Bildungsgewerkschaft warnt: Mit weniger Stellen lassen sich die grün-roten Schulreformen nicht umsetzen. Foto: dapd

Bildungsgewerkschaft warnt: Mit weniger Stellen lassen sich die grün-roten Schulreformen nicht umsetzen.

Stuttgart - Die Ansage ist klar: Bis zum Jahr 2020 will die grün-rote Landesregierung insgesamt 11.600 Lehrerstellen abbauen, um den Landeshaushalt zu konsolidieren. Bereits im Schuljahr 2013/14 sollen Stellen wegfallen. Angesichts sinkender Schülerzahlen hatte der Landesrechnungshof sogar 14.000 Stellen gefordert. In den nächsten Wochen wird in der Haushaltsstrukturkommission und in den Fraktionen darüber über Kürzungen beraten, am 25. September soll das Kabinett den Haushaltsentwurf beschließen.

Aus Sicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sind Einschnitte in den nächsten Jahren nicht vertretbar. Reformvorhaben wie der Ausbau der Ganztagsschulen, der Aufbau von Gemeinschaftsschulen, Inklusion, schulische Sprachförderung oder die Ausweitung der Krankheitsvertretung seien bisher in keiner Finanzplanung enthalten, kritisierte GEW-Landeschefin Doro Moritz in Stuttgart. „Die Entscheidungen für den nächsten Doppelhaushalt müssen zeigen, ob das Versprechen der Landesregierung, ,Bessere Bildung für alle‘, noch eingelöst werden kann.“

Expertise in Auftrag gegeben

Der Rechnungshof hatte das Kultusministerium auch aufgefordert, zur Vorbereitung der Haushaltsberatungen „seine geplanten bildungspolitischen Maßnahmen zu definieren und zeitlich und personalwirtschaftlich zu priorisieren“. Weil er bisher keine Zahlen vorgelegt hat, hat die GEW eine Expertise in Auftrag gegeben. Wenn bis zum Schuljahr 2015/16 insgesamt 15 Prozent der Grundschulen und 20 Prozent der Realschulen und Gymnasien Ganztagsschule werden sollen, sind nach Berechnungen des Bildungsforschers Klaus Klemm 1621 zusätzliche Stellen nötig. Würde sich die Zahl der Gemeinschaftsschulen von 42 im neuen Schuljahr auf 300 im Jahr 2015 erhöhen, würden zusätzlich 180 Stellen gebraucht. 1532 weitere Stellen wären demnach nötig, wenn bis dahin die Hälfte der Kinder mit Behinderungen von der Sonderschule zur Regelschule wechseln würden. Bekäme jede Grundschulklasse wöchentlich eine Extrastunde für die individuelle Förderung, würden nochmals 736 Stellen gebraucht, bei zwei Stunden wären es 1472 Stellen. Weitere Stellen sind für die Förderung an Realschulen und die Vergrößerung der Krankheitsreserve nötig. Für all diese Vorhaben benötigten die öffentlichen allgemeinbildenden Schulen 5312 der 6138 Stellen, die bis zum Jahr 2015/16 rein rechnerisch frei werden, sagte Moritz. Dabei sei noch nicht berücksichtigt, dass ein Teil der Stellen gar nicht für Unterricht zur Verfügung steht, weil damit etwa pädagogische Assistenten bezahlt werden, und 1300 Stellen zum Abbau von Überstunden nötig wären. „Deshalb werden wir es nicht akzeptieren, wenn die Landesregierung versucht, ohne zusätzliche Ressourcen ihre Reformen umzusetzen“, so die GEW-Chefin.

Einsparungen würden in den kommenden Haushaltsjahren durch weiter sinkende Schülerzahlen möglich, sagte die Amtschefin im Kultusministerium, Margret Ruep. In diesem Jahr blieben alle 3300 rechnerisch frei werdenden Stellen im Bildungsbereich, dazu kämen 200 zusätzliche Stellen für Krankheitsvertreter. Nächste Woche wird Ruep bekanntgeben, wie die Unterrichtsversorgung gesichert werden soll.

Eingeleiteten bildungspolitischen Reformen „auf einem guten Weg“

Grüne und SPD im Landtag reagierten verärgert auf die Forderung der GEW. Deren Kritik sei „maßlos überzogen“, sagte der SPD-Bildungsexperte Gerhard Kleinböck. „Es führt nicht weiter, nur kategorisch ,Nein‘ zu sagen!“ Er vermisse „kreative Vorschläge und Ideen“. Die Grünen-Expertin Sandra Boser erklärte, die eingeleiteten bildungspolitischen Reformen seien „auf einem guten Weg. Angesichts der Notwendigkeit zur Haushaltskonsolidierung und der dramatischen Rückgänge bei den Schülerzahlen sind wir jedoch gehalten, die Lehrerstellen dieser Entwicklung anzupassen.“ Der bildungspolitische Sprecher der FDP, Timm Kern, forderte eine „maßvolle Einsparpolitik, die noch genügend Raum für Investitionen zum Beispiel in den Ausbau der Ganztagsschulen lässt“. Auf die Gemeinschaftsschule solle verzichtet werden.

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) wies die Kritik der Regierungsfraktionen zurück. Erst jüngst habe die SPD zwei Sportstunden mehr für Grundschüler gefordert, so VBE-Chef Gerhard Brand. Wie ein höheres Unterrichtsangebot zum Abbau von Lehrerstellen passe, sei ihm unklar.