Beachvolleyball-Superstar Laura Ludwig sieht den Sieg von Kim Behrens und Cinja Tillmann im Prozess gegen den eigenen Verband eher kritisch – nicht nur, weil sie vom Schutz des DVV profitiert hat.
Stuttgart - Im Sport, das lehrt die Erfahrung, gibt es nicht nur Siege, Erfolge, Auftritte voller Glanz. Viele Medaillen haben auch eine Kehrseite. Wer ein komplettes Bild zeichnen will, tut gut daran, alle Aspekte abzubilden. Wie aktuell im Beachvolleyball.
Lesen Sie hier: So hat das Landgericht Frankfurt im Fall Behrens/Tillmann entschieden
Dort haben Kim Behrens und Cinja Tillmann, die vor drei Wochen EM-Silber holten, einen Prozess vor dem Landgericht Frankfurt gegen den Deutschen Volleyball-Verband gewonnen. Der DVV hatte dem Duo vor eineinhalb Jahren die sportliche Perspektive abgesprochen und es anschließend von sieben internationalen Turnieren abgemeldet. Stattdessen löste der Verband die Startplatzgarantie ein, die er seinen vier Nationalteams Karla Borger/Julia Sude, Margareta Kozuch/Laura Ludwig, Sandra Ittlinger/Chantal Laboureur und Victoria Bieneck/Isabel Schneider gegeben hatte, unabhängig von der teilweise besseren Weltranglistenposition von Behrens/Tillmann. Das hat das Gericht verurteilt. „Sportlich war es unglaublich unfair, zwei Athletinnen, vor deren Leistung, Mut und Risikobereitschaft ich großen Respekt habe, jede Grundlage zu entziehen, sich im Wettbewerb messen zu dürfen“, sagt Karla Borger – die andererseits aber auch die Gedankengänge innerhalb des DVV nachvollziehen kann.
In Rom zahlen die Stars das Vertrauen zurück
Der Druck auf die Verbände ist enorm, alle vier Jahre wird abgerechnet: bei den Olympischen Spielen. Nur Medaillen zählen, nur Erfolge sichern die eigene Zukunft ab. Im Beachvolleyball gab es 2012 in London Gold durch Julius Brink und Jonas Reckermann, 2016 in Rio wiederholten Laura Ludwig und Kira Walkenhorst dieses Glanzstück. Daran wird der Verband gemessen, und daran misst er sich auch selbst. Weshalb die Entscheidung gegen Behrens/Tillmann eine Entscheidung für Kozuch/Ludwig war.
Laura Ludwig ist die prominenteste deutsche Beachvolleyballerin, das Gesicht ihrer Sportart. Sie kam Anfang 2019 aus der Babypause zurück, tat sich mit Margareta Kozuch zusammen, die mit 336 Länderspielen deutsche Rekordhalterin in der Halle ist. Es dauerte, bis die zwei sich fanden, dazu fehlten ihnen Ranglistenpunkte. Hätte der DVV das Duo vor großen Turnieren in eine interne Qualifikation gegen Behrens/Tillmann geschickt, wäre der Ausgang ungewiss und die körperliche Belastung sehr hoch gewesen. Im September 2019 zahlten die Stars das Vertrauen dann zurück: Kozuch/Ludwig gewannen das Finale der World-Tour in Rom, haben nun wie Borger/Sude beste Aussichten, 2021 in Tokio aufzuschlagen – und dort um eine Medaille zu kämpfen. Weshalb Ludwig durchaus Probleme hat, sich mit der Entscheidung des Landgerichts Frankfurt, das feststellte, für die Ausbootung von Behrens/Tillmann habe es keinen „sachlich gerechtfertigten Grund“ gegeben, anzufreunden. „Mehr als die Forderung nach mehr Klarheit kann man aus diesem Urteil nicht mitnehmen“, sagt die Olympiasiegerin, „weiter will ich es nicht bewerten, da Nominierungen ein komplexes Thema sind. Es gibt Vorgaben des Weltverbandes, die erfüllt werden müssen, es gibt die Forderung des DOSB nach Zentralisierung. Letztendlich muss der Verband immer darauf schauen, dass bei Olympischen Spielen Medaillen gewonnen werden. Nur dafür gibt es Geld vom Bund, das letztendlich das Fortbestehen des Sportes auf professionellem Niveau sichert.“
Kozuch hat eine ganz eigene Geschichte
Ihre Partnerin denkt ähnlich. Allerdings fließt in deren Bewertung auch ihre persönliche Geschichte ein. „Wir haben im letzten Jahr von der Unterstützung des Verbandes profitiert. Das hat uns sicher auch geholfen, am Ende das Finale der World-Tour zu gewinnen“, sagt Margareta Kozuch, „aber ich habe auch die andere Seite erlebt und bin froh, dass es jetzt durch das Urteil eine Verpflichtung zu mehr Klarheit bei den Nominierungskriterien gibt.“
Nach ihrem Wechsel aus der Halle in den Sand bildete Kozuch 2017 ein Duo mit Karla Borger. Weil sich beide weigerten, an den Stützpunkt nach Hamburg zu wechseln, verwehrte ihnen der DVV die Beförderung zum Nationalteam. Folglich konnten Borger/Kozuch damals ebenfalls bei vielen Turnieren nicht spielen, mussten um die Zukunft ihres Projekts fürchten – ehe sie 2018 doch noch den Status eines Nationalteams erhielten. „Die Entscheidung, die jetzt das Landgericht Frankfurt getroffen hat, ist enorm wichtig und positiv für alle Athleten“, meint Borger, „es darf in Zukunft keine politisch motivierten Nominierungen mehr geben.“