Foto: Martin Bernklau

Beim Begabtenkonzert treten die Pianisten Robert Neumann und Vincent Herrmann auf. Der eine ganz besonders jung, der andere ganz besonders reif, beide phänomenal gut am Klavier, beide Komponisten.

Stuttgart -Birkach - Lässt sich das Wort „herausragend“ noch steigern? Unter den vielen großartigen Talenten von der Stuttgarter Musikschule, die über die Jahre bei den Schönberger Begabten-Konzerten aufgetreten sind, fielen die Pianisten Robert Neumann und Vincent Herrmann bereits auf. Der eine ganz besonders jung, der andere ganz besonders reif, beide phänomenal gut am Klavier, beide Komponisten, inzwischen auch studierend. Unter den Zuhörern im voll besetzten Saal der Himmelfahrtskirche war auch die betagte Kammersängerin Sylvia Geszty, als „Königin der Koloraturen“ einst ein Weltstar.

Für zwei solche Ausnahme-Musiker darf es auch besonderen Aufwand und Ausnahmen geben. Neben den Braunschweiger Familienflügel der Klavierbauer-Dynastie Grotrian-Steinweg stellte man ein elektronisches Clavinova, auf dem Alexandra Neumann, Mutter von Robert und selbst am Moskauer Tschaikowsky-Konservatorium ausgebildet, den Orchesterpart für zwei große Klavierkonzerte gab: das Zweite von Saint-Saëns und das Dritte von Beethoven, beides Monumente der Gattung und populär dazu. Der Jüngere durfte mit dem romantischen beginnen, der Ältere mit dem klassischen folgen.

Aus dem Effeff

Bei der Uraufführung in Paris 1868 floppte das Konzert von Camille Saint-Saëns, wohl weil der Schöpfer und Solist nicht genug Zeit zum Üben und Perfektionieren der immensen pianistischen Prüfsteine gehabt hatte. Der gerade mal zwölfjährige Robert Neumann aber, der jüngste Student des Landes (an der Musikhochschule in Freiburg), hatte genug geübt und beherrschte diesen wuchtigen Brocken von Konzert, auswendig natürlich, an der Seite seiner Mutter aus dem Effeff. Und obwohl ihn seine Mentorin Monika Giurgiuman gemahnt hatte, sich mit der Lautstärke doch etwas zurückzuhalten, füllte er den kleinen Saal mit reichlich Pedal und geradezu gewaltigem sinfonischen Klang, wo Saint-Saëns sich das auch so gedacht hatte: mit kraftstrotzend großer romantischer Geste.

Schon von der einleitenden Solokadenz an aber zeigte er seine Brillanz auch im Feinen und Leisen, ganz präzise gerade auch, wenn es um agogisches Beschleunigen oder Innehalten ging. Natürlich wurde er mit Bravorufen bejubelt und bedankte sich ganz subtil und tiefernst mit der wunderbar schwebenden Bearbeitung eines Bach-Präludiums des Russen Alexander Siloti. Am 14. Juli ist Robert Neumann mit dem Saint-Saëns-Konzert g-Moll und dem Jugendsinfonieorchester der Musikschule im Mozartsaal der Liederhalle zu hören,

Männlich selbstbewusst

Vincent Herrmann, 1992 geboren, blieb der Musikschule auch verbunden, nachdem er in Stuttgart sein Studium in Klavier und Komposition aufgenommen hatte. Weit über seine immensen technischen Fertigkeiten hinaus zeigte er mit seiner Deutung des dritten Beethoven-Klavierkonzerts in c-Moll eine Reife und Tiefe, die stets den strukturbewussten Komponisten durchscheinen ließ.

Männlich selbstbewusst, aber ebenso sensibel gestaltete er den Kopfsatz, mit energischen Akkorden, bestechendem Rhythmus und zart perlenden oder glasklaren, gestochen scharfen Läufen, ganz durchdacht phrasiert dabei. Die drängende Dynamik des finalen Rondos hatte Kraft und tänzelnde Eleganz. Höhepunkt an gestalterischer Größe aber war der Mittelsatz. Note für Note, nichts dem Beiläufigen anheimgebend, gab er diesem heiklen Stück eine bezwingende, nie an Dichte verlierende Linie. Die Kennerin Ulla Marei Büsching-Schlüter, Leihgeberin des einzigartigen Instruments mit eingebauter Phonola-Walze, meinte hernach, sie habe dieses Largo in ihrem langen Leben noch nie derartig stimmig gehört.

Da war was dran. Vincent Herrmann wurde gleichfalls gefeiert und zeigte seine Kunst von Differenzierung und Dynamik zum Dank noch einmal eindrucksvoll am zweiten Satz von Beethovens „Jagd“-Sonate. Im Beifall puffte ihn sein junger Kollege kurz an und sagte nur: „Super!“