Im alten Stadtturm begegnet Besuchern Geschichte auf Schritt und Tritt. Foto: Eppler

Der Beinsteiner Torturm ist ein Waiblinger Wahrzeichen und war zeitweise ein Gefängnis. 2019 soll dort ein Museum einziehen. Deshalb wird das Bauwerk nun im Inneren aufwendig saniert. Ein Besuch auf der Baustelle.

Waiblingen - Von außen sieht man es ihm nicht an, aber im Inneren ist der Beinsteiner Torturm, eines der Waiblinger Wahrzeichen, derzeit eine große Baustelle. Stromkabel hängen von den Decken, am Boden liegen Reste von heruntergeschlagenem Wandputz, und eine Staubschicht überzieht Dielenbretter, Wände und die vier Ölradiatoren, die in einer Zimmerecke im ersten Stock stehen. Demnächst soll eine Heizung diese ersetzen. „Wir schaffen die Voraussetzungen für das Museum“, sagt Michael Gunser vom Hochbauamt und benennt das sportliche Ziel: „Wir wollen bis Januar mit den Bauarbeiten durch sein.“

Prächtige Wandbemalung mit Schablonen

Danach sind die Ausstellungsmacher am Zug, denn pünktlich zu Beginn der Gartenschau im Mai soll im einstigen Wehrturm, dessen Ursprünge bis in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts zurückgehen, eine Zweigstelle des Stadtmuseums eröffnen, die sich speziell mit dem Themenkomplex „Flucht, Vertreibung, Migration“ beschäftigt. Ein aktuelles Thema mit langer Geschichte, wie ein Rundgang durch den Stadtturm eindrücklich zeigt: Gleich im ersten Stock erwartet Besucher eine prächtige Wandbemalung in dunklem Rot und Beige – fast fühlt man sich im eigentlich schlichten Turm wie in einem Schloss. Den rund 20 Quadratmeter großen Raum zwischen 1,60 Meter dicken Wänden haben einst die Ungarndeutschen aus Csávoly als Treffpunkt genutzt und mit Schablonenmalerei gestaltet. „Sie waren offensichtlich sehr fähige Maler“, sagt Michael Gunser, der im Turm einige alte Schablonen entdeckt hat. Sie werden in der Ausstellung vielleicht ein Plätzchen finden – so wie etliche andere Exponate, mit denen die Csávolyer ihre Heimatstube einst ausgestattet hatten, zum Beispiel ein alter Herd, der momentan etwas verloren in einer Ecke steht, oder das Mobiliar einer Stube.

Auf dem Weg ins nächste Stockwerk zeigt Michael Gunser auf die Wand. „Der Putz fiel uns hier entgegen, darunter haben wir erhebliche Risse im Mauerwerk entdeckt.“ Die Erschütterungen durch die vielen Autos, die täglich das Tor passieren, dürften dabei ebenso eine Rolle spielen wie die benachbarte Rems. So oder so – die Risse müssen verpresst werden. Und dann stelle sich die Frage, ob die Wände erneut verputzt werden, erklärt Gunser, der davon ausgeht, dass der Turm die meiste Zeit mit einer Putzschicht versehen war.

Neben unerfreulichen Funden wie dem rissigen Mauerwerk ist bei den Bauarbeiten auch so manche angenehme Überraschung zu Tage gekommen: eine schöne alte Steintreppe, eine weitere Treppe mit Stufen aus massivem Holz und ein Sandsteinfußboden gehören dazu, außerdem alte Holzdielen, die sich unter einem Plastikfußboden versteckten. Bei jeder Entdeckung stellt sich für die Sanierer die Frage, was freigelegt wird und was nicht. „Wir arbeiten da in enger Absprache mit dem Landesdenkmalamt“, sagt Michael Gunser.

Schicht für Schicht: ein Fenster in die Geschichte

Am Turmaufgang, wo sich ein schön behauener Türbogen aus Sandstein über den Köpfen wölbt, sei ein „Fenster in die Geschichte“ geplant, das einen Blick auf die Farbschichten freigibt, die Laufe der Jahrhunderte aufgetragen wurden. Mancher Gauner ist dort durchmarschiert, die Reste einer Arrestzelle kann man bis heute im Turm erkennen. „Die Tatsache, dass er Gefängnis war, hat den Turm gerettet“, sagt Michael Gunser. Denn immer wieder habe es Vorstöße gegeben, dieses Nadelöhr abzureißen. Noch heute hat der Turm Bewohner, die allerdings freiwillig eingezogen sind – in vier Kästen am Dach nistet eine Dohlenkolonie.

Eine bewegte Geschichte

Sanierung:
Der knapp 40 Meter hohe Beinsteiner Torturm ist außen bereits in den Jahren 2012 und 2013 renoviert worden. Damals wurden das Dach und der Außenputz saniert und Teile des Fachwerks ausgetauscht. In den späten 1970er-Jahren war das Denkmal schon einmal grundlegend saniert worden. Danach hatte der Turm als Heimatstube der Heimatvertriebenen aus dem südungarischen Csávoly gedient. Der Verein hat sich inzwischen aufgelöst.

Nutzung
: Der Beinsteiner Torturm war Teil der Stadtbefestigung und ist im Volksmund auch als „Säuturm“ bekannt, weil durch sein Tor Schweine auf die Weide getrieben wurden. Der Turm wurde bis ins 20. Jahrhundert als Gefängnis genutzt, was ihn vor einem Abriss rettete. Die Reichsstraße 14 von Stuttgart nach Nürnberg führte einst durch dieses Nadelöhr.