Kim Behrens Foto: imago/Beautiful Sports

Das Gerichtsverfahren zwischen Kim Behrens/Cinja Tillmann und dem Deutschen Volleyball-Verband könnte an diesem Mittwoch entschieden werden. Das Duo hat geklagt, weil es sich vom DVV ausgebootet fühlt – und hofft nun auf ein Urteil mit Signalwirkung.

Stuttgart - Offiziell ist die Saison im Beachvolleyball vorbei, es gibt keine Turniere mehr. Und trotzdem noch ein brisantes Duell. Nicht im Sand, sondern vor Gericht. Gegenüber stehen sich die Vize-Europameisterinnen Kim Behrens/Cinja Tillmann und der Deutsche Volleyball-Verband (DVV), das Urteil wird für diesen Mittwoch erwartet. Die 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt entscheidet darüber, ob der DVV den beiden Athletinnen zurecht die Perspektive absprach, sie zurecht von Turnieren abgemeldet hat, seine vier Nationalteams zurecht bevorzugte. Genau dagegen haben Behrens (28) und Tillmann (29) geklagt. „Es kann doch nicht sein, dass einzelne Funktionäre voller Willkür darüber befinden, wer international spielen darf und wer nicht“, sagt Kim Behrens, die freigestellte Kommissarin der Stuttgarter Polizei, „sollten wir gewinnen, wäre das ein Türöffner für mehr Fairness im Sport.“

EM-Silber widerspricht der Einschätzung

Der Sandkastenstreit dauert schon länger. 2019 benannte der DVV in Karla Borger/Julia Sude, Margareta Kozuch/Laura Ludwig, Sandra Ittlinger/Chantal Laboureur sowie Victoria Bieneck/Isabel Schneider vier Nationalteams. Und erklärte zugleich, dass er mit Blick auf die Olympischen Spiele in Tokio voll auf diese Duos setzt. Dazu gehörte auch, sie zu schützen. Ihnen wurden ohne interne Ausscheidungsspiele, wie sie in anderen Ländern üblich sind, für die großen internationalen Turniere Startplätze garantiert, unabhängig von der Tatsache, dass Behrens/Tillmann in der Weltrangliste immer mal wieder besser platziert waren als eines der Nationalteams. „Es ist übliche Praxis, dass nicht alle Athleten nominiert werden können“, erklärte Niclas Hildebrand, der DVV-Sportdirektor für Beachvolleyball, im November 2019, „sportlich trauen wir den anderen vier Teams grundsätzlich eben wesentlich mehr zu.“

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Aktuell will sich kein DVV-Vertreter zu dem Fall äußern – mit dem Hinweis, es handle sich um ein schwebendes Verfahren. Damit erspart sich der Verband auch Fragen, die nur schwer zu beantworten wären. Denn Behrens und Tillmann, denen vom eigenen Verband die internationale Konkurrenzfähigkeit abgesprochen wird, haben vor zwei Wochen bei der EM in Lettland mit einer starken Leistung Silber gewonnen. Kein anderes deutsches Duo, weder bei den Frauen noch bei den Männern, holte eine Medaille. „Unsere Motivation war nicht, dem DVV eine auswischen zu wollen, und wir verspüren jetzt auch keine Genugtuung“, erklärt Kim Behrens, „und doch hat die EM noch einmal gezeigt, dass falsch ist, was der Verband tut. Die Bedingungen sind nicht fair.“ Das sehen auch andere so. Zum Beispiel Alexander Walkenhorst.

Walkenhorst kritisiert den Verband

Er ist nicht nur einer der besten deutschen Beachvolleyballer, sondern auch der Lautsprecher seines Sports. Und nicht erst, seit er mit der Gründung der Beach-Liga – einem Turnier von Spielern für Spieler – im Juni die Corona-Zwangspause erfolgreich beendet hat, der größte Kritiker des Verbandes. „Behrens/Tillmann sind absolut im Recht, die Argumente des DVV an den Haaren herbeigezogen“, sagt Walkenhorst, „die EM-Silbermedaille hat doch klar gezeigt, dass sich beim Verband sportlich niemand auskennt und dort nicht nach dem Leistungsprinzip entschieden wird. Was der DVV tut, ist von unfassbarer Arroganz geprägt, es gibt dort kein bisschen Einsicht und null Transparenz. Das ist einfach nur erschreckend.“

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Zugleich ist klar, dass die Klage höchstens die finanzielle Lage von Behrens und Tillmann verbessert – für die entgangenen Einnahmen bei den sieben Turnieren, zu denen sie nicht zugelassen wurden, fordern sie 25 000 Euro Schadenersatz. An der sportlichen Situation des Duos wird der Prozess nichts ändern. Die Olympia-Qualifikation ist nicht mehr möglich, und zudem offen, ob die beiden 2021 überhaupt noch zusammen spielen. Umso wichtiger ist ihnen die Signalwirkung, die von einem für sie positiven Urteil ausgehen könnte. „Vielleicht wird es ein Präzedenzfall, auch sportartübergreifend, weil Funktionäre bei Nominierungen einzelne Sportler nicht mehr grundlos benachteiligen können“, meint Behrens, „wenn ich, egal mit welcher Partnerin, nicht mehr strategisch bedingt abgemeldet werden kann, bedeutet das für mich ein großes Plus an Freiheit, Individualität, Planungssicherheit.“

DVV-Anwalt: „Eine ganz normale Nominierungsstreitigkeit“

Auch aus Sicht von Walkenhorst ist nicht nur im Beachvolleyball reichlich Sand im Getriebe. „Viele Verbände steuern durch ein System von Abhängigkeiten die Karrieren von Athleten“, sagt der Bruder von Olympiasiegerin Kira Walkenhorst, „nicht nur in meinem Sport geht das oft komplett am Bedarf vorbei.“ Ob eine Niederlage des DVV vor Gericht daran etwas ändern würde? Nach Meinung von Michael Lehner eher nicht. Der Jurist aus Heidelberg ist der Anwalt des Verbandes, und er denkt, dass die Athleten die Wichtigkeit des Prozesses zu hoch hängen. „Letztendlich geht es hier um eine ganz normale Nominierungsstreitigkeit“, sagt Lehner, „man muss nun sehen, was das Gericht draus macht. Ich sehe aber ganz sicher keinen Präzedenzfall, nach dem eine Klagewelle auf den deutschen Sport zurollen wird.“