Freude über Silber: Julius Thole (li.) und Clemens Wickler Foto: dpa

Nicht einmal zwei Jahre bilden Julius Thole und Clemens Wickler im Sand ein Team. Den WM-Titel verpassten die deutschen Youngster nur knapp – das sind die Typen der Hamburger Titelkämpfe.

Hamburg - Am Samstag und Sonntag herrschte am Stadion am Rothenbaum Alarmstufe rot. Alle wollten rein und sich einen Platz sichern, schließlich mussten Hunderte abgewiesen werden. Die Tennisarena, die für die Weltmeisterschaften der Beachvolleyballer zum großen Sandkasten umfunktioniert wurde, war bis auf den letzten Platz gefüllt, alle wollen in diesen Tagen Julius Thole und Clemens Wickler sehen. Hamburger Bürger wissen zu berichten, dass die beiden Strandbaggerer derzeit das große Stadtgespräch sind. Die erste Frage beim Bäcker lautete: „Hast Du Thole/Wickler gesehen?“

Diese beiden jungen Männer begeisterten die Fans, wann auch immer sie aufliefen, waren die Ränge bis auf den letzten Platz gefüllt. 12 000 Zuschauer verbreiteten eine faszinierende Atmosphäre, weil die beiden jungen Deutschen Leistungen in den Sand zauberten, die das Publikum zu wahren Begeisterungsstürmen hinrissen.

Beim finalen Akt der Dauerparty von Hamburg blieb es Thole/Wickler verwehrt, das ganz große Ding aus dem Sand zu baggern. Die Russen Viacheslav Krasinlikov und Oleg Stoyanovskiy gewannen am Sonntag das WM-Endspiel mit 2:1 (19:21, 21:17, 15:11), weil es den Deutschen nach dem Gewinn des ersten Satzes nicht gelang, ihr Spiel weiter mit Überzeugung und Konstanz durchzuziehen. Doch auch Silber ist ein kaum glaublicher Erfolg für ein Duo, das vor WM-Beginn niemand auf der Rechnung hatte.

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Nach dem Matchball war René Hecht, Rekord-Nationalspieler im Hallenvolleyball und Präsident des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV) der Erste, der die Unterlegenen tröstete. Danach gingen Thole und Wickler zum Fanblock, um sich für die nie nachlassende Unterstützung zu bedanken. „Was Ihr hier in den letzten zehn Tagen für uns veranstaltet habt, ist der Wahnsinn, ohne Euch hätten wir es nie so weit geschafft“, sagte Wickler.

Zwei Einser-Abiturienten

Die Konkurrenz konnte noch so hochkarätig sein, die beiden jungen Deutschen fanden mit ihrer Athletik, ihrem taktischen Vermögen und ihrer ausgeprägten Spielintelligenz immer die richtigen Lösungen. Die Tage der WM müssen Thole und Wickler vorgekommen sein wie eine Traumreise durch den Sand von Hamburg.

Die Veranstalter hatten das Areal im Stadtteil Harvestehude längst in „Rothenbeach“ umgetauft, die Begeisterung, die zwei junge Männer in der Hansestadt und darüber hinaus auslösten, ist bemerkenswert für eine Sportart wie Beachvolleyball, die außerhalb von Olympischen Spielen in der Öffentlichkeit nicht mehr als ein Nischendasein fristet.

Thole (22) und Wickler (24) sind zwei Athleten, die ihre Passion zum Beruf gemacht haben und den Sport im Sand nicht nur mit ihren sportlichen Darbietungen hervorragend transportieren. Beide haben einen Einser-Abitur-Schnitt, Thole studiert nebenher Jura, Wickler BWL. Sie sind in der Lage, über ihre Leidenschaft erfrischend natürlich, eloquent und verbindlich zu plaudern. Zwei solch unverbrauchte Sportler sind ein ideales Vehikel, um Begeisterung zu transportieren.

So wusste der lange Blockspieler Thole mit einem breiten Grinsen zu berichten, er habe seinen für Sonntag um 9.45 Uhr nach Zürich geplanten Flug umbuchen müssen. Kleine Planänderung: Statt der Vorbereitung auf das Turnier in den Schweizer Bergen wartete das WM-Finale.

Ein Segen für den Verband

Das kam nicht nur für Thole überraschend, auch der Rest der Szene reibt sich verwundert die Augen. So findet es Olympiasieger Julius Brink, der die WM als Experte für das Fernsehen begleitet, „überaus überraschend, wie schnell sie auf diesem Niveau spielen“.

Für den Deutschen Volleyball-Verband (DVV) bedeutete das einen Segen. Nach dem enttäuschenden zeitigen Ausscheiden der übrigen neun Vertreter, die der Verband ins Titelrennen geschickt hatte, drohten die Weltmeisterschaften zu einer tristen Veranstaltung zu werden. Doch dann traten zwei Himmelsstürmer als Retter auf. „Sie haben diese WM getragen“, sagt Brink, der es als „extrem wichtig“ einstuft, „dass da jemand ist, hinter den du dich als Fan stellen kannst“.

Diese Rolle hatte Brink selbst jahrelang gemeinsam mit seinem kongenialen Partner Jonas Reckermann übernommen, ihnen war mit Laura Ludwig und Kira Walkenhorst ein weiteres deutsches Duo gefolgt, das mit außergewöhnlichen Erfolgen glänzte. Nun scheinen Thole/Wickler bereit zu sein, das Erbe dieser Koryphäen anzutreten.

Auch wenn der Zeitpunkt überaus früh kommt, ist es generell kein Zufall, dass die Kombination des 2,06 Meter langen Blockspezialisten Thole und des hochveranlagten Abwehrspielers Wickler in der Weltspitze gelandet ist. Dieses Team wurde auf dem Reißbrett entworfen. Im Herbst 2017 verfügte der DVV, dass Wickler und Thole eine Zwangsehe eingehen müssen. Dabei war Wickler, der als größtes Talent im deutschen Beachvolleyball gehandelt wurde, gerade mit Tim Holler Deutscher Meister geworden. Doch die Perspektive mit Thole erschien den Chefstrategen erfolgversprechender. Und siehe da: Sie haben mit ihrer Einschätzung Recht behalten.