Kanzlerin Angela Merkel macht bei der traditionellen Beamtenbund-Tagung in Köln deutlich, dass sie in diesem Jahr in die Offensive gehen will. Foto: dpa

Die Kanzlerin will bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt im Bundestagswahljahr „Flagge zeigen“. Bei der Beamtenbund-Tagung in Köln wirbt Angela Merkel für eine verstärkte Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. Auch ihr Innenminister strotzt vor Entschlossenheit.

Köln - Die Sicherheitskrise und das Superwahljahr machen es möglich: Mit Kanzlerin, Bundesinnenminister und NRW-Ministerpräsidentin sprechen gleich drei politische Schwergewichte beim Deutschen Beamtenbund (DBB) in Köln vor. Alle drei werben bei der Jahrestagung in Köln wortreich um die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. So viel Dank hören diese sonst nie. Und in noch nie dagewesener Einigkeit plädieren die Politgranden vor annähernd 800 Zuhörern für einen starken, wehrhaften Staat.

Insbesondere die Kanzlerin, die stets vor Bundestagswahlen zu den Beamten nach Köln kommt, sieht sich unter Druck, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren: bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. Sicherheit in Freiheit gebe es nur, „wenn wir uns von bestimmten Prinzipien leiten lassen“, sagt sie. „Wo Recht gesetzt ist, muss dieses Recht auch umgesetzt werden.“. Wer keinen Schutzstatus habe, müsse Deutschland wieder verlassen. Beispielhaft nennt Merkel die Afghanen, die zu 50 Prozent einen Aufenthaltsstatus bekämen – zur Hälfte eben nicht. „Das Signal an die Afghanen kann nicht sein, dass man sich darüber hinweg setzt.“

Merkel mahnt, „nicht mit dem Finger aufeinander zu zeigen“

Merkel gesteht, dass in Jahren mit weniger Asylbewerbern sowohl die Integration als auch die Rückführung abgelehnter Bewerber „nicht so ernsthaft verfolgt wurde, wie es notwendig gewesen wäre“. Bund, Länder und Kommunen dürften jetzt aber „nicht mit Fingern aufeinander zeigen“, vielmehr sei eine gemeinsame „nationale Kraftanstrengung“ nötig. Schritt für Schritt müsse man die Rückführung umsetzen – mit der Priorität auf eine freiwillige Rückkehr und gekoppelt mit finanziellen Hilfen, zudem „mit Respekt“ in Verhandlungen mit den Herkunftsländern. Sie hoffe auf entsprechende Mehrheiten im Bundesrat, um die nordafrikanischen Länder Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Dies rasch zu entscheiden, sei im auch Interesse der Betroffenen, weil die Rückführung mit zunehmender Integration immer schwerer falle. „Der Faktor Zeit ist eine herausragende Größe“, sagt Merkel.

Dass der Regierungschefin – der man doch immer wieder Zögerlichkeit vorwirft – vieles plötzlich zu langsam vorangeht, zeigt sich auch auf dem Feld der Digitalisierung. So spottet sie über die schleppende Einführung der Gesundheitskarte: „Wenn dies das Tempo der Digitalisierung in Deutschland sein wird, werden wir in Kürze zu den Entwicklungsländern weltweit gehören.“

Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) macht Druck auf den Bundesrat und zeigt Unverständnis für Kritik an den Abschiebungen. Wer Rückführungen erschwere, signalisiere, „dass wir es mit unserem Recht nicht so genau nehmen“, sagt er mit Blick auf die massive Kritik an seiner strikten Haltung wegen der explosiven Lage am Hindukusch. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung wolle kein Bleiberecht für alle.

Die Grenze zu Österreich soll weiter kontrolliert werden

De Maizière, zuletzt wegen seiner „Leitlinien für einen starken Staat“ vielfach kritisiert, strotzt vor Entschlossenheit: Die Grenzkontrollen zu Österreich, eingeführt im September 2015, will er auf unbestimmte Zeit fortsetzen – eine klare Ansage an die EU-Kommission, die auf eine Befristung bis Mitte Februar gedrungen hatte. Die deutsch-österreichische Grenze sei trotz der Schließung der Balkanroute und des EU-Abkommens mit der Türkei „ein Schwerpunkt der illegalen Migration“, so de Maizière. Er wolle zu einem offenen Europa und grenzkontrollfreien Schengen-Raum zurück. „Der einzige Schlüssel dafür ist aber, dass wir auf europäischer Ebene zu einer gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik zurückfinden und den Schutz der Augengrenzen besser hinbekommen.“ Da dies nicht funktioniere, werde gegen illegale Migration vorgegangen. „Solange das nötig ist, werden wir diese Grenzkontrollen aufrecht erhalten, auch über den 15. Februar hinaus.“

Während die Gesellschaft von außen erschüttert wird, verändert sich auch im Land selbst die Stimmung dramatisch: Alle Politprominente verurteilen mit Nachdruck eine Aggressivität gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, die zunehmend beleidigt, bedroht oder gar angegriffen werden. „Die gesamte gut meinende Gesellschaft muss dagegen aufstehen“, mahnt Merkel. Die Regierung wolle in Klima schaffen, in dem gute Arbeit möglich sei, „weil unsere Lebensqualität davon abhängt“.

