Wer Widerspruch gegen einen Bescheid des jeweiligen Baurechtsamts einlegt, landet beim Regierungspräsidium. Und wartet. Manchmal jahrelang. Foto: dapd

Bauherren brauchen gute Nerven: Weil Personal fehlt, werden Widersprüche erst nach Jahren bearbeitet.

Stuttgart - Der Fall ist spektakulär. Vor wenigen Wochen hat unsere Zeitung über einen Mann berichtet, der 14 Jahre nach dem Streit um eine Bausache Post vom Stuttgarter Baurechtsamt bekam. Das Regierungspräsidium habe noch nicht über seinen Widerspruch entschieden, wurde ihm da mitgeteilt – verbunden mit der Frage, ob er noch eine Entscheidung wünsche. Er wünschte nicht. Die Sache hatte sich längst erledigt, einer der Beteiligten war schon Jahre zuvor verstorben.

 

Ganz so außergewöhnlich muss es nicht immer sein. Doch jetzt zeigt sich: Der Mann ist nicht der Einzige, der lange warten muss, nachdem er einen Widerspruch erhoben hat. Der geht im Regierungsbezirk Stuttgart automatisch zur höheren Baurechtsbehörde, dem Regierungspräsidium in Vaihingen. Mehrere Betroffene berichten von langen Wartezeiten. „Dort wird nicht in Tagen, Wochen oder Monaten gerechnet, sondern in Jahren“, klagt ein Selbstständiger aus Ditzingen, dessen Fall inzwischen seit eineinhalb Jahren in Bearbeitung ist.

Der Betroffene wollte schlicht für seinen Betrieb eine Gerätehalle errichten, um Maschinen unterzustellen. Das wurde ihm aus für ihn nicht nachvollziehbaren Gründen verwehrt – er legte Widerspruch ein. „Und seither hänge ich in der Warteschleife, während die Maschinen im Regen stehen“, sagt er. Auf Anrufe entgegneten die Sachbearbeiter, dass sie ohnehin schon massiv Überstunden machen müssten und andere Vorgänge noch viel länger lägen. Es herrsche massive Arbeitsüberlastung vor. Der Fall eines anderen Betroffenen ist schlicht unbearbeitet in der Registratur gelandet und erst nach massiven Beschwerden wieder aufgetaucht.

In den vergangenen Jahren mussten Stellen abgebaut werden

Im Regierungspräsidium räumt man die Probleme ein. „Wir mussten in den vergangenen Jahren in allen Bereichen Stellen einsparen, im Baurechtsreferat sind es um die zehn Prozent gewesen“, sagt Sprecher Clemens Homoth-Kuhs. Das habe dazu geführt, dass nun nur noch fünf bis sechs Mitarbeiter für die Widersprüche zuständig seien. Weil es davon jedes Jahr 700 bis 800 gibt, muss jeder zwischen 120 und 160 Fälle jährlich bearbeiten.

Das jedoch geht nicht so schnell. „Wir verzeichnen eine große Bandbreite von sehr einfachen bis hin zu hoch komplizierten Fällen mit Ortsterminen und Nacherhebungen von Daten“, weiß Homoth-Kuhs. Manche nehmen wochenlang die Arbeitszeit in Anspruch. Die beteiligten Bürger müssen deshalb für die Bescheide Gebühren in Höhe von hundert bis hin zu mehreren Hundert Euro bezahlen. „Wir bearbeiten nach Eingang, es sei denn, ein Fall hätte höchste Dringlichkeit“, so der Sprecher. Jeder Sachbearbeiter habe im Normalfall zwischen zehn und 30 Vorgänge parallel laufen.

An Fristen muss sich das Regierungspräsidium nicht halten. Die einzige rechtliche Handhabe ist die Untätigkeitsklage. Die kann ein Bürger erheben, wenn er nach einem halben Jahr noch nichts gehört hat. Solche Klagen gibt es beim Regierungspräsidium immer mal wieder, meist versuchen die Betroffenen jedoch eher, telefonisch einen Fortschritt zu erzielen. Homoth-Kuhs wirbt um Verständnis: „Es handelt sich um eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Nach unserer Prüfung kommt schließlich nur noch das Verwaltungsgericht.“ Zudem könne man viele Konflikte befrieden.

Bearbeitung soll maximal sechs Monate dauern

Wie lange die durchschnittliche Bearbeitungszeit dauert, kann man beim Regierungspräsidium nicht sagen. Homoth-Kuhs betont jedoch, dass „90 bis 95 Prozent der Fälle in einer Frist zwischen zwei und sechs Monaten bearbeitet sind“. Wenn sich abzeichne, dass es länger daure, bemühe man sich, spätestens nach drei Monaten zumindest einen Zwischenbescheid zu erteilen. Optimal wäre aber auch dafür, so der Sprecher, eher eine Frist von vier Wochen. Wichtig sei aber, dass der Bürger wisse, dass sich etwas tue.

Eine Lösung zeichnet sich nicht ab. „Wir bemühen uns immer um Optimierung“, sagt Homoth-Kuhs. Die extremen Fälle der vergangenen Zeit hätten dazu geführt, dass man versuche, etwas umzuschichten und den einzelnen Vorgang noch genauer im Auge zu behalten. „Solche krassen Fälle wie der Bescheid nach 14 Jahren sollen nicht mehr vorkommen“, sagt der Sprecher. Er empfiehlt Betroffenen nachzufragen, wenn ihnen die Bearbeitungszeit zu lange erscheint: „Das ist immer noch der beste Kontrollmechanismus.“

Die Probleme im Regierungspräsidium wiegen umso schwerer, da auch manches Baurechtsamt mit der Arbeit nicht nachkommt. „Die sind vielerorts ebenfalls überlastet“, weiß Homoth-Kuhs. Gerade in Stuttgart häufen sich die Beschwerden seit Monaten. Dort hat der Gemeinderat deshalb zwei zusätzliche Stellen bewilligt. Das ist zwar nicht viel, hilft aber laut der Leiterin Kirsten Rickes dennoch. Man habe manche Überhänge bereits abbauen können.

Auf ähnlichen Zuwachs darf man im Regierungspräsidium wohl nicht hoffen. Bauherren in spe werden deshalb weiterhin viel Geduld brauchen. Es müssen ja nicht immer gleich Jahre sein.