Das britische Königshaus trägt Prinz Philipp zu Grabe. Coronabedingt im kleinen Kreis. Um die Welt geht dabei das Bild einer einsamen Queen.
Windsor - Auf Schloss Windsor ist am Sonntag wieder Ruhe eingezogen. Die mehr als 700 Seeleute und Soldaten, die das Gelände tags zuvor mit zeremoniellen Aufmärschen und Musik gefüllt hatten, sind in ihre Quartiere zurückgekehrt. Die Kameras sind abgebaut. Die Queen hat sich ins Palastinnere zurückgezogen. Die sterblichen Überreste von Prinz Philip liegen in der königlichen Gruft der Schlosskirche, dem Royal Vault, nicht weit von ihr entfernt.
Geblieben sind die Bilder eines Begräbnisses, das derart meisterhaft nur das britische Königshaus hätte inszenieren können – und das doch zugleich wegen der Pandemie so ganz anders ablief, als es eigentlich geplant worden war. Strikt hielten sich die Royals an die Obergrenze von 30 Trauergästen, ans Abstandhalten, an das Tragen von Masken in der Kirche. Keine Politiker, keine Prominenz aus aller Welt, keine Würdenträger nahmen an der Trauerfeier teil.
Selbst der Gottesdienst war, im Kontrast zu Pomp und Farbenpracht der vielen Uniformen draußen, geradezu spartanisch. Keine Grabrede, keine Predigt, keine persönlichen Lesungen waren vorgesehen. Nur vier Sänger waren postiert im weiten, leer geräumten Kirchenschiff in Windsor. In einem Gebet dankte Justin Welby, Erzbischof von Canterbury, dem Verstorbenen für seinen „entschlossenen Glauben und seine Loyalität, für seinen hohen Sinn für Pflicht und Integrität, für seinen lebenslangen Dienst an der Nation und für den Mut und die Inspiration seiner Führung“.
Die Queen sitzt ganz allein
Recht einsam hatte sich schon die Ankunft des Sarges in der St. George’s Chapel ausgenommen. Eine kleine Prozession, angeführt von Prinz Charles, dem Thronfolger, und Prinzessin Anne, seiner Schwester, war dem nach Philips Vorgaben umgemodelten, militärgrünen Land Rover, der als Leichenwagen diente, vom Schloss her gefolgt. Im feierlichen Gleichschritt war die Abordnung zur Kirche marschiert, um den eine Woche zuvor im Alter von 99 Jahren verstorbenen Gemahl und langjährigen Gefährten von Königin Elizabeth II. zu Grabe zu tragen. Die Queen traf im Bentley, in der königlichen Limousine, in der Kirche ein.
Klein und gebeugt und ein bisschen unsicher betrat sie das ihr so vertraute Gebäude, um vorn im Chorgestühl ihren angestammten Platz einzunehmen. Völlig allein saß sie dort, hinter ihrer schwarzen Maske und kaum sichtbar für die Welt, im Dunkel des Gestühls. Nur gelegentlich schaute sie von der Gottesdienstordnung in ihren Händen auf und unter ihrer Hutkrempe hervor. Kein Bild prägte sich von der Begräbnisfeier so ein wie dieses, das Bild einer nun wahrhaft einsam wirkenden, selbst von ihrer Familie abgeschirmten Königin, die am Mittwoch 95 Jahre alt wird. Am Sonntag erschienen fast alle Zeitungen im Königreich mit diesem Bild auf ihrer Titelseite.
Außer auf die Königin richtete sich das Interesse der vielen Millionen Briten, die das Ganze am Bildschirm verfolgten, auf die jüngeren Royals – vor allem auf Elizabeths aus den USA angereisten Enkel Harry. Nach dem Zerwürfnis des „Aussteiger-Prinzen“ und seiner Frau Meghan mit dem Rest der Familie hielten Royalisten hoffnungsvoll Ausschau nach Zeichen der Versöhnung.
William und Harry Seite an Seite
Insbesondere mit seinem Bruder William hatte sich Harry ja überworfen, im Streit über angebliche Lieblosigkeit und gar rassistische Tendenzen im Clan. Wohl damit sie sich nicht in die Haare geraten würden, hatte die Queen angeordnet, dass im Zug der Prozession einer der Cousins, der Sohn von Prinzessin Anne, zwischen William und Harry marschieren sollte. In der Kirche saßen sie sich gegenüber, vom Mittelgang getrennt.
Im Anschluss an die Feier, draußen vor der Kirche, sah man freilich Harry stracks zu William und dessen Frau Kate aufschließen und später an Williams Seite plaudernd zum Schloss zurück spazieren. Was auch immer unter der Oberfläche noch brodeln mochte: Der weiteren Öffentlichkeit wurde es bei dieser Gelegenheit nicht präsentiert.
Eilig war es Harry offenbar auch nicht, zurück über den Atlantik zu setzen. Immerhin wird in Windsor, wie von der Königin verfügt, noch die ganze Woche über offiziell getrauert, während die Staatstrauer-Periode am Sonntagmorgen zu Ende ging und die Flaggen auf den öffentlichen Gebäuden um acht Uhr morgens wieder voll aufgezogen wurden, nachdem sie acht Tage lang auf halbmast gesetzt worden waren.
Keine Uniform für alle
Leichter mochte es Prinz Harry fallen, noch etwas länger in Windsor zu verweilen, nachdem man ihm die Peinlichkeit erspart hatte, als einziges Familienmitglied bei der Trauerfeier für Philip nicht in militärischer Uniform auftreten zu dürfen. Immerhin hatte Elizabeth den unbotmäßigen Enkel ja erst jüngst all seiner Ehrentitel enthoben, nachdem er aus dem Kreis der sogenannten arbeitenden Royals ausgeschieden war.
Um die Lage zu entkrampfen, waren alle, die dem Sarg folgten, in Zivil, in bester Frack- und Festtags-Kluft, erschienen. Das konnte auch Harrys Onkel Andrew nur recht sein, dem sein versprochener Admiralstitel bei Hofe vorenthalten worden ist, seit bekannt wurde, in welche Sex-Skandale er sich verstrickt hat, und dass ihn das FBI dazu gern einmal verhören würde.
Langweilig wird es den Briten mit ihrer königlichen Familie also auch nach dem Ableben des Chefs der „Firma“ wohl nicht werden. Dazu passt der Schlusspunkt, den sich Philip für sein Begräbnis selbst auserbeten hatte. Da traten zu guter Letzt vier Royal Marines an, um die Neun-Sekunden-Fanfare „Action Stations“ zu blasen – den Trompetenstoß, der Seeleute auf Kriegsschiffen zur Gefechtsstellung auffordert. Womöglich sah er für die Seinen keine friedlichen Zeiten voraus – und die Ruhe vom Sonntag könnte in Windsor nur eine Momentaufnahme sein.