Viele Bürger leiden unter hohen Spritpreisen. Foto: dpa/Daniel Reinhardt

Die Bürger in Baden-Württemberg haben wegen Inflation und Wirtschaftskrise begonnen, sich persönlich einzuschränken. Beim Staat haben sie allerdings konkrete Wünsche für Mehrausgaben. Das zeigt eine aktuelle Umfrage.

Ein Krieg im Osten Europas, große Probleme in der Energieversorgung, rasant gestiegene Preise, ein bisher ungebremster Klimawandel und schließlich der Wiederanstieg der Coronazahlen – es gibt aktuell ein ganzes Bündel von Krisen. Wie reagieren darauf die Menschen in Baden-Württemberg? Der BaWü-Check, eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach, gibt Antworten auf diese Frage. Die Untersuchung entstand im Auftrag der baden-württembergischen Zeitungsverlage.

1.Zukunftssorgen

Insbesondere der Ukraine-Krieg und die Inflationssorgen beeinflussen die Stimmungslage der Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg massiv. Der Zukunftsoptimismus verharrt weiterhin auf einem historischen Tiefststand. Nach wie vor sieht nur knapp jeder vierte Baden-Württemberger den kommenden 12 Monaten mit Hoffnungen entgegen, die große Mehrheit bleibt tief besorgt: Knapp jeder Dritte blickt mit ausgeprägten Befürchtungen auf die nächsten Monate, ebenso viele mit Skepsis.

Damit liegt die Zuversicht in Baden-Württemberg unter dem Durchschnitt im Bundesgebiet: In einer zur gleichen Zeit durchgeführten bundesweiten Befragung waren 28 Prozent der Bevölkerung für die kommenden Monate zuversichtlich gestimmt.

2. Preisanstieg

Als besonders belastend empfindet die Bevölkerung die Inflation bei den Kosten für Benzin, Strom, Lebensmittel und Heizen. Entsprechend versucht ein Großteil von ihnen, auch gerade hier sparsamer zu sein und sich einzuschränken – mit Spritsparen, weniger Restaurantbesuchen, Einschränkungen beim Kleiderkauf, Verzicht auf Reisen und dem kostenbewussten Einkaufen von Lebensmitteln. Viele drosseln ihren Stromverbrauch oder unternehmen weniger in ihrer Freizeit. Personen, die sich von den Preissteigerungen besonders stark belastet fühlen, schränken sich in allen Bereichen weit überdurchschnittlich ein. Insbesondere bei den Ausgaben für Lebensmittel und Kleidung, aber auch für Urlaube, Genussmittel und Hobbys versucht sich dieser Personenkreis überdurchschnittlich einzuschränken.

3. 9-Euro-Ticket

Um die finanziellen Belastungen der Bürger durch die gestiegenen Preise zu verringern, hat die Bundesregierung verschiedene Maßnahmen verabschiedet. Unter anderem kann man seit Anfang Juni mit dem 9-Euro-Ticket den gesamten öffentlichen Nahverkehr beliebig oft nutzen. Bis zur Mitte des Monats hatten sich bereits 29 Prozent der Baden-Württemberger ein solches Ticket gekauft, weitere 17 Prozent planen dessen Erwerb. Besonders beliebt ist das Ticket bei der jungen Generation: Von den unter 30-Jährigen haben bereits zwei Drittel das 9-Euro-Ticket erworben oder planen den Kauf.

Die Mehrheit der Baden-Württemberger würde zwar grundsätzlich die Fortführung des 9-Euro-Tickets über die bislang geplanten drei Monate hinaus begrüßen, allerdings nicht vorbehaltlos. So spricht sich jeder Dritte dafür aus, das 9-Euro-Ticket in seiner jetzigen Form dauerhaft beizubehalten. Ebenso viele plädieren jedoch dafür angesichts der Kosten in Höhe von rund 2,5 Milliarden Euro, die dem Staat in den drei Monaten für die Subventionierung entstehen, das Ticket nur zu angehobenen Preisen beizubehalten. 22 Prozent sprechen sich dafür aus, das Ticket nach den drei Monaten ganz auslaufen zu lassen.

