An der Beurteilung des Festo-Turms in Esslingen haben sich die Geister geschieden. Foto: Horst Rudel

Die Jury hat entschieden. 22 Gebäude und Freianlagen im Landkreis Esslingen sind beim Wettbewerb Beispielhaftes Bauen mit einem Preis bedacht worden.

Esslingen - Die Vorstellung der Preisträger des Auszeichnungsverfahrens „Beispielhaftes Bauen im Landkreis Esslingen“ hat zwei Botschaften transportiert. Eine positive – aus rein ästhetisch-architektonischer Sicht, und eine negative – aus sozial- und gesellschaftspolitischer Sicht.

Eigentlich sollten die Scheinwerfer im Esslinger Landratsamt auf die Sieger gerichtet sein. Doch nicht die 22 als wegweisend auserkorenen Gebäude und Außenanlagen standen im Mittelpunkt der sachkundigen Runde, sondern, so widersprüchlich es klingen mag, Gebäude, die es überhaupt gar nicht, oder noch nicht, gibt.

„Wir waren einerseits bass erstaunt über die Qualität der 88 eingereichten Arbeiten. Andererseits aber waren wir enttäuscht, dass keine preiswürdigen Beispiele des Geschoßwohnungsbaus darunter waren“, sagt Adrian Hochstrasser, der Vorsitzende der sieben Mitglieder starken Jury, die in den vergangenen Tagen insgesamt 88 Gebäude in Augenschein genommen hatte. Aber gerade im Bau bezahlbaren Wohnraums liege die Herausforderung, der sich die Gesellschaft stellen müsse, so der Ulmer Architekt.

Der Esslinger Landrat Heinz Eininger, Schirmherr des von der Architektenkammer Baden-Württemberg zum dritten Mal ausgelobten Wettbewerbs, schlägt in die gleiche Kerbe. „In einem wachsenden Landkreis, der auf die 540 000 Einwohner zusteuert, braucht es in den kommenden zehn Jahren rund 6000 bezahlbare Wohnungen“, sagt der Kreischef unter Berufung auf die im Rahmen einer Fachtagung gewonnenen Erkenntnisse. Gebaut würden derzeit jedoch lediglich 300 Wohnungen im Jahr, gerade mal die Hälfte des errechneten jährlichen Bedarfs.

„Bezahlbarer Wohnraum für alle“

Mit der nachdrücklichen Forderung nach „bezahlbarem Wohnraum für alle“, gelang Eininger dann doch noch der Brückenschlag zum aktuellen Wettbewerb. Immerhin drei der ausgezeichneten Bauten können für sich in Anspruch nehmen, über die geforderte ästhetische und dienende Funktion hinaus auch noch dem sozialen Anspruch gerecht zu werden.

Die Flüchtlingsunterkunft in der Maybachstraße in Ostfildern-Nellingen, das in Ostfildern-Ruit stehende Obdachlosenhaus und das Hoffnungshaus in der Esslinger Flandernstraße stehen nach Einschätzung der Fachleute beispielhaft für die aktuelle Planungskultur: gut aussehend, preisgünstig hergestellt, qualitätvoll ausgeführt und identitätsstiftend für das Wohnquartier. Die politische Botschaft, die hinter den geradlinig gestalteten Fassaden steht, kann nach Einschätzung des Landrats nicht deutlich genug betont werden. „Da wohnen jetzt zwar zeitweilig Asylbewerber drin. Aber die Botschaft über die Gegenwart hinaus muss sein: Was hier entstanden ist, ist bezahlbarer Wohnraum für alle“, betont der Kreischef.

Gut gestaltete Architektur aus allen Lebensbereichen aufzufinden und dadurch weitere Impulse für die positive Entwicklung der Baukultur im Kreis Esslingen zu geben – dieses hehre Ziel des Auszeichnungsverfahrens ist zumindest in 19 weiteren Objekten – vom Kirchenraum über das Fabrikationsgebäude und das Verwaltungsgebäude bis hin zum Kindergarten und dem privaten Wohnhaus – beispielhaft erfüllt worden.

„Nicht an jeder Straßenecke“

An einem Gebäude, letztlich doch mit einer Auszeichnung bedacht, schieden sich die Geister. „So etwas will man nicht an jeder Straßenecke sehen“, bringt Hochstrasser die Bedenken auf den Punkt. Dass der Festo-Turm in Esslingen-Berkheim trotzdem in den Kreis der Preisträger aufgenommen wurde, liegt nach Einschätzung der Jury-Vorsitzenden daran, dass er mit seiner unangetasteten Solitärstellung eine angemessene Antwort auf die Frage gibt, wie sich das Unternehmen nach außen hin präsentiert. Und beispielhaft an dem Gebäude sei immerhin seine Energetik und seine Büroorganisation.

Auch der heimliche Favorit des Landrats, und da schließt sich der Kreis, ist gar kein Gebäude. Der Panoramaweg am Rande der Ostfilderner Parksiedlung hat es Heinz Eininger besonders angetan. Hierhin entführe er immer seine Gäste, wenn er ihnen einen Eindruck vom Charakter des Landkreises Esslingen vermitteln wolle – von der Schönheit der Naturlandschaft und der Weinberge ebenso, wie von den Problemen, die die Verdichtung im Neckartal mit sich bringe.