Foto: Benjamin Beytekin

Turmfalkenpaar nistet an Bahndirektion – In Ulm werden Bahnsteig und zwei Gleise eingespart.

Stuttgart - Am Dienstag dieser Woche rückten die Bagger in der Heilbronner Straße 7 an. Ein Teil der ehemaligen Bahndirektion – die Seitenflügel und der hintere Gebäudetrakt entlang der Jägerstraße – wird abgerissen. Der dem Hauptbahnhof zugewandte Trakt steht unter Denkmalschutz. Die Bahn muss ihn auf Druck von Stadtverwaltung und Gemeinderat erhalten.

Doch schon am Donnerstag war mit dem Abriss der anderen Gebäudeteile bis auf weiteres Schluss . Auf dem Dach des ehemaligen Bahndirektionsgebäudes hat ein Turmfalkenpärchen offenbar sein Brutgeschäft begonnen. „Die Bagger arbeiten bedrohlich nah an der Brutstätte, die Vögel sind sehr irritiert“, sagt Gerhard Pfeifer, der Regionalgeschäftsführer des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND). Er forderte daher noch am gleichen Tag die Bahn, das Eisenbahnbundesamt und das Regierungspräsidium auf, die Abrissarbeiten zu stoppen. Dasselbe gelte für den Südflügel des Bahnhofs, wo ebenfalls ein nistendes Turmfalkenpaar gesichtet worden sei.

Der Turmfalke steht in Baden-Württemberg auf der Roten Liste und ist nach dem Bundesnaturschutzgesetz eine besonders und streng geschützte Art. Nach § 44 Bundesnaturschutzgesetz dürfen ihre Fortpflanzungs- und Ruhestätten sowie ihre Standorte nicht beschädigt oder zerstört werden. Bei den streng geschützten Tierarten gilt zusätzlich das Verbot, sie während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeit zu stören.

Brut und Aufzucht dauern ca. acht Wochen

Der BUND hat am Mittwoch die Stadt, das Regierungspräsidium, das Eisenbahnbundesamt (Eba) sowie die Bahn AG informiert. Aus Pfeifers Sicht müsste ein Sachkundiger das Nest inspizieren und kontrollieren, ob die Turmfalken schon mit der Brut begonnen haben. Sollten die Behörden nicht reagieren, drohte Pfeifer gestern, werde er an diesem Freitag Anzeige gegen die Bahn erstatten.

Im für die Bahn schlimmsten Fall müsste der Abriss an der Heilbronner Straße dann ruhen: „Turmfalken haben in der Regel drei bis sechs Junge, die nach rund acht Wochen das Nest verlassen“, umreißt Pfeifer die Dauer eines Baustopps. Er moniert, dass die ökologische Baubegleitung von Stuttgart 21 „eine Farce“ sei, der Arten- und Naturschutz werde „nicht richtig ernstgenommen“.

In diesem Fall aber reagierten am Donnerstag alle Aufsicht führenden Behörden: Die Stadt Stuttgart hat das Regierungspräsidium benachrichtigt, die Aufsichtsbehörde informierte daraufhin das Eisenbahnbundesamt (Eba). Dort flatterte die Information gleich zweimal ein: „Als wir davon erfahren haben, informierten wir umgehend das Eisenbahnbundesamt“, sagte gestern Projektsprecher Wolfgang Dietrich. Außerdem habe man die Arbeiten „umgehend eingestellt“. Ein Ornithologe und ein ökologischer Bauüberwacher seien auf die Baustelle geschickt worden, „um den Verdacht zu prüfen“, so Dietrich. „Sobald wir hierzu Erkenntnisse haben, werden wir darüber informieren.“

Zugang am Nordportal um 20 Meter verlegt

Nach Angaben des Kommunikationsbüros S 21 sollten der Teilabriss der ehemaligen Bahndirektion und der Abriss der Häuser Jägerstraße 22 und 24 im September oder Oktober 2012 beendet sein. Danach beginnt der Bau von Tunneln. Sie unterqueren die Jägerstraße und führen künftig von und nach Feuerbach sowie nach Bad Cannstatt. Die Strecken werden unter der alten Bahndirektion aufgefächert, bevor sie auf die acht Gleise des neuen Hauptbahnhofs geführt werden.

Am Nordeingang des Hauptbahnhofs gehen die Vorarbeiten für ein unterirdisches Technikgebäude davon unberührt weiter. Seit Mittwoch ist der bisherige Eingang geschlossen, Reisende können aber 20 Meter weiter nördlich den Hauptbahnhof ebenerdig erreichen. Der Vorplatz bleibt für Taxis und Kurzzeitparker von der Schillerstraße her erreichbar.

In Ulm, wo die in Wendlingen beginnende Neubaustrecke der Bahn endet, sieht die DB seit Donnerstag erhebliche Einsparungen vor. So soll auf den fünften Bahnsteig, der für den Regionalverkehr geplant war, und auf zwei Gleise verzichtet werden. Damit werden eine Unterführung und eine Lärmschutzwand kürzer.

Bahn geht von rückläufigem Güterverkehr aus

Für die Schrumpfkur gibt es zwei Gründe: Der Bund nimmt in einer neuen Berechnung des Verkehrswegeplans für 2025 kleinere Zuwächse beim Güterverkehr an. Weil in Ulm eine Abstell- und Wartungsanlage gebaut wird und die bisher geplante Wiederanbindung des Ostbahnhofs entfällt, kann Kreuzungsverkehr mit den Zügen von der Neubaustrecke und aus Göppingen vermieden werden. Dadurch könne auf zwei Gleise und den Bahnsteig verzichtet werden

Das bedeute nicht, dass es weniger regionalen Schienenverkehr geben werde, betont die Bahn. Es gehe bei der Reduzierung „ausschließlich um den Güterverkehr“. Gerechnet wird mit 41 Güterzügen weniger (22 Prozent). Die neuen Pläne sollen in Ulm im Verwaltungsgebäude, Münchner Straße 2, vom 23. April bis zum 22. Mai ausgelegt werden.