Die Fernwärmeleitungen in der Eugen-Bolz-Straße sollen nach einer „internen Revision“ nun früher fertig sein. Foto: factum/Granville

Die Interessengemeinschaft Fernwärme wirft den Verantwortlichen bei den Stadtwerken und im Rathaus Amtsversagen vor. Dort verweist man auf zeitaufwendige Arbeitsvorgänge, gelobt Besserung und möchte die Kommunikation stärken.

Böblingen - Unfähig oder rücksichtslos oder beides auf einmal“ seien die Verantwortlichen der Stadtwerke in Böblingen und der Rathausverwaltung, wenn es um die Verlegung von Fernwärmeleitungen geht. Die Empörung bei der Interessengemeinschaft Fernwärme Böblingen (IGFW-BB) ist groß. „Die vielen Baustellen nerven Anwohner und Besucher seit mehreren Jahren. Es geht meist nur im Schneckentempo voran, falls sich überhaupt irgendetwas tut. Oft wird wochenlang nicht gearbeitet“, lautet die Kritik des Vereins. Die Stadtwerke weisen dies zurück mit dem Hinweis, die Arbeiten seien aufwendig. Und die Stadtverwaltung bittet um Verständnis, dass manche Engpässe angesichts der Hochkonjunktur im Bauwesen nicht zeitnah in den Griff zu bekommen seien.

IGFW-BB: 117 Werktage für eine 85 Meter lange Leitung

„Ein besonders krasses Beispiel“ nennt die IGFW-BB die Sperrung der Verbindungstreppe zwischen der Geleener und der Bergamastraße. Sie sei der Schulweg zur Theodor-Heuss-Werkrealschule und zum Otto-Hahn-Gymnasium, der Weg zur Haltestelle Danziger Straße der Schönbuchbahn sowie die Verbindung zum Dietrich-Bonhoeffer-Haus, dem Treff der evangelischen Kirchengemeinde. Für viele befindet sich dort auch der nächste Briefkasten. „Besonders Senioren haben unter der Sperrung gelitten“, sagt Ulrich Priebe von der IGFW-BB. Sie hätten einen langen Umweg in Kauf nehmen müssen. Die Sperrung habe wegen der Verlegung einer 85 Meter langen Fernwärmeleitung ganze 117 Werktage gedauert. Erst vor kurzem wurden die Arbeiten abschlossen.

Ähnlich lange seien auch andere Baustellen eingerichtet gewesen, klagen betroffene Bürger. „Dabei sollte man doch annehmen, dass die Stadtverwaltung unsere Interessen vertritt, für zügige Bauarbeiten sorgt und damit die Sperrung von Straßen und Wegen auf das notwendige Minimum beschränkt“, erklärt die IGFW-BB. Zudem seien die Informationen über Straßen- und Wegsperrungen seitens der Stadtverwaltung oft bruchstückhaft oder falsch. „Es wurde einmal eine fünfmonatige Sperrung als sechswöchige Baumaßnahme im Amtsblatt angekündigt.“

Arbeiten ruhen über einen längeren Zeitraum

Und mehr noch: Auf die Sperrung der Eugen-Bolz-Straße wiederum sei lediglich in Etappen hingewiesen worden, moniert die IGFW-BB. Letztendlich sei diese Straße aber seit mehr als fünf Monaten nicht durchgängig befahrbar. Und über die Sperrung der Verbindungstreppe zur Bergamastraße habe man die Bürger überhaupt nicht informiert. „Für uns ist nicht ersichtlich, dass die Stadtverwaltung ihren Auskunfts- und Aufsichtspflichten nachkommt“, moniert die IGFW-BB ungehalten und wirft den dafür Verantwortlichen Amtsversagen vor.

Die Stadtwerke zeigen für den Unmut zum Teil sogar Verständnis. Die gesperrte Verbindung zwischen der Geleener und der Bergamastraße etwa habe zweifellos zu einer Belastung der Anwohner geführt. Allerdings lasse die IGFW-BB in diesem Fall einen wesentlichen Punkt außer Acht. Für die lange Bauzeit habe es diverse Gründe gegeben. „Unter anderem ruhten die Arbeiten über einen längeren Zeitraum, weil wir mit der Stadt eine Bitte des Bonhoefferhauses geprüft haben, ob die Treppenanlage barrierefrei gebaut werden kann“, teilen die Stadtwerke mit. Diese Unterbrechung habe dazu geführt, „dass alle folgenden Bauphasen neu geplant werden mussten“. Gerade in den Sommermonaten sei es überdies mit den beauftragten Spezialfirmen schwierig gewesen, sodass sich die Bauarbeiten verzögert hätten.

