Mountainbiker haben die heimischen Wälder für sich entdeckt. Foto: Archiv

Härtere Gangart gegenüber schwarzen Schafen der Szene wird gefordert.

Beilstein/Oberstenfeld - Mountainbiker auf wilden Trails? Das will die Gemeinde Oberstenfeld verhindern – und plant, mit dem Verein Trailsurfers Baden-Württemberg einen 13,7 Kilometer langen Rundweg auszuweisen (wir berichteten). Doch nach dem einstimmigen Ratsbeschluss vor etwa einer Woche gibt es Zweifel, ob das Konzept greift. Willi Leible, langjähriger Vorsitzender des örtlichen Naturschutzbundes, befürchtet, dass die MTB-Szene wenig Rücksicht auf die Tierwelt nimmt. „Die Biker werden nicht nur die drei legalen, sondern auch die illegalen Trails benutzen“, ist er sich sicher – und verlangt, dass diese wilden Wege gesperrt werden.

Laut Leible ist es naiv zu glauben, dass sich die nicht im Verein organisierten Mountainbiker an Vorgaben halten: „Wer sich davon überzeugen will, wie das funktioniert, kann sich ja einem sonnigen Wochenende mal zu einem der illegalen Trails hinbegeben.“ Der Vogelschützer aus Oberstenfeld verweist auf Internetbeiträge in den einschlägigen Foren. Dort sei davon die Rede, dass man sich nicht bevormunden oder in ein Vereinskorsett zwängen lassen wolle. Ein schlechtes Beispiel gebe Sasse 82, den Leible als offiziellen Trailreporter des Vereins meint erkannt zu haben. „Er ist zur besten Brutzeit durch gesetzlich geschützte Biotope und durch ein Naturdenkmal gefahren.“ Ein Roter Milan, der direkt am illegalen Scheiterburgtrail sieben Jahre lang gebrütete habe, sei verschwunden. „Ein Zusammenhang, mit den in 30 Metern vorbeifahrenden Bikern ist natürlich nur von militanten Naturschützern zu konstruieren“, teilt der Oberstenfelder sarkastisch mit und erwägt, sich als Berater des Vogelschutzes aus dem Projekt auszuklinken. Kritisch bewertet Willi Leible auch das Verhalten des Trailsurfers-Vorsitzenden Stefan Pyttlik, der ein Shuttle-Unternehmen mit Flatrates betreibe. „Er fährt die Biker zu allen legalen und illegalen Trails – wenn es sein muss, auch auf gesperrten Zufahrtswegen.“

Der kritisierte Stefan Pyttlik weist die Vorwürfe zurück. „Ich benutze nur öffentliche Straßen“, betont er. Eine Verantwortung dafür, wie die von ihm Transportierten sich im Wald verhalten, lehne er ab. „Ich fahre die Leute den Berg hoch – nur das ist Teil der Dienstleistung.“ Sie vertraglich darauf zu verpflichten, nur legale Trails zu benutzen, dafür sieht der Unternehmer keinen Anlass. „Jeder Mountainbiker ist doch naturverbunden“, sagt er. Die Einwände des Naturschützers Willi Leible hält er für „Stimmungsmache“, mit denen Vorurteile gegenüber MTB-Fahrern geschürt würden.

Dass es schwarze Schafe unter den Mountainbikern gibt, bestreitet Stefan Pyttlik nicht. „Das ist wie überall im Verkehr – auch da gibt es Leute, die bei Rot über die Straße gehen.“ Das Fehlverhalten von Sasse82 sei ihm jedoch ebenso wenig bekannt wie der Name und die Person. Er sei auf jeden Fall kein offizieller Trailreporter des Vereins. „Bei uns gibt es keine Decknamen, da steht jeder mit seinem Namen für sein Tun ein.“ Die verbotenen Trails zu sperren, lehnt Stefan Pyttlik ab. Hindernisse wie Bäume seien für Radfahrer leicht zu überqueren. „Wer die Natur erleben will, möchte sich nicht in einem Schilderwald wiederfinden.“ Die Trailsurfers setzten stattdessen auf Gespräche und Öffentlichkeitsarbeit.

