Zentrale Gewerkschaftskundgebung vor dem Stuttgarter Rathaus. Mehr Fotos in der Bildergalerie. Foto: Max Kovalenko

Sommer will bei Mindestlohn nicht lockerlassen – Sparbemühungen zulasten der Arbeitnehmer.

Stuttgart - Nach Schätzungen der Polizei waren in Stuttgart 4000 Menschen gekommen, um für Mindestlohn und die Bewältigung der europäischen Schuldenkrise zu demonstrieren. Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) zufolge nahmen insgesamt etwa 35.000 Menschen an den Mai-Kundgebungen des DGB in Baden-Württemberg teil, unter anderem mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann in Freiburg, bundesweit seien es 419.000 gewesen.

Nach dem Motto „Gute Arbeit für Europa – gerechte Löhne, soziale Sicherheit“ betonte DGB-Chef Sommer die Wichtigkeit der Arbeit, die die Gesellschaft zusammenhalte. In seiner Rede kritisierte er vor allem die Banken und Spekulanten, die für die gegenwärtige Krise in Europa verantwortlich seien, scharf. Nicht die Menschen hätten über ihre Verhältnisse gelebt, sondern die Eliten seien diejenigen, die die Staaten „ausgeplündert“ hätten.

Sparbemühungen zulasten der Arbeitnehmer

Schuld an der schwierigen finanziellen Lage in Europa sei laut Sommer zudem aber auch eine falsche Politik. Denn die Sparbemühungen der europäischen Regierungen würden hauptsächlich zulasten der Arbeitnehmer ausgetragen. Man dürfe Europa nicht „kaputtsparen“, appellierte der DGB-Chef an die Zuhörer, sondern müsse stattdessen für eine Verbesserung der Staatseinnahmen kämpfen. Die Alternative zum Niedergang ganzer Volkswirtschaften in Europa seien nicht Sparprogramme, sondern wirkungsvolle Konjunkturprogramme.

Zur Finanzierung der Konjunkturmaßnahmen und zur wirksamen Eindämmung von Finanzspekulationen forderte Sommer erneut die Einführung der Finanztransaktionssteuer. „Dann wird jeder Knopfdruck, mit dem Spekulanten Milliarden um den Globus jagen, richtig teuer. Damit könnten wir Konjunkturprogramme finanzieren oder die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen“, so der DGB-Chef. Die Menschen auf dem Stuttgarter Marktplatz reagierten daraufhin mit tosendem Applaus.

„Wenn Europa krank ist, wird Deutschland nicht gesund“

Dass die problematische Lage in Europa auf Dauer Auswirkungen auf Deutschland haben werde, erklärte Sommer mit den Worten, „wenn Europa krank ist, wird Deutschland nicht gesund bleiben“. Noch gehe es Deutschland zwar vordergründig gut. Man verschweige dabei aber, dass ein Viertel der Menschen in diesem Land von den Löhnen ihrer Arbeit nicht leben könnten. Deshalb bestärkte er seine Forderung nach merklichen Lohnerhöhungen und einem gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro. Auf der Mai-Kundgebung kündigte Sommer an, dass die Gewerkschaften nicht lockerlassen werden, bis sie diesen Mindestlohn durchgesetzt haben: „8,50 Euro die Stunde – das ist Beton. Darunter geht gar nichts.“

Nach fast einer halben Stunde, um Viertel vor zwölf, beendete Sommer seine Mairede. Für den 26-jährigen Stuttgarter Christian Thym, der aus Interesse zur Mai-Kundgebung in die Innenstadt gekommen war, ist das Fazit der Rede Sommers: „Wir werden die Probleme nicht alleine in Deutschland lösen können. Wir müssen in Deutschland aber Vorreiter in sozialen Fragen sein, um auf der europäischen Ebene handeln zu können.“

Neben der Hauptkundgebung des DGB gab es zum „Tag der Arbeit“ um 14 Uhr eine Abschlusskundgebung des Aktionsbündnisses 1. Mai auf dem Erwin-Schoettle-Platz in Heslach, woran nach Schätzungen der Polizei 550 Menschen teilnahmen. Insgesamt seien die Demonstrationen überwiegend ohne Zwischenfälle verlaufen. Zwei Polizisten müssten jedoch wegen Ohrensausens aufgrund geworfener Böller behandelt werden.