Bau stellt sich schwieriger dar als vorhergesehen

Hinzu gekommen seien dann auch Arbeiten an Stromanschlüssen durch die Netze BW. „Die Bauplanung und -leitung lag nicht allein in unseren Händen“, erklärt die Stadtwerkesprecherin Martina Mayer. Zudem habe sich die Baumaßnahme komplexer dargestellt als ursprünglich vorgesehen: „Die Fernwärmeleitung musste tiefergelegt werden, um eine mögliche barrierefreie Gestaltung der Treppe zu einem späteren Zeitpunkt zu vereinfachen.“

Diese Erfahrungen sollten bei künftigen Baumaßnahmen berücksichtigt werden, versprechen die Stadtwerke. Die Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen und den Gremien solle verbessert werden.

Auch in der Eugen-Bolz-Straße seien umfangreiche Arbeiten nötig, begründen die Stadtwerke den zeitlichen Aufwand. Neben Anschlüssen zwischen dem Heizwerk Grund der Wilhelm-Maybach-Straße, es geht um eine Länge von 750 Metern, müssten unter anderem alte Trinkwasserleitungen ausgetauscht und Tiefbaumaßnahmen durchgeführt werden. Dort wollen sich die Stadtwerke nun beeilen. Ursprünglich sollte ein Jahr lang gebuddelt und gebaut werden. Nun wollen die Planer, – nach einer „internen Revision“, wie es heißt – rund fünf Monate früher fertig sein. Nämlich Mitte November. Die IGFW-BB nimmt das erfreut zur Kenntnis. „Unsere Kritik zielt hauptsächlich darauf ab, dass sich grundsätzlich etwas ändert“, sagt Priebe. Auch die Stadt ist daran interessiert.

Baustellenmanagerin soll die Kommunikation verbessern

Seit August soll eine Baustellenmanagerin dafür sorgen, dass es rascher vorangeht – und vor allem, dass die Bürger besser informiert werden. „Sie hat mit den Stadtwerken erste Absprachen getroffen, auch was die kommunikativen Abläufe betrifft“, teilt die Stadt mit. Der Service der Öffentlichkeitsarbeit lebe schließlich von den Informationen der jeweiligen Bauträger. „Wenn jedoch Störungen im Bauablauf eintreten, wenn es am Personal oder an Maschinen fehlt, ist es oft nur schwer möglich, umzudisponieren oder sie zusätzlich zu ordern“, erklärt der Stadtsprecher Wolfgang Pfeiffer. Oft bleibe der Stadt deshalb meist nicht viel anderes übrig als längere Bauzeiten zähneknirschend hinzunehmen.

Modernisierung des Fernwärmenetzes kostet Millionen

Interessengemeinschaft: 
Der Verein Interessengemeinschaft Fernwärme Böblingen (IGFW-BB) entstand im vergangenen Jahr aus einer Bürgerinitiative, die in Böblingen seit 2006 aktiv war. Ihm gehören mehr als 300 Mitglieder an. Der Verein wurde wegen der Preiserhöhungen der Stadtwerke gegründet, die seit dem Jahr 2015 durchschnittlich pro Haushalt 45 Prozent betragen. 1500 Bürger haben mit Unterschriften dagegen protestiert. Inzwischen ist die Kartellbehörde eingeschaltet, die die Preisgestaltung prüft.

Leitungsnetz: 
Die IGFW-BB ist der Auffassung, dass mehr in die Erweiterung des Netzes als in die Sanierung der Rohre investiert werde. Die Gesamtkosten müssten die derzeit 8500 Haushalte bezahlen. Das akzeptiert die IGFW-BB nicht. Die Stadtwerke gaben bekannt, dass in die „Modernisierung“ in den nächsten 20 Jahren 50 Millionen Euro investiert werden müssten. Allein im vergangenen Jahr wurde in neue Anlagen und in Fernwärmerohre sechs Millionen Euro gesteckt.