Im benachbarten Beilsteiner Wald ist seit der Eröffnung des Hoch-hinaus-Weges im vergangenen Frühjahr offenbar nicht alles eitel Sonnenschein. Von zerstörten Verbotsplakaten an wilden Trails berichtet der Beilsteiner Bürgermeister Patrick Holl. „Sie waren zum Teil so schnell zerrissen, dass wir gar nicht nachkommen konnten.“ Holl sieht darin Befindlichkeiten einzelner Mountainbike-Fahrer. Die Stadt Beilstein hatte den rund 30 Kilometer langen Hoch-hinaus-Weg mit den Trailsurfers konzipiert. Das Projekt dient als Vorbild für den Nachbarort Oberstenfeld. „Wir erkennen Radspuren auf den illegalen Wegen und werden die Situation dort weiter beobachten“, sagt der Verwaltungschef Holl. Es sei jedoch sehr schwer, dort Leute zu erwischen. Trotz dieser Vorkommnisse glaube er an den Erfolg des Konzepts. Aufschluss gebe eine Auswertung nach dem ersten Jahr. „Am Anfang hat es harte Kritik gegeben, weil Spaziergänger sich gestört fühlten – wohl aber auch aus der Haltung heraus, dass die Einheimischen keinen Nutzen darin sehen, wenn Ortsfremde in ihren Wald kommen und dort herumfahren.“

Die Kritik an Stefan Pyttliks unternehmerischer Aktivität hält Patrick Holl – was die Nutzung der Zufahrtswege angeht – für gerechtfertigt. „Wir haben mit ihm darüber gesprochen, dass er keine Landwirtschafts- und Forstwege mehr benutzen soll.“ Eine Befreiung davon habe die Verwaltung abgelehnt. Ein Thema sei auch, ob für ein solches Gewerbe im öffentlichen Raum Wald Gebühren zu entrichten seien. Bei einer reinen Anfahrt wäre das nicht der Fall, wohl aber bei einem Gesamtpaket im Sinne eines Erlebnistages im Wald. Generell stehe die Stadt aber hinter dem auklärerischen Ansatz der Trailsurfers und hoffe, dass dessen ehrenamtliche Arbeit die Situation verbessert. „Oft fehlt es nur an Information: Wenn ein Mountainbiker weiß, wie viel Arbeit etwa hinter einer Waldverjüngung steckt, wird er dort nicht fahren.“ Das Wissen um Zusammenhänge wirke stärker als die reine Verbotskeule.

Tatsächlich habe der Druck auf die wilden MTB-Pfade schon abgenommen, berichtet der Beilsteiner Revierförster Oliver Muth. „Mit den Trailsurfers haben wir einen klaren Ansprechpartner.“ Sollten illegale Trails entstehen, seien die Biker wie alle anderen Waldnutzer aufgerufen, sie zu melden. „Die Trailsurfers stehen dann in der Pflicht, etwas zu tun.“ Es sei natürlich viel Arbeit, durch Kommunikation die Biker-Szene auf Disziplin einzuschwören, „aber nur so geht es, denn der Druck auf die Fläche im Wald hat zugenommen, und ich hätte auch nicht mehr lange zugeschaut“. Die Trailsurfers seien offen für Argumente und bereit, etwas zu tun. „Und sie müssen damit rechnen, dass jeweils nach einem Jahr wieder Schluss sein kann, wenn der erhoffte Effekt sich nicht einstellt.“

Auf das gemeinsame Ziel, den Naturschutz zu stärken, weist der Oberstenfelder Bürgermeister Markus Kleemann hin. „Wir hoffen und gehen davon aus, dass der Prozess Erfolg hat.“ Sicherlich müsse man differenzieren: Außer den Trailsurfers gebe es auch andere Mountainbiker – der Verein könne nicht für alle sprechen. „Wenn das Fehlverhalten zunimmt, müssen sich die Beteiligten noch einmal genauer Gedanken über Sperrungen machen.“

Beobachten und im Ernstfall reagieren – dafür plädiert auch das Landratsamt Ludwigsburg, dessen Fachbereich Forsten dem Projekt offen gegenübersteht und bei der Genehmigung das letzte Wort hat. „Man sollte dem Projekt eine Chance geben“, sagt der Pressesprecher Markus Klohr. Es sei ganz natürlich, dass der Naturschutz und Freizeitsport zunächst verschiedene Blickwinkel einnähmen. Das Landratsamt sehe derzeit keine Sperrungen von Trails vor. „Sollten die schwarzen Schafe dann tatsächlich Überhand nehmen, muss man sich etwas überlegen.“ So habe man einen denkmalgeschützten alten Friedhof im Wald am Wunnenstein bei Winzerhausen abgesperrt.