Die Bauwirtschaft kann sich über volle Auftragsbücher freuen Foto: dpa

Auch dieses Jahr wird der Umsatz weiter steigen. Sorgen macht die wachsende Zahl der Scheinselbstständigen. Und mit dem baden-württembergischen Innenministerium gibt es Ärger.

Stuttgart - Die Bauwirtschaft im Südwesten strotzt vor Selbstbewusstsein. „Wir haben für 2019 eine komfortable Ausgangslage“, sagte Bernhard Sänger, der Präsident der Landesvereinigung Bauwirtschaft Baden-Württemberg. Der Umsatz der Branche dürfte in diesem Jahr nach Sängers Schätzung um sechs Prozent auf dann mehr als 18 Milliarden Euro steigen. Im vergangenen Jahr hatte der Umsatz noch um zehn Prozent auf etwas mehr als 17 Milliarden Euro zugelegt. Vor allem das Fehlen von Fachkräften wirkt als Bremse für das Wachstum. Besondere Impulse kamen aus dem Wirtschaftsbau.

Dass Bundesregierung, Verbände und Wirtschaftsforscher ihre Konjunkturprognosen für das laufende Jahr reduziert haben, beeindruckt die Bauwirtschaft bis jetzt noch nicht: „Wir stehen ganz am Ende des Konjunkturzyklus“, erklärte Geschäftsführer Thomas Möller, „das gilt für den Abschwung, aber auch für den Aufschwung.“ Selbst wenn die Industrie mit weniger Wachstum rechne, gebe es eben noch Projekte, die schon in Angriff genommen oder zumindest vergeben worden seien. Die Zahl der Beschäftigten stieg im vergangenen Jahr um vier Prozent auf 104 000 Mitarbeiter.

Die Baupreise steigen weiter

Die Bauwirtschaft habe die gute Konjunktur nicht genutzt, um ihre Gewinne zu maximieren, sagte Sänger. Der Anstieg der Baupreise um 4,5 Prozent bewege sich „im normalen Rahmen“. Auch im laufenden Jahr dürften die Preise ähnlich steigen. Als Gründe für die Preissteigerungen nannte er deutlich höhere Einkaufspreise etwa für Stahl und Bitumen, aber auch Lohnsteigerungen. Zudem hätten die Unternehmen „nach Jahren des Preisdumpings“ ihre Ertragslage wieder verbessern können. Kunden müssten wegen der guten Konjunktur mit längeren Wartezeiten rechnen.

Der Trick mit der Scheinselbstständigkeit

Sorgen macht den Bauunternehmen die steigende Zahl von Scheinselbstständigen. Die Hälfte der gemeldeten Baubetriebe seien inzwischen Ein-Mann-Unternehmen, kritisierte Rainer König, einer der Vizepräsidenten der Landesvereinigung. „Die illegale Billigkonkurrenz wird für die ehrlichen Betriebe zur Existenzbedrohung“, meinte König. Oftmals zahlten diese weder Steuern noch Sozialabgaben. Wie trickreich dabei gearbeitet wird, machte Möller deutlich. Der Geschäftsführer berichtete über ein Beispiel, bei dem sich 200 Beschäftigte aus Osteuropa zu einer Gesellschaft zusammengeschlossen hatten, an der alle Anteile hielten. Eine gerichtliche Untersuchung habe aber ergeben, dass die Gesellschafter im Auftrag eines anderen Unternehmens tätig geworden seien, also eben nicht selbstständig gewesen seien. Als Reaktion auf diese Entwicklung fordert auch die Bauwirtschaft im Lande die Wiedereinführung des Meisterbriefs für Baubereiche, in denen dieser 2004 abgeschafft worden war.

Ärgerlich findet die Vereinigung die Vergabepraxis der Öffentlichen Hand. Ulrich Waggershauser, Vizepräsident der Bauwirtschaft Baden-Württemberg, kritisierte, diese hemme auch den Ausbau eines flächendeckenden Breitbandnetzes. In den ersten drei Monaten eines Jahres gebe es bei den Kommunen nahezu keine Ausschreibungen, so Waggershauser, weil erst die Haushaltspläne unter Dach und Fach gebracht werden müssten. Der „schwarze Peter“ liege nun bei dem für die Digitalisierung zuständigen Innenminister Thomas Strobl.

Minister weist Vorwürfe zurück

Das Ministerium bezeichnete den Vorwurf, Strobl, sei untätig, als „nahezu grotesk“. Die Landesregierung habe eine Investitionsoffensive gestartet, bei der allein in den Ausbau des schnellen Internets eine halbe Milliarde Euro gesteckt werde. Erst vor zwei Wochen habe es auf Initiative des Innenministeriums ein Gespräch zwischen Vertretern der Bauwirtschaft, der Kommunen und des Ministeriums gegeben. Dabei sei es um eine bessere Koordination bei der Auftragsvergabe gegangen. „Herr Waggershauser muss sich entscheiden, ob er gemeinsam mit dem Land oder gegen das Land agieren möchte“, heißt es in einer Mitteilung von Strobl. Die Bauwirtschaft rudert inzwischen zurück. Da die Behörde weitere Gespräche moderieren will, heißt es jetzt nur noch, „der Ball liegt im Feld des Ministeriums“.