Deutlich positiver fällt das Meinungsbild bei denen aus, die sich bereits ein 9-Euro-Ticket gekauft haben: Von ihnen würden 53 Prozent das 9-Euro-Ticket gerne in seiner jetzigen Form beibehalten, weitere 36 Prozent zu angehobenen Preisen. Lediglich 6 Prozent von ihnen sprechen sich dafür aus, das 9-Euro-Ticket nach Ablauf der drei Monate wie geplant auslaufen zu lassen. Bundesfinanzminister Christian Lindner hat allerdings bereits Erwartungen gedämpft, dass es für Tankrabatt und 9-Euro-Ticket im September Anschlussregeln geben könnte: „Wir können nicht auf Dauer gestiegene Preise für das importierte Öl, die Entwicklung des Dollar und die Knappheiten bei Raffinerien mit Staatsgeld ausgleichen.“

4. Mehrausgaben des Staates

Bundesweite Umfragen des Allensbacher Instituts zeigen, dass die Bevölkerung infolge der Aneinanderreihung von Krisen die finanzielle Lage des Staates aktuell deutlich kritischer einschätzt als noch vor Ausbruch der Coronapandemie. Dennoch sehen die Bürger bei den staatlichen Ausgaben nur geringe Einsparpotenziale.

Im Gegenteil: Die große Mehrheit der Bevölkerung fordert von der baden-württembergischen Landesregierung in vielen Bereichen Mehrausgaben. Dies gilt insbesondere für Gesundheitseinrichtungen, Schulen, den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, die Ausstattung der Polizei, die Forschungsförderung, den Klimaschutz sowie für öffentliche Einrichtungen. So wünschen sich 94 Prozent der Bürger, dass Baden-Württemberg mehr Geld in Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäuser oder Sozialstationen investiert. 91 Prozent wünschen sich mehr Ausgaben für die Ausstattung von Schulen, 80 Prozent für den Ausbau von Straßen und Bahnstrecken.

Jeweils rund drei Viertel fordern zudem höhere Ausgaben für die Ausstattung der Polizei, für die Förderung von Forschungsvorhaben sowie für Maßnahmen zum Schutz von Klima und Umwelt. Höhere staatliche Zuwendungen für öffentliche Einrichtungen wie Schwimmbäder und Büchereien wünschen sich sieben von zehn Baden-Württemberger.

Umgekehrt gibt es nur wenige Bereiche, in denen die Bevölkerung Einsparpotenziale sieht. Am ehesten noch bei großen Bauvorhaben, bei kulturellen Einrichtungen sowie der Sportförderung. So meinen 78 Prozent, dass Baden-Württemberg bei großen Bauprojekten eher sparen sollte. 63 Prozent finden, dass auch bei Kultureinrichtungen wie Theater und Museen eher Geld gespart als ausgegeben werden sollte, 53 Prozent unterstützen Sparmaßnahmen bei der staatlichen Förderung von Sportvereinen und Sportereignissen. Bereiche, in denen sich aus Sicht der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung Sparmaßnahmen verbieten, sind Gesundheitseinrichtungen und Schulen.

5. Viel Unmut über Bürokratie

Das Thema Bürokratieabbau ist zwar fester Bestandteil von Wahlkämpfen und Parteiprogrammen, in der politischen Praxis werden die geäußerten Forderungen jedoch nur selten konkretisiert. Die Bevölkerung würde den Abbau bürokratischer Hürden mit breiter Mehrheit unterstützen, zu groß ist der Unmut über staatliche Regelungen und Verordnungen.

Ein Bereich, in dem derzeit besonders intensiv über den Abbau staatlicher Vorgaben diskutiert wird, ist der Ausbau der Infrastruktur für die Energieversorgung. Um insbesondere die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, gibt es verschiedene Vorschläge.

So wird unter anderem darüber diskutiert, Abstriche beim Natur- und Umweltschutz zu machen oder auch die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger einzuschränken, um den Ausbau von Windrädern und Stromtrassen zu beschleunigen.

Gegenüber beiden Vorschlägen gibt es erhebliche Vorbehalte: Nur 31 Prozent würden es begrüßen, wenn es zugunsten eines schnelleren Ausbaus von Windkraftanlagen oder Stromtrassen beim Klima- und Umweltschutz weniger strenge Auflagen gäbe. 39 Prozent halten dies hingegen für keinen guten Weg. Auch der Vorschlag, die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger einzuschränken, um damit den Ausbau von Windrädern und Stromtrassen schneller voranzubringen, findet keine größere Unterstützung: 31 Prozent halten dies für einen guten Vorschlag. Gegen die Einschränkungen der Bürgerbeteiligungen votieren dagegen 43 Prozent.