Annerose Zschäpe darf die Aussage verweigern, weil es um ihre Tochter geht Foto: Getty Images Europe

Von Beate Zschäpe kommt keine Silbe. Und auch ihre Mutter will nichts über die mutmaßliche Terroristin erzählen. Dafür berichtet Zschäpes Cousin von der gemeinsamen Jugend in Jena.

München - Drei Minuten lang sitzen sich Mutter und Tochter gegenüber. Fünf Meter voneinander getrennt. Das erste Treffen seit Jahren. Jede hat für die andere nur einen kurzen Blick übrig. Dann verlässt Annerose Zschäpe den Saal A 101 des Oberlandesgerichts wieder, ohne auszusagen. Annerose Zschäpe darf die Aussage verweigern, weil es um ihre Tochter geht. Beate ist angeklagt, zehn Menschen ermordet zu haben.

Mutter Zschäpe schwieg nicht immer. Im November 2011 wurde sie von der Polizei vernommen, genau zehn Tage nachdem ihre Tochter den mutmaßlichen Unterschlupf des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in Zwickau in Brand gesteckt haben soll. Den Beamten berichtete die 61-Jährige damals von einem tiefen Zerwürfnis mit ihrer Tochter. Ein „bedeutender Grund“ dafür sei die rechtsextremistische Einstellung ihrer Tochter gewesen. Eigentlich tendiere ihre Familie „eher in die linke Richtung“.

Beate ein „liebes, nettes Mädchen“ gewesen

Wie tief ihre Tochter sich in den Netzwerken der Neonazis verfangen hatte, sei ihr 1996 bewusst geworden, schilderte sie den Ermittlern. Damals habe die Polizei die gemeinsame Wohnung durchsucht, „als ich früh zur Arbeit wollte“. Irgendwie sei damals schon alles zu spät gewesen. Dabei sei Beate ein „liebes, nettes Mädchen“ gewesen, das sich „immer mal Überraschungen überlegte“ und „Gedanken machte, wie sie jemandem eine Freude machen konnte“. Beliebt sei ihre Tochter gewesen, sagte die Mutter bei der Polizei. Der Teenager habe viele Freundinnen gehabt. Auch wenn sie hätte besser sein können, so sei Beate doch keine schlechte Schülerin gewesen. Bis sie den Rechtsextremisten Uwe Mundlos kennenlernte – einen Mann, der sich mit seiner kruden Weltanschauung hervortat. Als Annerose Zschäpe arbeitslos wurde und ihre aussichtslose Situation offenbar in Alkohol zu ertränken versuchte, überwarfen sich Tochter und Mutter. In Beates Weltbild war kein Platz für Alkoholiker und Arbeitslose.

Ob er diese vor der Polizei gemachte Aussage in der Gerichtsverhandlung verlesen dürfe, fragt Richter Manfred Götzl. Nein, das möchte sie nicht, sagt Annerose Zschäpe. Ein letzter Liebesdienst, den die Mutter ihrer Tochter erweist: Sie schweigt im Gerichtssaal.

Umso intensiver wurde Beate Zschäpes Cousin befragt. Die Großmutter betreute Stefan A. und die Angeklagte in ihrer Kindheit. In der „heilen Welt“ der Oma, in „der es keine Probleme gab“. Ein Jahr trennen die beiden. Beide verbrachten viel Zeit bei den Großeltern. Beate Zschäpe beachtet ihren Vetter kaum. Sie durchforstet Dateien in ihrem Laptop, wirft ab und zu über den Bildschirm einen Blick auf ihren Verwandten.

Beate Zschäpe starrt regungslos auf die Tastatur

Als der berichtet, er sei in der rechten Szene Skinhead gewesen, Motto „Party, Spaß, ab und zu eine Prügelei – das war unsere ganze Lebensweisheit.“ Die Juristen und Zuschauer lachen auf. Beate Zschäpe starrt regungslos auf die Tastatur.

Das ändert sich, als die Anwälte der Opfer den heute 39 Jahre alten Bauarbeiter befragen, der auf der spanischen Insel Mallorca lebt. 2003 habe er einem Gesinnungsgenossen erzählt, seine Cousine und die beiden Uwes lebten in den Niederlanden. Wohl in Rotterdam oder Maastricht. Das Trio versuche jetzt, nach Dänemark oder Schweden zu fliehen. Zschäpe wirkt wie elektrisiert,

Sie wendet sich den Juristen zu, ihr Blick pendelt zwischen den Anwälten und ihrem Cousin. „Nein, ich habe mit niemandem gesprochen“, beharrt Stefan A., er habe sowieso nie etwas erfahren. Die Stimme des Zeugen beginnt zu zittern. Er wird laut. Patzig.

Die Anwälte drängen. Nehmen Halbsätze von Stefan A. auf. Wie das mit dem Stück Kuchen gewesen sei, das Uwe Mundlos in Jena einer Frau an den Kopf geworfen habe? „Da saß eine Zigeunerin vor einer Bäckerei.“ Und was dann geschehen sei? „Dann ist Mundlos rein und hat Kuchen gekauft.“ Und dann? „Dann ist er raus und hat ihr das Stück an den Kopf geworfen.“ Was Stefan A. und Mundlos besprochen hätten? „Nichts. Wir haben gelacht. Es war doch nur Torte.“

Für Zschäpes Verwandten werden die Fragen zur Qual. Klar wird, dass A. tiefer in die rechtsextremen Umtriebe verstrickt war, als er zunächst dem Richter glauben machen wollte. Er war Mitglied der rechtsextremen Kameradschaft Jena, besuchte Rechtsrock-Konzerte mit den Angeklagten Ralf Wohlleben und Holger G. Als Kreuze verbrannt wurden, zeigte Stefan A. den Hitlergruß. Er war mit Thomas Starke befreundet, jenem V-Mann des Bundesamts für Verfassungsschutz, der Mitglied des Ku-Klux-Klans in Baden-Württemberg war. Heute soll Stefan A. weiter vernommen werden.