Traumatische Erfahrungen belasten die Psyche und prägen das Erbgut von Menschen. Wenn man solche Erfahrungen in der Kindheit macht, hat diese sogar Auswirkungen auf die Organe: So altert das Gehirn von Betroffenen schneller.
Belastende Erfahrungen im Kindesalter erhöhen nicht nur das Risiko für Depressionen und Herzkreislauferkrankungen, sondern lassen auch das Gehirn schneller altern.
Forscher der Berliner Charité haben in einer Studie mit 179 Frauen nachgewiesen, dass schwerwiegende Kindheitserfahrungen zu messbaren Anzeichen für eine beschleunigte Hirnalterung führen, wie die Universitätsklinik am Donnerstag (13. Februar) mitgeteilt hat.
Folgen stressreicher und hochbelastender Erfahrungen
Es ist bereits bekannt, dass sich stressreiche und hochbelastende Kindheitserfahrungen wie Misshandlung, häusliche Gewalt, Kriminalität in der Familie oder der Verlust eines Elternteils mitunter negativ auf die Gesundheit im Erwachsenenalter auswirken.
Betroffene erkranken häufiger und leiden etwa unter Depression, Angststörungen, Herzkreislauf- oder Stoffwechselerkrankungen. Nach Angaben von Studienleiterin Christine Heim berichten etwa 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung von einem solchen Kindheitstrauma.
Erhöhtes Risiko für Alzheimer und Demenz
Das Forscherteam untersuchte nun Frauen, die allgemein ein erhöhtes Risiko für neurodegenerative Erkrankungen wie zum Beispiel Demenz und Alzheimer haben. Die Experten erstellten Hirnscans und testeten die Gedächtnisleistung. Zudem wurden Blutproben der Studienteilnehmerinnen untersucht.
Im Ergebnis zeigte sich, dass Frauen, die in ihrer Kindheit in hohem Maß Stress oder Trauma erlebten, im Blut vermehrt Biomarker für Entzündungen und das Absterben von Nervenzellen aufwiesen. Zudem hatten sie ein geringeres Hirnvolumen und mehr kognitive Probleme.
Die Wissenschaftler wollen künftig auch untersuchen, ob bei Männern ähnliche Zusammenhänge zu beobachten sind. Sie betonten zugleich, dass nicht jede oder jeder Betroffene nach kindlichem Trauma eine Demenz entwickelt. Viele Menschen besitzen demnach eine hohe Resilienz, also Widerstandskraft, mit der sie schwere Lebenskrisen ohne größeren Schaden überstehen.
Info: Die traumatisierte Seele
Psychotraumatologie
Die Psycho-Traumatologie beschäftigt sich mit den Folgen von Traumata, erforscht und behandelt die Auswirkungen von traumatischen Ereignissen auf das Erleben und Verhalten von Einzelnen und Gruppen. Der aus der Unfallchirurgie stammende englische Begriff „Traumatology“ wurde erstmals im Jahr 1990 von dem amerikanischen Kinderpsychiater Dennis Donovan auf psychische Verletzungen angewendet. Daraus entwickelte sich das Konzept der Psychotraumatologie.
PTBS
Die Tatsache, dass der Mensch Gewalt-, Trennungs-, Missbrauchs- oder Kriegserfahrungen nicht einfach ad hoc verarbeiten kann, führt zu Posttraumatischen Belastungsstörungen – also nachwirkenden seelischen Belastungen. Obwohl dieses Phänomen seit langem bekannt ist, werden PTBS erst seit den 1980er Jahren im Zusammenhang mit dissoziativen Störungen (bei der zusammengehörige Informationen, Wahrnehmungen oder Gedanken nicht mehr miteinander in Verbindung gebracht werden können) mit der Aufnahme in das DSM diagnostiziert.
DDSM/ICD
Das DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) ist ein Diagnostischer und statistischer Leitfaden psychischer Störungen. Seit 1952 wird das Manuale von der American Psychiatric Association herausgegeben, seit 1996 erscheint es auf Deutsch. Das DSM spielt die zentrale Rolle bei der Definition und Diagnostik von psychischen Erkrankungen. Heute ist das DSM international in der Forschung und in vielen Kliniken und Instituten gebräuchlich. DasICD (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) ist das zweite große Klassifikationssystem in der Medizin. Es beinhaltet die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme und ist das wichtigste, weltweit anerkannte Klassifikationssystem zur Verschlüsselung von Diagnosen in der ambulanten und stationären Versorgung der Medizin. Es wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO/World Health Organisation) herausgegeben.
Psychologische Therapien von PTBS: Tiefenpsychologie
Tiefenpsychologisch wird nach den Auswirkungen von Traumatisierungen auf das Unbewusste gesucht. In 100 und mehr Einzelsitzungen sollen tief verborgene und verdrängte Erlebnisse hervorgeholt, thematisiert und so verarbeitet werden.
Imaginative Verfahren
Dabei werden tiefere Schichten der Seele, die im Alltag ausgeblendet werden, durch innere Bilder und Träume hervorgeholt. Dies soll letztlich zu einer psychisch-bewussten und tieferen Ebene der Verarbeitung führen.
Narrative Verfahren
Hierbei geht es darum, dass traumatisierte Menschen ihren inneren Drang ausleben können, verlorene, isolierte oder verdrängte Traumata nachzuerzählen. Durch die Schilderung (Narration) der persönlichen Lebensgeschichte versucht man einen Sinn und Zusammenhang in den Erlebnissen zu erkennen.
Gestalttherapie
Die Gestalttherapie ist eine psychotherapeutische Methode, um ganzheitlich (integrativ) Körper, Geist und Seele an der Trauma-Verarbeitung teilhaben zu lassen. Alle drei Ebenen sowie das soziale Umfeld des Betroffenen beeinflussen sich wechselseitig und sind in der Therapie zu berücksichtigen - etwa in körpertherapeutischen Verfahren wie der Kunsttherapie. Die Hände werden beim Malen, Formen und Gestalten eingesetzt und so zu Instrumenten einer geistig-seelischen Verarbeitung der Traumata.
Medikamentöse Behandlung
Bestimmte Krankheitsbilder führen zu seelischen Symptomen wie Phobien, Panikattacken oder Niedergeschlagenheit, die sich nur mit Hilfe spezieller Medikamente (etwa Tranquilizer, Antidepressiva oder Neuroleptika) behandeln lassen. Allerdings ist umstritten, ob solche Medikamente bei Traumapatienten der richtige Weg sind – auch deshalb, weil sie nicht die Ursachen der Belastungsstörungen angehen.