoll gespielten Zugabe des „sehr langsamen“ Satzes aus Anton Weberns op. 5 beschließt, dann spürt man, dass das wilde Terrain zwischen Tradition und Aufbruch die ureigenste künstlerische Heimat der Multikulti-Streicher ist.

Mozart mit Spannung

Vorher gibt es aber noch Mozarts C-Dur-Quartett KV 465, das wegen der Reibung zweier Halbtöne zu Beginn des ersten Satzes auch „Dissonanzen-Quartett“ genannt wird. Beim Belcea-Quartett indes findet das wirklich Interessante nicht zwischen As und A, erster Violine und Bratsche statt, sondern schlägt sich in der gesamten langsamen Einleitung nieder. Mozart im Morgendunst: ein echtes Erlebnis.