Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baebock steht bei den Beschäftigten im öffentlichen Dienst auf Platz eins. Foto: dpa/Bernd Wüstneck

In einer Erhebung für den Deutschen Beamtenbund tun die Beschäftigten im öffentlichen Dienst eine überraschende Wahlpräferenz kund. Zudem zeigt sich bei allen befragten Bürgern eine zunehmend kritische Sicht auf den Staat.

Stuttgart - Der Chef des Deutschen Beamtenbundes (DBB), Ulrich Silberbach, ist alarmiert: „Wir schlittern in eine grundsätzliche Vertrauenskrise zwischen Staat und Bevölkerung“, betonte er am Dienstagmorgen bei der Präsentation der neuen DBB-Bürgerbefragung. Dabei war herausgekommen: Das Vertrauen der Bevölkerung in die Leistungsfähigkeit des Staates ist während der Pandemie deutlich zurückgegangen.

Wo die Bürger den Staat für überfordert halten

Vor allem mit der Bewältigung der Coronakrise, beim Klima- und Umweltschutz sowie in der Schul- und Bildungspolitik sehen viele Menschen den Staat als überfordert an – mit Abstand folgt die Flüchtlingspolitik. „Wenn innerhalb eines Jahres die Zahl derer, die auf die Handlungsfähigkeit des Staates vertrauen, von 56 auf 45 Prozent sinkt, beschleunigt sich ein besorgniserregender Trend“, vergleicht Silberbach die Erhebungen von 2020 und 2021. Das gehe weit über Digitalisierungsdefizite und Personalmangel hinaus. Auch die Skepsis bezüglich der Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes wächst. Zugleich haben die negativen Bewertungen der Staatsdiener-Rolle zugenommen: „Da ‚der Beamte‘ generell stellvertretend für alle staatlichen Unzulänglichkeiten in Haftung genommen wird, ist das in diesem Jahr keine Überraschung“, meint Silberbach.

Grüne liegen bei Beamten vor CDU/CSU und SPD

Als nötige Konsequenz leitet der Beamtenbund-Chef vor allem die Forderung nach einer besseren Sach- und Personalausstattung ab, um den Staat krisenfest aufzustellen. Ferner müsse für strukturelle Reformen über das „Kompetenz- und Verantwortungsdurcheinander zwischen Bund, Ländern und Gemeinden“, über echte Bürokratie- und Regelungsabbau sowie über eine motivierende Führungskultur und Bezahlstruktur im öffentlichen Dienst geredet werden.

In der Erhebung des Forschungsinstituts Forsa sollten sich zudem speziell Beschäftigte im öffentlichen Dienst zu ihren Parteienpräferenzen vor der Bundestagswahl äußern. Demnach lägen aktuell bei 32 Prozent der Beamten die Grünen vorne, bei 28 Prozent CDU/CSU und für 16 Prozent die SPD. Ähnlich präferieren Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst zu 27 Prozent die Grünen, zu 20 Prozent die Union und zu 19 Prozent die SPD. Die FDP käme bei Beamten auf neun Prozent (Tarifkräfte acht), die Linke auf drei (sieben) und die AfD auf sechs (elf) Prozent.

Grüne vertreten auch Beamten-kritische Positionen

Weil die Grünen den Beamtenstatus teilweise kritisch sehen und auch eine Bürgerversicherung proklamieren, zeigte sich Silberbach überrascht, wie weit die Parteienpräferenz der Staatsdiener vom Bevölkerungsdurchschnitt abweicht. Es sei jedoch folgerichtig, dass der Umwelt- und Klimaschutz für 51 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst ganz oben auf der Prioritätenliste für die nächste Bundesregierung stehen sollte, gefolgt von der Schul- und Bildungspolitik sowie der Bewältigung der Pandemie (jeweils 17 Prozent).

Als zentral für die eigene Wahlentscheidung sehen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes die Sicherung einer guten Gesundheitsversorgung (84 Prozent), die Schaffung eines leistungsstarken Bildungssystems (83), den Klimaschutz (80) und die soziale Gerechtigkeit (79) ganz oben.

Generell liegt die Union bei der Parteienneigung vorne

Die aktuellen Parteienpräferenzen stehen auch im Widerspruch zu den längerfristigen Vorlieben für die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst. Danach neigen 28 Prozent eher der CDU/CSU zu, 16 Prozent der SPD und 21 Prozent den Grünen – die AfD kommt mit vier Prozent auf Rang sechs.

„Wirklich besorgniserregend“ nennt es der Beamtenbund-Vorsitzende, „dass mit 47 Prozent fast die Hälfte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst keiner Partei zutrauen, sich für Anerkennung und Respekt, eine gute Bezahlung oder eine positive Entwicklung des öffentlichen Dienstes einzusetzen“. Die staatlichen Arbeitgeber hätten hier in den letzten Jahren viel Vertrauen verspielt.

Die Forsa-Meinungsforscher hatten im Juli 2006 repräsentativ ausgewählte Bürger und 1004 Beamte sowie Tarifbeschäftigte des öffentlichen Dienstes befragt.