Stechmücke sitzt beim Blut-Schmaus auf menschlicher Haut: Mit einer hochauflösenden Kamera aufgenommen, sehen die das West-Nil-Virus übertragende Stechmücken noch bedrohlicher aus. Foto: Imago/Dreamstime

Ein Surren und eine juckende Quaddel an der Haut signalisieren: Stechmücken sind wieder aktiv. Exotische Arten wie die Asiatische Tigermücke können gefährliche Erreger wie das West-Nil-Virus übertragen. Ein Überblick über die Verbreitung und Gefährdungslage in Deutschland.

In den ersten sieben Monaten 2024 hat es insgesamt 79 gemeldete lokal erworbene West-Nil-Virus-Infektionen in Europa gegeben, von denen acht tödlich endeten. Das berichtet die Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC). Das West-Nil-Fieber wird dem Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin zufolge symptomatisch behandelt. Es gibt keine spezifische antivirale Therapie.

Registrierte Fälle in Europa

  • In Griechenland wurden mit 31 Infektionen die meisten Fälle gemeldet. Laut ECDC hat es dort fünf Todesfälle gegeben.
  • In Italien, mit 25 Fällen das am zweithäufigsten betroffene Land, sind ebenfalls zwei Todesfälle gemeldet worden.
  • Eine weitere Todesmeldung kommt aus Spanien, wo von fünf Infektionen berichtet wurde.
  • Weitere West-Nil-Virus (WNV)-Fälle gab es in Österreich, Ungarn, Serbien, Frankreich und Rumänien.
ECDC: „In den kommenden Wochen und Monaten ist mit weiteren Fällen beim Menschen zu rechnen.“ Foto: Imago/Dreamstime

Mit weiteren Fällen beim Menschen ist zu rechnen

„Auf europäischer Ebene liege die Gesamtzahl der bisher gemeldeten Fälle in diesem Jahr im erwarteten Bereich, auch wenn die Zahl der Fälle in Griechenland und Spanien höher ist als in den Vorjahren“, heißt es seitens des ECDC. „Angesichts der günstigen Wetterbedingungen für die WNV-Übertragung in Europa ist in den kommenden Wochen und Monaten mit weiteren Fällen beim Menschen zu rechnen.“

Laut RKI erstreckt sich die Saison hierzulande meist von Juli bis Ende September. In Deutschland wurden dem RKI zufolge in diesem Jahr noch keine autochthonen Fälle beim Menschen gemeldet. Es habe nur zwei reiseassoziierte Infektionen gegeben, berichtet das Berliner Institut.

Meisten Erkrankungen verlaufen symptomfrei

Da etwa 80 Prozent der Infektionen beim Menschen ohne Symptome verlaufen, ist mit einer hohen Dunkelziffer von Infizierten zu rechnen. Zudem verlaufen auch viele symptomatische Fälle ähnlich einer Grippeerkrankung und nicht so schwerwiegend, dass Betroffene einen Arzt aufsuchen. Oft kommen Mediziner auch nicht auf die Idee, für einen Tests auf den West-Nil-Virus Blut abzunehmen.

Bei knapp 20 Prozent gibt es dem RKI zufolge milde, unspezifische Symptome wie Fieber oder Hautausschlag. Auch diese bleiben häufig unbeachtet.

3D-Illustration des West- Nil-Virus. Foto: Imago/Science Photo Library

Schwere Verläufe vor allem bei Älteren und Vorerkrankten

Schwerere und tödliche Verläufe betreffen meist ältere Menschen mit Vorerkrankungen. Nur etwa ein Prozent der Infektionen führen zu schweren neuroinvasiven Erkrankungen. Da Tests und damit gesicherte Nachweise meist nur bei solchen Verläufen erfolgen, ist für Deutschland von einer sehr viel höheren Zahl an jährlichen durch heimische Mücken übertragenen Infektionen auszugehen.

Nur bei einem Teil der Schwererkrankten tritt zudem eine Hirnhautentzündung (Meningitis) auf, die meist gutartig verläuft. In seltenen Fällen entwickelt sich eine Enzephalitis (Entzündung des gesamten Gehirn-Gewebes oder Teilen davon), die Spätfolgen nach sich ziehen kann,sowie  eine Entzündung des Herzens oder der Leber.

