Das Training auf den sogenannten „BeBoards“ hilft gegen Rückenschmerzen und andere Beschwerden, da auch tief liegende Muskelgruppen aktiviert werden. Foto: Ingo Nicolay

Im Alfred-Kercher-Bad in Kornwestheim gibt es ein besonderes Angebot. Auf schwimmenden Brettern im Wasser wird der ganze Körper trainiert.

Größer könnten die Gegensätze kaum sein. Draußen herrschen klirrend kalte -8 Grad an diesen Morgen. Drinnen schlägt einem wohlige Wärme entgegen. Es ist kurz nach 7 Uhr im Kornwestheimer Alfred-Kercher-Sportbad. Unter den Türmen im Sprungbecken ist aber schon viel los. Fetzige Beats heizen den morgendlichen Besuchern zusätzlich ein und machen wach. Auf dem Wasser schwimmen sechs etwa matratzengroße BeBoards. Von der Form erinnern sie an Isomatten, von der Machart eher an die Boards vom Stand-Up-Paddling.

Balancierkunst auf hohem Niveau

Fünf Kursteilnehmerinnen des BeBoard-Kurses für Aqua-Fitness sind bereits auf ihre Bretter geklettert. Als wäre das an sich nicht schon eine wackelige Angelegenheit, fangen die Frauen tatsächlich damit an, Gymnastikübungen zu machen. Das fordert den Gleichgewichtssinn, denn der Untergrund gibt bei jeder Bewegung nach und das Brett neigt sich. Nur Gummiseile halten die Boards in der Mitte des Beckens und im Abstand zueinander. Die Teilnehmerinnen ringen unterdessen mit dem Gleichgewicht. Keine Frage: Das hier ist Balancierkunst auf hohem Niveau.

Kursleiterin Petra Gerhard kniet derweil am Beckenrand auf einer Yogamatte. Ihre warme, doch unmissverständlich fordernde Stimme mit viel Timbre macht klare Ansagen und spornt die fünf Teilnehmerinnen kräftig an. Viele Übungen zeigt sie zuerst frontal, dann gleich nochmals von der Seite. Sie selbst ist fit, beweglich und macht einen überaus vitalen Eindruck. Ein Funk-Headset überträgt ihre Anweisungen über den Lautsprecher. So können sie die Sportlerinnen trotz des teilweise hohen Geräuschpegels im Hallenbad gut hören.

Die tiefen Muskelschichten vollbringen Höchstleistungen

Petra Gerhard ist Sportlehrerin. Schon seit vielen Jahren gibt die erfahrene Instruktorin aber auch verschiedene Kurse in den Bädern der SWLB. Der BeBoard-Kurs findet sonst eigentlich in Hoheneck statt. Doch das Bad hatte lange Zeit geschlossen. Dass die Teilnehmerinnen heute hier üben, ist also der Energiekrise geschuldet. Seit die Preise für Gas und Co. steigen, ist nichts mehr wie zuvor. Kurse wurden ganz gestrichen, andere zusammengelegt oder eben wie heute nach Kornwestheim verlegt. Die 55-jährige Ursula jetzt inständig, dass nicht auch noch dieses Hallenbad seine Pforten schließt.

Die heutigen Floating-Fitness-Übungen haben es in sich: Wären Liegestütze, Sit-ups und andere, teils aus dem Yoga bekannten, Balanceübungen schon an Land anspruchsvoll, fordert das auf dem wackeligen Brett noch viel mehr Körperkontrolle.

Jetzt müssen die unter den sichtbaren Muskeln liegenden tiefen Muskelschichten Höchstleistung vollbringen. Ohne deren Stabilisierung würde man sofort ins Wasser plumpsen. „Das sieht so einfach aus”, sagt Petra zu ihren Übungen. „Doch nur wer es selbst auf dem Brett probiert hat, spürt, um wie viel schwerer die Übungen auf dem Brett als hier an Land sind”, sagt die Trainerin. „Drei, zwei, eineinhalb – und – halten!“ Die Sekunden ziehen sich ins Unendliche – selbst für den, der nicht auf dem Brett steht. Petra Gerhard hat nämlich eine besondere Zählweise. „Nur noch drei Sekunden”, kündigt sie das Ende der Übung an. „Drei, zwei, eineinhalb – und halten“, sagt sie und dehnt jedes ihrer Wörter. Selbst an Land fühlt sich das ewig an. Die Wackelbrett-Aspiranten ficht das nicht an. Tapfer überwinden sie die Schwerkraft und kämpfen weiter gegen ihre zunehmend ermüdende Muskulatur. Gleich kommt die nächste Übung. „Jetzt machen wir den Krieger“, ruft die Trainerin. Es folgt ein lang gezogenes: „Jetzt kommt wieder Schwung in die Bretter.“ Als einige etwas Mühe haben mit dem Gleichgewicht, folgt prompt die Anweisung: „Probiert es gleich noch einmal.“ Und gleich im Anschluss: „So, jetzt gehen wir in die Grätsche“. Da bleibt wahrlich keine Zeit zum Verschnaufen

Das „Sommermärchen“ hat einen Trend gestartet

Durch das wackelnde Brett wird die tiefe Rumpfmuskulatur trainiert. Diese, meist vernachlässigten Muskeln helfen erfolgreich gegen Rückenschmerzen und viele sonstige Beschwerden und stabilisieren den Rumpf. Bis zur Fußball-Heim-WM 2006 war diese „core stability” ohnehin nur Eingeweihten ein Begriff. Der damalige Erfolg von Jürgen Klinsmann als Fußballbundestrainer mit seinen neuen Trainingsmethoden sollte später als Sommermärchen in die Geschichte eingehen. Und zugleich rückten die tieferen Muskeln in den Fokus vieler Sportler.

Exakt 7.30 Uhr: Petra kommt zum Ende. Auf den Board sind rundum nur strahlende Gesichter zu sehen. Trotz – oder vielleicht gerade wegen – der vorherigen Anstrengung. Agnes, Silvia und Ursula nutzen noch den Rest der Stunde für einige Trainingsbahnen im größeren Becken. Petra Gerhard dagegen holt mit ihrer Kollegin gemeinsam die BeBoards wieder aus dem Wasser und räumt auf.

Ab ins kühle Nass

Training
Wer selbst Lust auf so ein Aqua-Workout bekommen hat, kann das beispielsweise beim „Moonlight-Schwimmen“ am 6. Oktober einfach mal ausprobieren. Voranmeldungen unter der Telefonnummer 0 71 54 / 8 06 15 95 oder direkt an der Kasse im Alfred-Kercher-Sportbad in Kornwestheim. Das komplette Kursangebot findet sich online unter www.swlb.de/kurse .