Ist alles noch da? Das müssen sich Bauarbeiter immer öfter fragen. Foto: dpa

In der Baubranche herrscht derzeit Hochkonjunktur – und das lockt verstärkt Einbrecher und Diebe an. Die Polizei tappt im Dunkeln.

Stuttgart - Die Täter haben sich nicht gerade einen abgelegenen Winkel ausgesucht. Das Baugelände in Feuerbach ist stolze 12 000 Quadratmeter groß, und Tausende Fahrzeuge rauschen Tag und Nacht in unmittelbarer Nähe auf der Heilbronner Straße vorbei. Aber vielleicht ist genau das der Grund, warum die Tat nicht auffällt – und die Polizei am Dienstag auch nach Tagen keine heiße Spur hat.

Dort, wo künftig das neue Mercedes-Flaggschiff eines Verkaufs- und Mobilitätszentrums entstehen soll, haben sich erst einmal unbekannte Einbrecher bedient. Im Bereich der Borsig- und Heilbronner Straße schieben sie des nachts einen Bauzaun beiseite und nehmen sich einen Baucontainer vor. Dabei scheinen sie nicht gerade wählerisch zu sein. Oder sie haben es von Anfang an auf solche Baugeräte und Werkzeuge abgesehen.

Schmutzwasseraufbereitung? Bohrhämmer? Alles brauchbar

„Die Zahl der Einbrüche und schweren Diebstähle auf Baustellen steigt in diesem Jahr deutlich an“, sagt Polizeisprecher Tobias Tomaszewski. Dies sei einerseits nicht verwunderlich – nachdem im Jahr 2017 relativ Ruhe geherrscht hatte. Dabei hatte die Polizei lediglich 79 einfache Diebstähle registriert – da waren die Einbrecher mit 71 Fällen trotz größeren Aufwands fast ähnlich stark aktiv. Nun aber sieht es danach aus, als ob die Fallzahlen bei den Dieben deutlich über 100 liegen werden.

Auf dem Abbruchgelände in Feuerbach, dem künftigen Mercedes Flag Store und früherem Firmensitz von Hahn und Kolb, lassen die Einbrecher aus einem Baucontainer alles verschwinden, was man auf anderen Baustellen offenbar gut gebrauchen kann. Auf der Liste der Polizei stehen: eine Schmutzwasseraufbereitung, eine Vier-Kammer-Schleuse, ein Unterdruckhaltegerät, vier Bohrhämmer, ein Staubsauger, zwei Kabeltrommeln. Der Wert der Geräte wird von Experten auf 20 000 Euro geschätzt. Die Ermittlungen werden vom Feuerbacher Revier geführt, das unter 07 11 / 89 90 - 38 00 auf Hinweise hofft.

Die Polizei führt keine zentralen Ermittlungen

Baustellendiebstähle sind Reviersache. Zentrale Ermittlungen sind nicht vorgesehen, „dafür gibt es aber einen engen Informationsaustausch“, sagt Polizeisprecher Tomaszewski. Freilich: Die Täter denken nicht in Stadt- oder Landkreisgrenzen, wenn sie auf Beutetour gehen.

Beispiele aus den vergangenen Tagen, nur ein paar Kilometer entfernt im benachbarten Kreis: In Ludwigsburg-Poppenweiler wird ein Handwerker-Transporter geknackt, die Täter lassen Koffer mit Ersatzteilen für Öl- und Gasheizungen für 2500 Euro mitgehen. In Marbach werden Baumaschinen für mehrere Tausend Euro von einem Lkw gestohlen. In Remseck-Hochberg wird ein Baucontainer geplündert – der Wert der Geräte beträgt etwa 2000 Euro.

Baustellen oder Baufahrzeuge – die Spur der aktuellen Diebstähle zieht sich durch die Region. Von Sindelfingen bis Fellbach, von Ditzingen bis zur Autobahnbaustelle in Denkendorf im Kreis Esslingen. Erwischte Tatverdächtige: keine.

Milliardenaufträge: Die Bauwirtschaft boomt

Der erhöhte Bedarf an Geräten könnte mit der brummenden Baukonjunktur zusammenhängen. Der Dachverband Bauwirtschaft Baden-Württemberg spricht von „Umsätzen auf Rekordniveau“, Auftragseingänge stiegen im ersten Halbjahr auf 5,32 Milliarden Euro. „Dieser Trend hat sich im August fortgesetzt“, sagt Verbandssprecher Gregor Gierden. Inwieweit die Mitglieder zunehmend Opfer von Dieben werden, lasse sich aber nicht feststellen.

Dass Diebe oft leichtes Spiel haben, ist kein Wunder, sagt Polizeisprecher Tomaszewski: „Bei so vielen großen Baustellen, auf denen man sich untereinander kaum kennt, fallen Fremde doch gar nicht auf.“