Von Januar bis März gibt es in der Leonhardskirche etwas zu essen. Foto: Simon Granville

Im Winter bekommen Bedürftige in der Vesperkirche etwas zu Essen. Und auch im Sommer ist man bei der Vesperkirche nicht untätig. Gemeinsam mit Ehrenamtlichen arbeitet Diakoniepfarrerin Gabriele Ehrmann an einem kleinen Kochbuch.

Dass der Mensch nicht vom Wort allein lebt, der Auffassung ist man offenbar in der Stuttgarter Leonhardsgemeinde, denn dort findet jeden Winter das Wohltätigkeitsprojekt „Vesperkirche Stuttgart“ statt. Von Mitte Januar bis Anfang März, wenn die Leonhardskirche nicht mehr für adventliche Aktivitäten benötigt wird, sind bedürftige Menschen eingeladen, sich drinnen aufzuwärmen und je nach Tageszeit zu essen oder ein Vesperbrot mitzunehmen. Wer möchte, bekommt aber auch einen Haarschnitt, Fußpflege oder, wo dringend nötig, einfache, medizinische Betreuung. Am späteren Nachmittag folgt ein liturgischer Abschluss.

Diakoniepfarrerin Gabriele Ehrmann, die das Projekt seit mehreren Jahren leitet, plant nun ein kleines Kochbuch zu veröffentlichen, in dem die Gäste der Vesperkirche gemeinsam mit ehrenamtlichen Helfern Rezepte zum Nachkochen vorstellen und nebenbei auch etwas von ihrer ganz persönlichen Geschichte und Lebenswirklichkeit preisgeben. Die Idee dazu entstand bei einem Treffen mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir und der Bezirksvorsteherin aus Stuttgart-Mitte, Veronika Kienzle.

Die Speisen für die Vesperkirche werden normalerweise von der Küche des Rudolf-Sophien-Stift geliefert – das ist notwendig, weil auch die Vesperkirche den allgemeinen, hygienischen Standards einer Gastronomie genügen muss. Für das Kochbuch ist dies allerdings kaum von Belang. Das Kochen kann in fußläufiger Nähe zur Leonhardskirche stattfinden. Das Asylpfarramt in der Christophstraße stellt dazu seine Küche zur Verfügung.

Die Armut nimmt zu, sagt Pfarrerin Gabriele Ehrmann

Rund 15 Rezepte soll das Buch enthalten. Ehrmann rechnet mit ungefähr 60 Seiten. Geplant ist erst einmal die recht überschaubare Auflage von 800 bis 1000 Exemplaren. Der Erlös aus dem Verkauf komme dann auch wieder dem Projekt zugute, so Ehrmann. Trotz ehrenamtlicher Helfer rechnet die Pfarrerin mit Unkosten in Höhe von 6000 bis 7000 Euro. 3000 Euro hat bereits der Bezirksbeirat Mitte aus seinem Budget bewilligt.

Natürlich soll das Buch Lust auf Essen und dessen Zubereitung machen. „Wir stellen leckere Rezepte vor, die frische, vorzugsweise regionale und saisonale Zutaten enthalten“, erklärt Gabriele Ehrmann. Doch ganz nach dem lateinischen Motto „prodesse et delectare“ (nützen und erfreuen) soll nicht nur zum Genuss eingeladen, sondern auch auf die Armutssituation vieler Bürger hingewiesen werden. Nach Aussage der Pfarrerin sind zwar lediglich acht Prozent der Menschen, die das Angebot der Vesperkirche in Anspruch nehmen, ohne Obdach. Aber wohl alle Besucher befinden sich in einer prekären Situation und benötigen Unterstützung. „Die Armut nimmt zu. Man sieht das ja auch daran, dass die Schlangen vor den Tafeln immer länger werden. Und wie sich der kommende Winter entwickeln wird, ist derzeit überhaupt noch nicht abzusehen“, sagt die Pfarrerin besorgt. Sie weiß um die Bedeutung ihrer Arbeit. „Die Vesperkirche ist ein großes Projekt, das bereits seit 1995 existiert.“

Ein genaues Erscheinungsdatum für das Kochbuch gibt es bislang noch nicht. Die Veröffentlichung hat Pfarrerin Ehrmann für Oktober avisiert. Derzeit werden noch Ehrenamtliche gesucht, die bereit sind, mitzukochen oder auch anderweitig zu helfen.

Weitere Informationen finden sich im Internet unter www.vesperkirche.de.