Miroslav Nemec begeistert als Vollblutkünstler das Publikum in Beilstein.
Beilstein - Der Mann schlägt ein wie eine Granate: kraftstrotzend, präzise, kernig und laut. Wie sollte es anders sein? Miroslav Nemec steht auf der Bühne dermaßen unter Strom, dass er wie eine Druckwelle auf die vordersten Reihen der Zuschauer wirkt. Unterdessen schauen die Besucher in der ausverkauften Stadthalle beinahe ungläubig auf die Bühne. Mit einer Lesung, die vielleicht noch musikalisch umrahmt wird, hat die Show des gebürtigen Kroaten so gar nichts gemein. Wie ein Mistral bringt seine Performance dagegen kompletten Luftaustausch in den Saal und macht aus dem Tatort-Hauptkommissar einen Entertainer der Spitzenklasse.
Nemec bindet all das, was er so gerne macht, in die Lesung seiner Lebensgeschichte „Miroslav – Jugoslav“ mit ein. Und das ist nicht wenig: er singt und begleitet sich dazu auf der turbulent und kantig bedienten Klaviatur des Flügels, greift herzhaft in die Saiten seiner Gitarre und versprüht Stammtisch-Atmosphäre, indem er gekonnt Witze unter das Volk bringt.
Das geht schon damit los, dass er den ursprünglich angedachte Titel seines Buches verrät, wie: „Eigentlich bin ich ganz anders, nur komm´ ich so selten dazu“ und damit die ersten Lacher erzielt. Völlig unverkrampft, aber im Fließbandcharakter purzeln die Pointen aus Nemec´ Mund und bringen die Menschen im Saal, darunter auch die Beilsteiner Schwiegereltern, zum Lachen. Einen Schnappschuss, der ihn als Kind im Fass zeigt, hat er würdevoll mit „Im Fass gereift“ untertitelt. Der Satz zeigt, welch Geist dem Künstler innewohnt. Er liebe Aphorismen; knappe, präzise Lebensweisheiten, die eine Aussage gut auf den Punkt bringen könnten, und manchmal eben auch total danebenliegen. Sprichts und verdeutlicht es: „Jede Frau freut sich über ein paar Gladiatoren in der Vase“.
Nemec bedient seine Zuhörer mit der geballten Energie eines Künstlers, der weiß, was er will und weiß, was er kann. Er ist sich seiner Wirkung durchaus bewusst und agiert auf der Bühne, als sei es sein Wohnzimmer.
Schauspieler durch und durch, entwickelt sich der Mann zu einer Rampensau, bringt Rio Reisers „Unten am Ufer“ in seiner eigenen Version zu Gehör, singt mit der Leidenschaft des Kroaten landestypische Lieder vom Inland und der Küste oder Reimereien mit „Wiener Schmalz“ und zeigt, dass eine empfindsame Seele in ihm wohnt.
Die Brille in der Hand schlenkert er zu „politisch unkorrekten“ Witzen oder solchen, die Schauspieler und den Alkohol im Visier haben. Das entbehrungsreiche Leben im Sozialismus – Eier waren nahezu unerschwinglich in Zagreb – erfährt aber durch den Familienverbund dennoch Glanz und defiliert ebenso über den Bühnenrand, wie Erzählungen, die ihn selbst zu erheitern scheinen: Etwa, wenn er als Schauspieler zwar erkannt, dann aber fasch einsortiert wird. Sticheleien und Bösartigkeiten aus der Schauspielwelt und seiner Zeit als Student gehören zu dem Unterhaltungsrausch ebenso dazu, wie der Pionier-Eid auf Tito, den er mit 10 Jahren geleistet habe sowie knappe Details aus der Ehe seiner Eltern. Letztere waren Erscheinungen, die ihn als Kind regelrecht hin- undhergerissen haben zwischen der kroatischen Heimat und dem bayerischen Freilassing. Manchmal sogar mitten im Schuljahr.