Hannelore Kraft plädiert für „null Toleranz“ bei Hetze im Netz

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zeigt sich erschreckt, dass sogar Rettungskräfte körperlich attackiert würden. „Wir dürfen und wir werden das nicht hinnehmen“, sagt sie. Ihre Landesregierung hat im Dezember eine Bundesratsinitiative gestartet, damit jede Tat, die eine Gefährdung des Gemeinwohls darstellt, unter Strafe gestellt wird. Auch bei Hass und Hetze im Internet sei „null Toleranz“ wichtig. Die NRW-Landesregierung hat zudem einen Netzkodex angeregt, für den momentan Vorschläge erarbeitet werden. Kraft fordert die Vertreter des öffentlichen Dienstes auf: „Bringen Sie es zur Anzeige.“ Man müsse deutlich machen, „dass diese Gesellschaft das nicht akzeptiert“. Die Führungskräfte ermahnt die SPD-Regierungschefin zudem, „nichts unter den Teppich zu kehren“. „Alles muss auf den Tisch.“

Beamtenbund-Chef weist Kritik der Medien zurück

In dieser Wunde hat zuvor schon der Beamtenbund-Chef Klaus Dauderstädt gestochert. „Nicht wenige von uns fühlen sich in den letzen Jahren weniger wohl in ihrer Rolle, weil zu gering geschätzt von der Politik und zu wenig respektiert von den Bürgern“, sagt er. Als Beispiel nennt er die öffentliche Kritik an den Sicherheitsbehörden nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt. „Selbst in einem perfekten Überwachungssystem, was nicht unsere Vorstellung von einer liberalen Gesellschaft ist, wird sich der Ausnahmefall nicht vermeiden lassen“, so Dauderstädt. Es ärgere ihn gewaltig, wenn in den Medien vor allem von „Überforderung“ und „Versagen“ die Rede sei. Dies sei eine unrealistische Erwartungshaltung.

Ob in Finanzamt, Ordnungsamt oder Jobcenter – überall müssten sich die Beschäftigten gegen Gewalt wappnen: „Die Antwort des Bürgers ist leider immer häufiger zu Aktion gewordene Wut.“ Auch Dauderstädt rät Vorgesetzten, Gewalt nicht zu tabuisieren, sondern Vorfälle anzuzeigen. Der Arbeitgeber Staat sei verpflichtet, diese nicht nur zu erfassen und Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen. Er müsse die Beschäftigten auch konkrete Unterstützung anbieten: etwa indem der Dienstherr festgestellte Ansprüche auf Schmerzensgeld auszahlt, wenn deren Durchsetzung nicht erfolgreich war.

Vergebliches Werben um geringere Wochenarbeitszeit

Dauderstädt wirbt zudem dafür, die Wochenarbeitszeit der Bundesbeamten von 41 Stunden abzusenken, um Gerechtigkeit mit den Tarifbeschäftigten herzustellen, die zwei Wochenstunden weniger arbeiten müssen. De Maizière erteilt dem Wunsch eine Absage. Seit Beginn der Legislaturperiode sei der Personalhaushalt seines Ministeriums um 13 000 Stellen gewachsen – vor allem in den Sicherheitsbehörden und im Flüchtlingswesen. Hinzu kämen fast 4000 geplante Stellen für die Jahre 2018 bis 2020. Deswegen könne nicht zugleich die Arbeitszeit verringert werden. „Das passt jetzt nicht zusammen.“ Man müsse andere Wege finden, die Beschäftigten zu entlasten – etwa mit noch mehr Flexibilisierung.

Der Beamtenbund hatte kürzlich den Verlust von 63 000 Stellen zwischen 2005 und 2015 beklagt. Dabei handele es sich um Personalabbau bei der Bundeswehr und dem Bundeseisenbahnvermögen, erwidert de Maizière. Der Haushalt seines Ministeriums sei vielmehr in dieser Legislaturperiode um 53 Prozent gewachsen – dies sei einzigartig. „Es gibt kein Kaputtsparen der Sicherheit.“