Foto: Bayerisches Hauptstaatsarchiv

Interessantes über Bayernkönig Ludwig II. und seine Fluchten erfährt man in Hohenschwangau.

Bilder eines Ritterlebens – zumindest an der Wand. Kaum ein Raum der Burg Hohenschwangau, der nicht mit Wandmalereien geschmückt ist, ausgestattet mit reichverzierten Möbelstücken, überladen mit Büsten, Tischuhren, schwanenverziertem Geschirr. In solch einem prächtigen Saal hat der kleine Ludwig als Kind gesessen und gegessen. Nie bis zum Sattwerden, dem Vater galt bei aller äußeren Pracht Askese als oberste Erziehungsmaxime. So sind die Prinzen Ludwig und Otto meist hungrig vom Tisch aufgestanden.

Hohenschwangau ist der Kindheitsort von Ludwig II., dem berühmt-berüchtigten Bayernkönig, dem Erbauer von Schloss Neuschwanstein und anderen Verrücktheiten. Hohenschwangau liegt in Sichtweite dieses Besuchermagneten, durch den sich im Sommer am Tag 8000 Menschen drängen. Man kann sich gut vorstellen, wie der junge Ludwig am Fenster saß und sich eine gewaltige Burg auf dem gegenüberliegenden Fels imaginierte – die neue Burg Hohenschwangau, die erst später den Namen Neuschwanstein bekam.

Gegenüber der Burg Hohenschwangau steht mittlerweile ein Hotel. Wer dort noch vor dem Frühstück das Fenster öffnet, bekommt ein leises Gemurmel zu hören. Es ist aber kein Bächlein, das durch den Ort rauscht, sondern das Stimmengewirr von fröhlichen Koreanern, die auf ihre Kutschfahrt nach Neuschwanstein warten. Selbst ein Brautpaar aus Fernost ist dabei. Noch sitzt der Putz nicht perfekt: Die Füße der Braut ganz in Weiß stecken in Birkenstocklatschen. Hohenschwangau ist heute ein touristischer Durchlauferhitzer. 1,3 Millionen Besucher im Jahr wollen das Märchenschloss von Ludwig sehen und holen sich dort ihre Tickets, ein kleiner Bruchteil davon sieht sich auch seine Kindheitsburg an.

Im Schwanenrittersaal von Hohenschwangau ist die Lohengrinsage an die Wände gemalt und sie hat zweifelsohne dem kleinen Ludwig mächtig imponiert. Zu seinem zwanzigsten Geburtstag hat man dem Herrscher zu Ehren einen wasserfesten Schwan übers Wasser des nahe gelegenen Alpsees gezogen, darin saß ein Wagner-Arien schmetternder Sänger. Für solche künstlerischen Exzesse ist Ludwig bis heute bekannt. Sein Leben war eine einzige Inszenierung, seine Schlösser die Kulissen dazu: Neuschwanstein, die nie vollendete Vision einer Ritterburg, Linderhof, das Rokoko-Schlößchen, Herrenchiemsee, eine kleine Kopie von Versailles. Um zu verstehen, warum Ludwig so anders war als der Rest seiner Sippe, ist die Gegend der Königsschlösser ein guter Ort.

Hohenschwangau hat sein Vater Maximilian gekauft und von Grund auf renoviert. Es diente der Familie als Sommersitz. König Max war ein begeisterter Jäger, die Wälder rund um Füssen voller Wild. Ludwigs Mutter Marie, eine Prinzessin aus Preußen, hatten es die Allgäuer Alpen angetan. "Von den Bergen bin ich ganz weg", hat sie gejubelt, als sie zum ersten Mal 1842 in die Gegend kam. Weswegen sie auch den Aufenthalt in Hohenschwangau der Residenz in München vorzog. Ludwig und sein Bruder Otto sind größtenteils in Hohenschwangau aufgewachsen.

Nicht weit von seiner Sommerresidenz hat sich Max eine Jagdhütte bauen lassen. Heute führt eine Gondel, die Tegelbergbahn, sehr bequem den Berg hinauf, aus der Jagdhütte ist ein Gasthaus geworden. Auch Ludwig kam oft hierher, allerdings nicht zum Jagen, sondern um sich in seine Bücher zu vertiefen, sich in poetischere Welten zu träumen. Die Jagd hat er gehasst. Von dort oben hat man einen herrlichen Blick in die Ebene mit dem Foggen- und Alpsee, auf der anderen Seite recken sich die Bergketten der Allgäuer Alpen in den Himmel. Ludwig ist nicht auf die Berge gewandert, sondern geritten. Seine Reitstrecke ist heute ein gemächlich bergabführender Wanderweg, der Ahornreitweg. Ein Waldpfad mit Lehrtafeln zur Flora, Fauna und Gemälden der königlichen Familie, der in zwei Stunden zu gehen ist.