Eine Hirnhautentzündung (Meningitis) als Folge einer West-Nil-Virus-Infektion ist sehr selten. Foto: Imago/Dreamstime

Größere saisonale Erkrankungswellen zu befürchten

Im Jahr 2019 hatte das RKI erstmals Infektionen mit dem ursprünglich aus Afrika stammenden West-Nil-Virus bei erkrankten Menschen in Deutschland erfasst, die auf eine solche Übertragung durch heimische Mücken zurückgingen. 2022 waren den RKI-Daten zufolge 17 hierzulande erworbene West-Nil-Infektionen bei Menschen nachgewiesen worden, 2021 waren es vier Fälle.

Weil der Erreger in Stechmücken in Deutschland überwintern kann, rechnen Experten mit zunehmenden Fallzahlen bis hin zu größeren saisonalen Erkrankungswellen. In süd- und südosteuropäischen Ländern gibt es schon seit Jahren solche Ausbrüche.

Vom Ei über die Larve und Puppe zur Stechmücke. Foto: Imago/Dreamstime

Drei Fälle von West-Nil-Virus bei Tieren

Dem Nationalen Referenzlabor, dem Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), zufolge hat es in diesem Jahr bisher drei registrierte Fälle bei Tieren in Deutschland gegeben:

  • Der erste Fall dieses Jahres war ein im Januar entdeckter Greifvogel in Brandenburg.
  • Bei einem Habicht in Berlin war am 23. Juli eine Infektion mit dem West-Nil-Virus festgestellt worden.
  • Beim dritten Fall ist das Virus bei einem Mitchell-Lori in einem Berliner Tierpark festgestellt worden. Alle fünf Tiere dieser Papageienart seien zwischen dem 14. und dem 29. Juli gestorben. Bei mindestens einem Lori sei eine Infektion mit dem West-Nil-Virus bestätigt worden, hatte die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz am 9. August mitgeteilt. Die Tiere bewohnten ein Innen- und Außengehege. Dort waren sie möglicherweise den übertragenden Stechmücken der Gattungen Culex, Aedes und Ochlerotatus ausgesetzt. Auch die Asiatische Tigermücke kommt als möglicher Überträger infrage.
Das Virus kann in heimischen Stechmücken überwintern. Foto: Imago/Depositphotos

Stechmücken übertragen Erreger

Das West-Nil-Virus wird nach FLI-Angaben von blutsaugenden Stechmücken übertragen, die wichtigsten Wirte sind Vögel. In selteneren Fällen kann es auch auf Menschen und Pferde übertragen werden. Für Vögel und Menschen gibt es, anders als für Pferde, keinen Impfstoff. Zoovögel, wie Greifvogelarten, seien grundsätzlich gefährdet, heißt es.

Seit einigen Jahren ist bekannt, dass heimische Stechmücken den Erreger des West-Nil-Fiebers übertragen können. Der Osten (Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen) ist neben Bayern Hot-Spot für die Verbreitung. „Warum, wissen wir noch nicht“, erklärt Doreen Werner, Biologin am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) in Müncheberg (Märkisch-Oderland). Betroffen seien Thüringen, Sachsen Anhalt, Sachsen und Brandenburg.

„Virus ist eine ernst zunehmende Krankheit“

Ursprünglich kommt das West-Nil-Virus vor allem in wärmeren Regionen der Erde vor. Wissenschaftler des Friedrich-Loeffler-Instituts hatten allerdings heimische Hausmücken als Überträger des Erregers identifiziert. Das Virus kann in Stechmücken überwintern. „Je wärmer es dann wird, umso besser können sich die Krankheitserreger weiterentwickeln“, erläutert Doreen Werner.

Der Tropenmediziner Tomas Jelinek stuft das Virus als „eine ernst zunehmende Krankheit“ ein, aber man müsse „kein massenhaftes Auftreten in Deutschland erwarten“. Allerdings sei es durchaus wahrscheinlich, dass es in Zukunft auch hierzulande zu kleineren West-Nil-Ausbrüchen kommen werde (mit dpa-Agenturmaterial).