Ein ausgezeichnetes Haus: Das Gebäude K 2 im Stuttgarter Westen, entworfen vom Büro Bottega + Erhardt Architekten GmbH Foto: David Franck Photographie

Architektur vom Feinsten, die überzeugt und keinen spektakulären Auftritt braucht – ist so etwas in letzter Zeit auch in Stuttgart entstanden? Ja, meint die Architektenkammer Baden-Württemberg. 23 Gebäude hebt sie jetzt besonders hervor.

Stuttgart - Ausgerechnet in Stuttgart, der Stadt der Ingenieure und Architekten, gibt es kaum imponierende Neubauten? Dieses immer wieder zu hörende „Gejammer“ über angeblich minderwertige Bauwerke sei falsch, meint Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne). Und das sieht er jetzt bewiesen: weil ein Preisgericht unter 141 vorgeschlagenen Bauten 23 beispielhafte Objekte identifizierte, die 2011 bis 2015 entstanden.

In Stuttgart sei offensichtlich „geballte Kompetenz“ am Werk, urteilte auch Carmen Mundorff, Pressesprecherin der Architektenkammer Baden-Württemberg, die das sogenannte Auszeichnungsverfahren „Beispielhaftes Bauen“ gestartet hatte. Zu dem werbewirksamen Urteil wurde Mundorff beflügelt, weil 91 Prozent der Büros, die die gekürten Gebäude entwarfen, ihren Sitz auch in der Landeshauptstadt haben. Allerdings waren in diesem Verfahren auch nur Stuttgarter Vorzeigebeispiele gesucht. In einigen anderen Städten in Baden-Württemberg suchte die Kammer separat. Die Orte wechseln regelmäßig. Eines gilt aus Sicht der Kammer überall: Für Qualität der Bauten sind Planer und Bauherren wichtig.

Der Wunsch, zum Abendessen zu bleiben

Die Preisrichter ließen sich ein bisschen vom Bauchgefühl leiten, verriet der Vizepräsident der Kammer und Juryvorsitzende Stephan Weber aus Heidelberg. 39 Objekte, die in die engere Wahl kamen, besuchten sie. „Da überlegt man auch, wie man sich als Gast fühlt.“ Wenn man den Wunsch verspüre, zum Abendessen zu bleiben oder sich länger in den Räumen von Zweckbauten aufzuhalten, sei das schon mal ein gutes Zeichen. Hauptsächlich konnten sich die ausschließlich von Architekten und Bauherren vorgeschlagenen Bauten aber mit der architektonischen Gestaltung, der Qualität und Zweckmäßigkeit der Materialien, der „konstruktiven Erdigkeit“ (Weber), der städtebaulichen Einpassung in die Umgebung sowie mit der Nachhaltigkeit und energetischen Konzeption der Gebäude empfehlen. Wer weniger mit Geld auftrumpfte, war bei der Gelegenheit mal im Vorteil. Denn: Mit günstigeren Materialien Vorbildliches zu schaffen, ist anspruchsvoller, als mit einem üppigen Budget. Und Schlichtheit kann große Qualität bedeuten.

Imponiert haben dem Preisgericht, dem neben vier auswärtigen Fachleuten der Stuttgarter Schriftsteller Heinrich Steinfest, Anja Dauschek vom Aufbaustab des neuen Stadtmuseums und eine Mitarbeiterin des Südwestrundfunks angehörten, sehr viele Ideen und Umsetzungen. Im Fall des Schulzentrums Stuttgart-Nord an der Heilbronner Straße, hob Weber beispielsweise hervor, sei das Gebäude aus den 1970er Jahren mit Respekt und Einfühlungsvermögen „in die heutige Zeit übersetzt worden“. Zwei kleine, schlichte Wohnhäuser in Kaltental empfand man „wie kommunizierende Zwillinge“. Sie hätten großen Wohnwert.

Sozialbauten werden selten prämiert

Zu den gekürten Bauwerken gehören auch das Dach der Skateranlage beim Pragfriedhof, eine Fußgängerunterführung in Zazenhausen, der neu gestaltete Hospitalplatz und die Innengestaltung im Weinbaumuseum in Uhlbach. Das sind vier von sechs preisgekrönten Projekten der Stadt, wie Pätzold bemerkte. Schade fand er, dass sich zum Beispiel die städtische Tochter SWSG nicht mit der Modernisierung der Sozialmieter-Viertel im Hallschlag beworben hatte.

Überhaupt: Für Alltagsarchitektur würden weniger Anträge gestellt, für Geschosswohnungsbau und speziell Sozialmietwohnungen leider selten, sagte Carmen Mundorff. Das liegt vielleicht an geringen Bauraten in manchen dieser Bereiche. Nach der jüngsten Finanzkrise sei der Markt zudem „unkritisch gewesen“, meinte Mundorff. Es ging um Geldanlagen in Betongold.

Ausgezeichnet wurden Wohnbauten (4), öffentliche Bauten (6), ein Gewerbebau, Bauten in Bestandsgebieten (8), stadtgestalterische Projekte (2), eine Landschaftsanlage und eine Innenraumgestaltung. Bauherren und Architekten werden am 25. Januar um 18 Uhr im Rathaus ausgezeichnet, danach ist eine Ausstellung geplant. Fotos von den Gebäuden und die Namen der Architekten gibt es im Internet unter www.stuttgarter-nachrichten.de