Bei der konstituierenden Sitzung 2019 war die ULP noch eine Fraktion. Von links Irene Blümlein, die jetzt zur SPD geht, Fraktionschef Harald Schmidt, Janina Guilliard und Klaus Hink, der schon im Dezember 2019 die Reißleine gezogen hat. Foto: Tom Weller Foto:  

Stadträtin Irene Blümlein wechselt von der Unabhängigen Liste Plochingen (ULP) zur SPD. ULP-Fraktionschef Harald Schmidt legt sein Amt nieder und kündigt die Auflösung seiner Fraktion an. Denn mit nur noch zwei Ratsmitgliedern verliert die Gruppierung ihren Fraktionsstatus.

Plochingen - Die ULP, die Unabhängige Liste Plochingen, die bei der Kommunalwahl 2019 auf Anhieb mit vier Sitzen ins Rathaus eingezogen war, verliert nach dem Ausstieg von Klaus Hink ein weiteres Fraktionsmitglied: Irene Blümlein wird dem Gemeinderat am Dienstagabend verkünden, dass sie die ULP verlassen hat und künftig in den Reihen der SPD ihr Mandat weiter ausüben wird. Die ULP, die wohl vor allem dank ihres Bürgerbegehrens für ein neues Hallenbad ins Gremium eingezogen war, mutmaßlich aber auch die eine oder andere Wählerstimme aus den Reihen der nicht mehr angetretenen Freien Wähler kassieren konnte, verliert damit ihren Fraktionsstatus. Denn mit Harald Schmidt und Janina Guilliard bleiben nur noch zwei Ratsmitglieder übrig. Fraktionschef Schmidt kündigte am Sonntag „mit sofortiger Wirkung“ seinen Rücktritt als Vorsitzender und die Auflösung der ULP-Fraktion an.

„Es muss eine Vertrauensbasis geschaffen werden“

Blümlein begründet ihren Schritt damit, dass es ihr wichtig sei, „in den Austausch mit dem Bürgermeister und der Stadtverwaltung sowie den anderen Fraktionen zu gehen“. Es müsse eine Vertrauensbasis geschaffen werden, um eine gute Qualität der Zusammenarbeit zu erreichen. Erfolgreiches Arbeiten im Gesamtgremium könne „nur durch einen respektvollen Umgang untereinander erzielt werden“, heißt es weiter in der Erklärung, die unserer Zeitung vorliegt und die sie am Dienstag dem Gemeinderat abgeben will. „Unterschiedliche Meinungen sollten nicht in persönlichen Attacken münden, sondern stets das gemeinsame Ziel der Weiterentwicklung der Gemeinde verfolgen. Mehrheitsentscheidungen sind zu respektieren, auch wenn sich die eigene Meinung nicht durchgesetzt hat. Es bringt den Bürgern der Stadt nichts, wenn wir untereinander mit dem Finger auf den anderen zeigen“, so Irene Blümlein weiter.

Nach reiflichem Überlegen sei sie zu dem Entschluss gekommen, in der SPD einen Neuanfang zu machen. Die Hospitation in einer Fraktionssitzung der Sozialdemokraten habe ihr gezeigt, „wie die Arbeit in einer Fraktion aussehen kann“. Sie wolle mitgestalten, weshalb sie ihr Mandat nach ihrem Austritt aus der ULP behalten und bei der SPD-Fraktion mitarbeiten wolle, „weil die mir politisch am nächsten liegt“.

„Unsere Fraktion hat vergangene Woche einen positiven Beschluss gefasst, dass Frau Blümlein bei uns Mitglied sein kann“, bestätigte SPD-Fraktionschef Joachim Hahn gegenüber unserer Zeitung den Wechsel.

Schmidt enttäuscht

Harald Schmidt zeigte sich indessen enttäuscht über das Verhalten seiner vormaligen Fraktionskollegin, die ohne Information an die übrigen ULP-Mitglieder am 25. Januar schon an einer Fraktionssitzung der SPD teilgenommen habe und in selbige eintreten wolle. Am 24. Januar habe die ULP von Blümlein eine Mail „mit sehr dünnen Argumenten“ zu ihrem beabsichtigten Wechsel erhalten. Ihren Schritt habe sie unter anderem damit begründet, dass sie auf der Straße wegen ihrer Zugehörigkeit zur ULP von Freunden und Bekannten nicht mehr gegrüßt werde. Schmidt findet es „bedauerlich, dass Frau Blümlein das Votum der Plochinger Bürgerschaft nicht für relevant hält. Dabei hatten sich 19,2 Prozent (22 362 Stimmen) der Wählerinnen und Wähler für eine unabhängige Fraktion im Gemeinderat ausgesprochen.“ Die 1437 Stimmen, die sie erhalten hat, schreibe sie sich persönlich zu, ohne dass die ULP daran einen Anteil gehabt haben könnte.

Die restlichen ULP-Mitglieder hätten Blümlein gebeten, sich politisch so zu verhalten, dass die Fraktion weiter bestehen könne. Dem ist nunmehr nicht so. Schmidt: „Der Fraktionswechsel von Frau Blümlein bedeutet, dass wir unserem Wahlversprechen für Transparenz, Ehrlichkeit und Verantwortung für die Plochinger Bürgerschaft nur noch eingeschränkt nachkommen können, da die ULP durch den Austritt von Frau Blümlein zeitgleich den Fraktionsstatus verliert.“

Der Wechsel verschiebt auch die Mehrheitsverhältnisse im Gremium. Die SPD-Fraktion kommt mit ihrem Neuzugang auf künftig sieben Sitze und zieht mit der CDU, der bislang stärksten Ratsfraktion, gleich. Die Offene Grüne Liste hat fünf Sitze, damit würde es künftig zumindest in der Theorie zu einer knappen rot-grünen Mehrheit in dem 22-köpfigen Gemeinderat reichen. Blümlein bescheinigte der ULP einen „sehr holprigen Start“ im Rathaus. Dass Klaus Hink, das kommunalpolitisch profilierteste Mitglied und der geistige Kopf der Fraktion, nach wenigen Monaten ausgetreten ist und seitdem als Solist in der Ratsrunde sitzt, habe sie damals „sehr bedauert, weil mit seinem Weggang ein großer Erfahrungsschatz für die ULP-Fraktion verloren ging“. Hink hatte die Konsequenzen aus den Auseinandersetzungen innerhalb der Fraktion, vor allem aber aus dem Debakel gezogen, dass Fraktionschef Schmidt die Unterschriftenliste für das Bürgerbegehren so spät abgegeben hatte, dass es letztlich scheiterte.

Debakel mit Unterschriftenliste

Die Stimmung in der Ratsrunde hatte sich mit dem Einzug der ULP deutlich verschlechtert, da sie von Anfang auf Konfrontation zu den etablierten Fraktionen ging. Zuletzt hatte die Ratsrunde eine Redezeitbeschränkungbeschlossen, weil es oft zu langen Zwiegesprächen vor allem zwischen Einzelkämpfer Hink und der Verwaltung gekommen war. CDU und SPD haben der ULP, insbesondere Schmidt, immer wieder vorgeworfen, gezielt Sachverhalte zu verdrehen und mit Unterstellungen zu arbeiten – was Schmidt jedes Mal wieder bestritt. Blümlein will ihre Stellungnahme am Dienstag jedenfalls mit dem Satz schließen: „Über eine konstruktive Zusammenarbeit in diesem Gremium freue ich mich.“