Mit nur wenigen Euro in der Tasche sollte ein Hemminger Rentner Miete, Kaution und Umzug vorstrecken. Foto: dpa

Weil nacheinander zwei Behörden für ihn zuständig sind, bleibt ein Mann beinahe auf allen Kosten eines Wohnungswechsels sitzen. Deren Übernahme hatte ihm die erste Behörde zugesagt.

Hemmingen - Manfred Wieland ist chronisch krank, ist auf zusätzlichen Sauerstoff ebenso angewiesen wie auf regelmäßige, mehrstündige Dialyse. Der 64-Jährige lebt in Hemmingen. Er hadert nicht mit seiner Situation, er lässt sich aber auch nicht alles gefallen. Doch als er macht, was die Behörden von ihm verlangen, führt ihn das beinahe in die Obdachlosigkeit.

Der Hemminger war zwei Jahre lang arbeitslos gewesen, im vergangenen Herbst erhielt er sein letztes Arbeitslosengeld. Danach bekam er Hartz IV, monatlich 948,90 Euro. Der Bescheid des Jobcenters datiert vom 14. September 2015 und enthält eine einschneidende Einschränkung. Zwar sei die Größe seiner Wohnung mit 40 Quadratmetern angemessen, teilt der Fachbereich des Landratsamtes Manfred Wieland darin mit. Aber die Miete in Höhe von 400 Euro übersteige die „angemessene Kaltmiete um 70 Euro“. Wieland habe „die Aufwendungen für die Unterkunft durch einen Wohnungswechsel auf eine angemessene Höhe zu senken“.

Entschluss zum Umzug

Der Hemminger beschließt umzuziehen. Doch weder in Hemmingen noch in der Region Stuttgart würde er eine neue Bleibe finden, ist er überzeugt „Finden Sie mal hier in der Region eine günstigere Wohnung“, meint er schlicht. Die Hemminger haben keinen eigenen Mietspeigel, zur Orientierung dient jener der Stadt Ditzingen. Demnach könnte man eine sehr einfache Wohnung zu diesem Preis erhalten – wenn der Markt nicht leer gefegt wäre. Das Jobcenter gibt Wieland zwar grundsätzlich die Möglichkeit, darzulegen, dass er eine angemessene Unterkunft „trotz ernsthafter und intensiver Bemühungen“ nicht gefunden habe. Aber Wieland will sich nicht mit dem Jobcenter anlegen, ihm fehlt dafür die Kraft. Statt dessen sucht er sich eine Plattenbauwohnung in Sachsen. Die Region Zwickau ist ihm nicht fremd, dort lebt seine Verwandtschaft. Er unterschreibt einen Mietvertrag zum 1. April.

Weil er drei Monate Kündigungsfrist hat, kündigt Wieland seine Hemminger Wohnung Ende Januar. „Ich habe mich auf die Aussage verlassen, dass das Jobcenter den Umzug bezahlt“, sagt Wieland. Irgendwie würde er seine Hemminger Miete nebst 380 Euro Kaution für die neue Wohnung schon bezahlen können. Die Kaution muss bis 11. März überwiesen sein.

Doch im Januar ist Wieland nicht mehr Hartz IV-Empfänger. Die Deutsche Rentenversicherung hatte nämlich seinen einige Zeit zuvor gestellten Rentenantrag wegen Schwerbehinderung inzwischen bewilligt. Den Zeitpunkt der Bewilligung kann Wieland nicht beeinflussen, nun aber muss er mit den Konsequenzen klar kommen, die daraus entstehen, dass nun eine andere Behörde führ ihn und seine Not zuständig ist: Weil er nun Rente erhält – in ähnlicher Höhe wie zuvor Hartz IV – gilt die Zusage des Jobcenters zur Übernahme der Umzugskosten nicht mehr. Mit knapp 950 Euro soll Wieland nun also Miete, Kaution und den mehrere Hundert Euro teuren Umzug bezahlen. Er ist verzweifelt.

Der Hemminger muss einen Monat ohnehin überbrücken

Damit nicht genug: Hartz IV wird am Monatsende im voraus für den kommenden Monat bezahlt; Rente hingegen ist am Monatsanfang rückwirkend für den abgelaufenen Monat auf dem Konto. Das hat zur Folge, dass Wieland den Februar überbrücken muss. „Die Überbrückung ist nicht ungewöhnlich“, sagt er. Aber wie soll er in dieser Situation Miete, Kaution und den Umzug bezahlen? Seine Februarrente würde er ja erst am 1. März erhalten., doch die Kaution ist bereits Mitte März fällig. „Und von was soll ich leben?“, fragt sich Wieland. Menschen, die ihn kennen, schließen nicht mehr aus, dass er in die Obdachlosigkeit gehen muss – und dann auf Kosten der Gemeinde unterzubringen wäre. Er fällt durch alle Maschen des sozialen Netzes.

Das Landratsamt Ludwigsburg weist darauf hin, dass man Wieland, als er vom Hartz IV-Empfänger zum Rentner wurde, „umgehend“ aufgefordert habe, Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten zu beantragen. Er habe für Februar schließlich einen Anspruch auf Hilfen zum Lebensunterhalt. Weil aber noch Antragsunterlagen fehlten, habe man ihn „zwei Mal angeschrieben und vor der Presseanfrage diesbezüglich mit ihm telefoniert“, teilt die Kreisbehörde mit – was Wieland in Bezug auf das Telefonat allerdings ein wenig anders darstellt. Gleichwohl, so das Landratamt weiter, werde man Wieland „ungeachtet der immer noch fehlenden Unterlagen“ seinem Anspruch gemäß 914 Euro überweisen. Das Geld hat Wieland inzwischen erhalten, die Kaution ist bezahlt. Was die Umzugskosten betreffe, könne im Einzelfall eine Ausnahmeentscheidung getroffen werden, so die Kreisbehörde. Die Zahlung der Kaution wiederum könnte Wieland beim Landratsamt Zwickau beantragen. Dafür hat Manfred Wieland im Moment keine Nerven. Er muss für eine Woche ins Krankenhaus.