Unten angekommen dauert es nicht mehr lang bis zum Berggasthof Bleckenau. Auch diese Hütte auf 1167 Metern ist, wie so viele andere in der Gegend, königlichen Ursprungs: Die Bleckenau hat Maximilian seiner Frau Marie als sogenanntes "Schweizerhaus" gebaut: Dorthin machte die Hofgesellschaft Ausflüge, von dort aus ging es zur Jagd. Ein Ausflugsziel ist die Bleckenau noch immer, besonders beliebt ist sie bei Fußlahmen. Der Wirt, dessen Schweinsbraten mit Biersoße großen Zuspruch erfährt – Bayern wie aus dem Bilderbuch, in Krachledernen sitzen dicke Männer am Tisch und lassen es sich schmecken – fährt seine Gäste mit dem Kleinbus stündlich herunter nach Hohenschwangau. Aber auch der Fußweg hinab ist lohnenswert, führt er doch vorbei an der Marienbrücke, von der aus man einen grandiosen Blick auf die Zuckerbäckerfestung Neuschwanstein hat. Ludwigs Bruder Otto hat einen Aufenthalt in der Bleckenau im Gästebuch folgendermaßen verewigt: "Eben trug Fürst Taxis/mit Kellner Praxis/Kaffee und Butter/uns zum Futter." Man kann sich gut vorstellen, wie der poetisch versierte Ludwig ob der Schlichtheit dieser Verse das Gesicht verzogen haben muss. Während dieser bei seinen kleinen Fluchten in die Berge auch dort große Menues zu verspeisen wünschte und seine Dienerschaft entsprechend auf Trab hielt – kein Wunder, wo er doch in seiner Jugend so kurz gehalten wurde – liebäugelte die Mutter mit dem einfachen Leben, lernte zu buttern und zu spinnen. Von dem hochfliegenden Gedankengut ihres Sohnes hielt sie wenig.

Nach seinem Tod hat sie manche der Einbauten Ludwigs in Hohenschwangau wie ein künstlich illuminierter Sternenhimmel im Schlafzimmer inklusive Regenbogenmaschine und plätschernder Felsgrotte wieder entfernen lassen. Haben sich Mutter und Sohn gleichzeitig im Allgäu aufgehalten, sind sie sich aus dem Weg gegangen und haben unterschiedliche Residenzen ausgesucht. Marie war nicht nur bodenständig, vor allem war sie eine sportliche Frau, eine passionierte Bergsteigerin. Kaum einen Gipfel der Gegend hat sie ausgelassen, auf den 2047 Meter hohen Säuling sind auch ihre Söhne mit geklettert.

Um ihre Hofdamen bei Laune zu halten, die von den Unternehmungen der Kronprinzessin nicht immer begeistert waren, hat sie 1844 sogar einen Orden erfunden: Den Alpenrosenorden, den die diejenigen bekommen, "welche mit mir der Großmeisterin auf der Achsel waren. … Die Damen tragen den Orden vorgesteckt an der linken Seite. Die Herren am obersten Knopfloch des Rockes." Ob Marie die Sache wirklich ernst war oder ob sie mit der Verleihung an Bergwanderinnen die Ordensliebe ihrer Zeit milde ironisiert hat – wer weiß. Jedenfalls scheint es von heute aus betrachtet keine allzu große Leistung gewesen zu sein, den Alpenrosenorden zu bekommen. Die Achsel ist ein unauffälliger Vorberg des Schlickemassivs. Bei einer Wanderung in das schöne, erst bewaldete und dann immer schroffer und dramatischer werdende Reintal muss man nur einen kleinen, einfach zu gehenden Abstecher machen, um zum Gipfelkreuz zu gelangen. Wäre Marie nicht gewesen, die Achsel hätte wohl kaum ein Kreuz, das damals mit großem Pomp aufgestellt wurde.

So wenig wie seine Mutter Marie, so wenig haben auch die allermeisten seiner Zeitgenossen den Menschen und König Ludwig verstanden, der nicht in der Gegenwart, sondern in der Vergangenheit und in der Zukunft zu Hause war. Die völlig aus dem Ruder laufenden Baukosten von Neuschwanstein gaben letztendlich den Ausschlag, den König zu entmündigen und für verrückt zu erklären. Das Ende ist bekannt: Kurze Zeit später ertrank er unter mysteriösen Umständen im Starnberger See. Die Leute in und um Füssen haben ihn damals als Arbeitgeber und großzügigen Herrscher geschätzt. Heute erst Recht. Wenige Tage nach seinem Tod wurde Neuschwanstein zur Besichtigung freigegeben und seitdem ist der weltweite Besucherstrom nicht mehr versiegt.

Info Königsschlösser: Eintrittskarten für Hohenschwangau und Neuschwanstein bekommen Individualreisende ausschließlich am Ticketcenter in Hohenschwangau (Telefon 0 83 62 / 93 08 30, http://www.ticket-center-hohenschwangau.de). Sie kosten jeweils 9 Euro (unter 18 Jahren ist der Eintritt frei) inklusive Führung. Jedes Ticket ist nur für eine bestimmte Uhrzeit gültig, es gibt also keine Warteschlangen mehr am Schloss. Die Karten können auch online bestellt werden.

Literatur: Hans F. Nöhbauer: Auf den Spuren König Ludwigs II. Ein Führer zu Schlössern und Museen, Lebens- und Erinnerungsstätten des Märchenkönigs, 9,95 Euro, Prestel 2008 – reich bebildert, historisch fundiert und mit vielen Anekdoten angereichert. Die Broschüre "Wandern auf königlichen Spuren" mit verschiedenen Tourenvorschlägen gibt es bei Füssen Tourismus.

Auskunft: Füssen Tourismus, Tel. 0 83 62 / 9 38 50, http://www.fuessen.de; Tourist Info Schwangau, Tel. 08362 / 8 19 80, http://www.schwangau.de.