Der Bauboom im Land führt zu vermehrten Erdaushub. Doch in den Ballungsräumen fehlen Deponien. Es herrscht akuter Notstand, beklagt die Bauwirtschaft. Foto: dpa

Die Bauwirtschaft boomt, doch es läuft nicht überall rund. Große Sorgen bereiten der Fachkräftemangel und die fehlenden Deponien in den Ballungsräumen. Letzteres entwickelt sich längst zu einem Kostenreiber.

Stuttgart - Der Bauboom beschert den baden-württembergischen Vertretern der Branche Umsätze auf Rekordniveau. Davon haben im vergangenen Jahr vor allem größere Firmen mit 20 und mehr Beschäftigten profitiert. Hintergrund ist, dass 2017 vermehrt in Mehrfamilienhäuser investiert wurde. Dennoch rechnet die Landesvereinigung Bauwirtschaft Baden-Württemberg für 2017 mit einem durchschnittlichen Umsatzanstieg im Bauhauptgewerbe von acht Prozent auf rund 15,7 Milliarden Euro. Bei den größeren Firmen gab es bis Ende November sogar ein Umsatzplus von 15,8 Prozent.

Die gute Auftragslage lässt insbesondere kleinere Betriebe über personelle Engpässe klagen. „Sie können nicht mehr jeden Auftrag annehmen“, sagt Bernhard Sänger, Präsident der Landesvereinigung, die die Interessen von 5000 Mitgliedsbetrieben mit 75 000 Beschäftigten vertritt. Der Fachkräftemangel sei die größte Herausforderung der Branche. Die Zahl der Baubeschäftigten im Land ist 2017 um gut 4,5 Prozent gestiegen und hat erstmals seit 15 Jahren wieder die 100 000-Marke erreicht.

Ein Fachkräfte-Einwanderungsgesetz soll helfen

„Wir brauchen ein Fachkräfte-Einwanderungsgesetz“, sagt Thomas Möller, der neue Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg, des größten der sieben Verbände, die in der Landesvereinigung organisiert sind. Dabei geht es der Bauwirtschaft nicht nur um fertige Fachkräfte. „Es sollen auch die kommen dürfen, die Fachkräfte werden wollen“, sagt Möller und fordert die duale Ausbildung für Einwanderer zu öffnen. Die Branche brauche gut qualifizierte Mitarbeiter, die die teuren Maschinen bedienen können. „So ein Cockpit eines Baggers sieht nicht viel anders aus als das Cockpit eines Airbus’“, sagt der Hauptgeschäftsführer.

Für wachsenden Unmut bei den Bauunternehmen sorgen die fehlenden Deponien im Land. Gerade in den Ballungsräumen können Bauunternehmen ihren Erdaushub nicht ortsnah entsorgen, sondern fahren ihn bis zu 150 Kilometer zur nächsten aufnehmenden Deponie. „Dieser Abfalltourismus ist ökologisch und ökonomisch Schwachsinn“, sagt Bauunternehmer Mathias Waggershauser. Auf fehlende Entsorgungsmöglichkeiten deuten auch Zahlen des Statistischen Landesamts hin. Beispielsweise wurden 2016 in Stuttgart nur 64 000 Tonnen Bodenaushub entsorgt, im Alb-Donau-Kreis waren es 2,2 Millionen Tonnen – nicht weil dort so viel gebaut wurde, sondern weil vor allem Platz war.

Deponieknappheit führt zu steigenden Preisen

Die Politik streite das Problem ab, so Möller, weil übers Land gesehen genügend Deponieraum zur Verfügung stehe. So eine Berechnung hält der Verband für unsinnig. Es würde auch niemand auf die Idee kommen zu behaupten, in Stuttgart gebe es keinen Wohnungsmangel, da in Rottweil oder in Sigmaringen genügend Wohnraum zur Verfügung stehe.

Die Deponieknappheit führt zu steigenden Preisen. „Für den Aushub werden wir immer mehr bezahlen müssen“, sagt Waggershauser. Für Bauherren hat sich das Problem schon jetzt zu einem Kostenreiber entwickelt. Je nach Region werden bei einem normalen Einfamilienhaus für die Entsorgung von Erdaushub bis zu 30 000 Euro fällig. Die Landkreise „müssen endlich dafür sorgen“, so Sänger, dass bei Baumaßnahmen in ihrer Region der anfallende Erdaushub „ortsnah entsorgt werden kann“. 2018 dürfte sich der Bauboom nach Einschätzung der Landesvereinigung etwas abschwächen, doch die Aussichten seien weiterhin sehr positiv. Sänger rechnet bis Jahresende „mit einem Umsatzzuwachs von etwa vier Prozent“.