Volker Stich hat eine Kehrtwende im Verhältnis zu den Grünen vorgenommen. Foto: dpa

Nach fast 15 Jahren an der Spitze des Beamtenbundes in Baden-Württemberg macht der Vorsitzende Volker Stich nun für seinen Nachfolger Kai Rosenberger Platz. Mit dem grünen Ministerpräsidenten hat er sich nach jahrelanger Auseinandersetzung versöhnt.

Stuttgart - Der Beamtenbund wählt an diesem Dienstag einen Nachfolger des langjährigen Vorsitzenden Volker Stich. Dieser hat mit Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) nach harter Konfrontation zum guten Dialog gefunden.

Herr Stich, ist Ministerpräsident Kretschmann ein guter Landesvater?
Vor Jahren hätte ich gesagt: ein guter mit Einschränkungen. Inzwischen sage ich: Er ist ein sehr guter Landesvater. Er vertritt das Land in bester Form, gestaltet dessen Politik und hat nach anfänglichen großen Dissonanzen inzwischen ein konstruktives sowie verlässliches Verhältnis zu seinen Beschäftigten im Land aufgebaut.
Im März 2012 wurde Kretschmann von 2500 Beamtenbund-Mitgliedern in der Stuttgarter Liederhalle ausgebuht und ausgepfiffen. War das der schwärzeste Tag in Ihrer Laufbahn?
Das war eine der schwersten Erfahrungen, die ich sammeln musste. Wir hatten Protest vorbereitet, aber nicht bedacht, dass zuvor die Vuvuzela-Tröten beim Fußball zum Einsatz gekommen waren. Wir haben am Eingang nicht kontrolliert und hätten es unterbunden. Heute muss ich sagen: Ich habe die Wut-Beamten auch ein Stück weit verstanden. Da war viel Ärger und Enttäuschung.
Es war ein Beispiel politischer Unkultur?
Ja, in gewisser Hinsicht schon – obwohl sich selbst CDU-Ministerpräsident Erwin Teufel Pfeifkonzerte anhören musste.
Noch Jahre später hat Kretschmann seinen Frust darüber angedeutet. Haben Sie sich mit ihm vollständig versöhnt oder bleibt da immer noch etwas hängen?
Ich gehe davon aus, dass das Vergangenheit war – und dass dieses Ereignis nicht mehr zwischen ihm und der Beamtenschaft steht.
Sie haben massiv Front gemacht gegen die Grünen und mussten sich später korrigieren, weil sich die Partei davon nicht beeindrucken ließ. Würden Sie es heute anders machen?
Die Konfrontation war dringend geboten, und sie war auch der einzig richtige Weg. Wir hatten regierungsunerfahrene Parteien in die Landesregierung bekommen. Der Umgang mit der Beamtenschaft war mehr als fragwürdig. Es gab kein anderes Bundesland, das in jedem Jahr mit neuen Sparmaßnahmen bei den Beamten so durchgegriffen hat. Die heftige Auseinandersetzung dieser Jahre hat aber beide Seiten bewogen zu sagen: So wollen wir nicht weitermachen, wir wollen es auf eine vernünftige Ebene bringen.
Ist der Abwehrkampf vorbei?
Ich denke ja. Ich sehe in der grün-schwarzen Regierung und in den Fraktionen ein großes Einvernehmen mit den Positionen des Beamtenbundes. Man hat Verständnis, dass da was geschehen muss. In den kommenden Jahren werden wir weiter den Verhandlungsweg beschreiten. Wir müssen den vertraulichen Dialog ausbauen und Schwachstellen in der Besoldung mittelfristig beseitigen.
Haben Sie Ihren Kurs aus freien Stücken korrigiert oder auf Druck Ihre Gremien?
Wir haben unseren Protest nicht als erfolglos empfunden. Wir hätten auch weitergemacht. Die jüngste Landtagswahl hat jedoch gezeigt, dass die Beamtenschaft den Grünen und der CDU überproportional ihre Stimmen gegeben hat. Ein Drittel der baden-württembergischen Beamtenschaft hat Grün gewählt – ein weiteres Drittel Schwarz. Das war für uns ein Auftrag. So musste ich mich als Vorsitzender auch der politischen Realität stellen.
Der Beamtenbund hat sich immer stark an die CDU-Politik angelehnt, weil die Mitglieder mehrheitlich konservativ sind. War das nicht riskant?
Wir nehmen stets die Angebote im politischen Raum an. Daher ist derzeit die Nähe zur CDU deutlich wahrnehmbar. Ich würde den Beamtenbund aber nicht in einer Klammernähe zur CDU sehen – auch wenn ich selbst CDU-Mitglied bin. Selbst eine von Günther Oettinger geführte Landesregierung hat heftige Auseinandersetzungen mit uns gehabt. Ganz schwierig war es mit seinem Nachfolger Stefan Mappus. Jetzt steht auf der Bundesebene die „Groko“ vor der Tür – mit einer SPD, die eine Vereinheitlichung derr Krankenversicherungssysteme fordert. Es sind also sachliche Aspekte, die die Beamtenschaft immer wieder zur CDU geführt haben. Ich kann mich erinnern, dass wir noch in der FDP einen engen Partner in der Regierung hatten, als es um die Verlängerung der Lebensarbeitszeit der Beamten ging. Auch die SPD hatten wir in der damaligen grün-roten Regierungszeit im Ansatz schon mal als Bündnispartner.
Müssen Sie bei Einschnitten immer gleich mit dem Bundesverfassungsgericht drohen?
Wir mussten das tun. Das Bundesverfassungsgericht ist für uns die letzte Alternative, wenn es um Gerechtigkeit und eine adäquate Besoldung der Beamten geht. Eine Vielzahl von Entscheidungen des Gerichts selbst ohne baden-württembergische Beteiligung deutet darauf hin, dass im Rahmen der Beamten-Alimentation in den Ländern Fehler gemacht wurden. Von uns angestrengt, läuft ja noch ein Musterverfahren zur abgesenkten Eingangsbesoldung, in dem wir gegen die grün-rote Landesregierung klagen. Dies wird in einigen Jahren entschieden werden. Da erwarten wir, dass das Land bis zu 90 Millionen Euro nachzahlen muss. Ich bin froh, dass wir jetzt einen anderen Umgang gefunden haben. Unsere rechtlichen Hinweise werden von der Landesregierung mehr wahrgenommen, und wir werden stärker eingebunden.