Flamur Shala trägt unter seiner Sicherheitskleidung eine Kühlweste, die nicht sichtbar ist und sich auch nicht unter dem orangenen Shirt abzeichnet. Foto: Jürgen Brand

Mitarbeiter der Stuttgarter Müllabfuhr und der Straßenreinigung testen noch bis September spezielle Kühlwesten. Die stammen aus Ulm, haben ihren Preis, sorgen aber nach ersten Eindrücken acht Stunden lang für kühle Haut.

Stuttgart - An diesen heißen Tagen ist es schwer, einen kühlen Kopf zu bewahren oder überhaupt halbwegs ohne Hitzestress durch den Tag zu kommen. Abkühlen kann man sich eigentlich nur im Schwimmbecken oder im Kühlhaus. Die Männer der Stuttgarter Müllabfuhr sind der Hitze ausgeliefert, von angenehm klimatisierten Büros können sie nur träumen. Zwar tut die Stadt einiges für ihre Mitarbeiter. So gibt es kostenlosen Hitzesprudel, kostenlose Sonnenschutzmittel und je nach Tätigkeit wird der Arbeitsbeginn vorgezogen, um der schlimmsten Nachmittagshitze zu entkommen. Aber schon um 12 Uhr mittags hatte es am Dienstag 32 Grad. Zumindest einige Mitarbeiter der städtischen Müllabfuhr und Straßenreinigung bleiben diese Woche trotzdem einigermaßen cool – dank spezieller Kühlwesten, die sie seit Anfang Juli an besonders heißen Tagen versuchsweise bei ihrer täglichen Arbeit testen.

Ein spezielles Vlies bindet Wassermoleküle

Die Westen wurden von dem für sein Umweltengagement mehrfach ausgezeichneten Ulmer Unternehmen pervormance international GmbH geliefert, das sich auf sogenannte „Kühlfunktionstextilien“ spezialisiert hat, die auch im Leistungssport und im Gesundheitswesen eingesetzt werden. In den Kappen, Shirts oder Westen bindet ein 3-D-Vlies Wassermoleküle, wenn man das Kleidungsstück kurz unter die Dusche hält. Es wird dabei zwar fühlbar schwerer, ist aber nach nur einer Minute in ein Handtuch eingewickelt nach außen wieder trocken und kann angezogen werden.

Das so aktivierte Shirt – der Autor konnte eines selbst bei Gartenarbeit bei 30 Grad testen – fühlt sich ein bisschen wie eine angenehme (!) Klimaanlage direkt auf der Haut an, nur dass man sich dabei keinen Zug holt. Auch nach zwei Stunden gärtnern ist die Haut darunter schön kühl, ohne dass man fröstelt oder dass es unangenehm ist. Es fühlt sich ein bisschen wie ein kühles feuchtes Tuch auf der Haut an, ohne dass das Shirt feucht oder gar nass ist.

Die ersten Eindrücke sind positiv

Flamur Shala vom städtischen Eigenbetrieb Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS) bestätigt diese Eindrücke. Shala ist einer der insgesamt 19 AWS-Mitarbeiter, die die Westen bei ihrer Arbeit ausprobieren können. Nach zwei heißen Acht-Stunden-Tagen bei der Müllabfuhr im Einsatz sagt Shala: „Das hält schon acht Stunden und kühlt auch.“ Dass er die schwarze Weste direkt auf der Haut trägt, ist unter dem orange leuchtenden Schutzshirt nicht zu erkennen, sie zeichnet sich auch nicht darunter ab. „Das ist schon angenehm“, sagt Flamur Shala. Die Weste reibe nicht, kratze nicht, störe nicht bei der Arbeit.

Andreas Hinderer von der AWS leitet das Testprojekt und sammelt die Erfahrungen und Eindrücke der Mitarbeiter. „Das Tragen der Westen wird bis jetzt von unseren Mitarbeitern durchschnittlich als positiv bewertet, der Kühleffekt tritt recht schnell ein und hält den Aussagen unserer Mitarbeiter nach auch den Tag über an“, fasst er die bisherigen Reaktionen zusammen. Ein abschließendes Urteil sei aber erst nach weiteren intensiven Tests möglich. Von heute bis Freitag sind für jeden Tag mehr als 35 Grad angekündigt, ein echter Stresstest also für die Mitarbeiter und auch für die Kühlwesten.

Insgesamt soll der Westen-Test bis September dauern. Eine dieser Westen kostet nach Angaben der Stadt je nach Größe zwischen 184 und 194 Euro, die Kühlung hat also ihren Preis. „Über einen flächendeckenden Einsatz bei der Müllabfuhr und/oder der Straßenreinigung soll erst nach dem Tragetest entschieden werden“, schreibt die Pressestelle der Stadt auf Anfrage dieser Redaktion. „Ob dann alle Mitarbeiter stadtweit oder nur innenstadtbezogen mit den Kühlwesten ausgestattet werden, ist ebenso noch offen.“