Manche Passanten halten sich in der Schulstraße wegen des Lärms die Ohren zu. Foto: Martin Haar

Die Baustelle Karstadt in der Schul- und Königstraße belastet Passanten und Läden extrem. Angestellte in der Nachbarschaft sprechen von unerträglicher Situation. Der Bauherr muss nun lärmmindernde Maßnahmen ergreifen.

Stuttgart - Das helle Kreischen der Maschine ist unerträglich. Passanten halten dieses Geräusch nicht aus. Sie fassen sich an beide Ohren, stecken die Finger rein und gehen so forschen Schrittes die ganze Schulstraße abwärts Richtung Marktplatz. Erst dort lösen sie den Druck der Finger von den Ohren, erst dort verhallt der Baulärm.

„Es ist nicht auszuhalten“, bestätigt eine Verkäuferin der Bäckerei Katz, deren Arbeitsplatz direkt an die Baustelle angrenzt. Seit Anfang des Jahres wird hier das Gebäude des früheren Kaufhauses Karstadt für Primark und Co. umgebaut. Besser gesagt: das Haus wird komplett ausgebeint.

Die Belastungen tragen Passanten, Kunden und die Mitarbeiter der Läden, die sich im Umkreis der Baustelle auf der oberen Königstraße befinden. Wie zum Beispiel die Bäckerei Katz. „Manchmal verstehen wir uns untereinander oder auch die Kunden nicht mehr, so laut ist es hier“, klagt die Bäckereifachverkäuferin, „aber auch die Leute in unserem Café können sich nur noch schwer unterhalten. Wir beklagen deshalb Umsatzrückgänge.“ Gleiches Bild bei den anderen Ladenmietern an der oberen Königstraße oder der Schulstraße. Sie alle beklagen Lärm, Dreck und Staub, den die Baustelle verursacht. Und alle fühlen sich von der Stadt im Stich gelassen. „Uns wurde gesagt, da kann man sowieso nichts machen“, sagt die Dame vom Bäcker achselzuckend.

Stadt macht Auflagen

Die Stadt widerspricht: „Bei Lärmbelästigungen durch Baustellen ist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm maßgebend“, so ein Sprecher der Stadt, „diese gibt Lärmrichtwerte vor, die je nach bauplanungsrechtlicher Gebietsausweisung unterschiedlich sind.“ Das besagte Grundstück an der Schulstraße 18 sei als Kerngebiet ausgewiesen, so dass tagsüber ein Immissionsrichtwert von 65 dB (A) einzuhalten ist. „Bei Beschwerden wegen Baustellenlärm wird die Baustelle vom Amt für Umweltschutz, Abteilung Gewerbeaufsicht, überprüft“, so der Sprecher der Stadt, „die Baustelle Karstadt wurde am 22. September überprüft.“

Eine andere Messung vor der Bäckerei Katz, an der Stelle des ehemaligen Kiosks, am Nachmittag des 22. September hat jedoch ein anderes Ergebnis erbracht. Ein Messergebnis, das jenseits des Immissionsrichtwerts von 65 dB (A) liegt. Die Messung ergab stattdessen einen Durchschnittswert von 91 dB (A) und einen Spitzenwert von 98 dB (A). Wohlgemerkt, die Messungen wurden laienhaft mit einem Smartphone ausgeführt. Diese Art der Messung gilt in Fachkreisen nur als einigermaßen verlässlich. Gleichwohl gibt sie einen Richtwert, der auch das subjektive Empfinden der Menschen in der unmittelbaren Nähe der Lärmquelle widerspiegelt.

Der neue Lärmschutzbeauftragte des Landes, Thomas Marwein (Grüne), sagt dazu: „Natürlich gibt es bei solchen Messungen mit dem Smartphone Abweichungen, aber ich habe keine Zweifel daran, dass die Größenordnung in der Spitze ungefähr so hinkommt.“ Das Problem sei eher, dass von Behörden Mittelwertpegel als Maßstab herangenommen würden, „die dem Ohr relativ wenig bringen“. Bedeutet: der Mensch empfindet den Lärm konkret, ungefiltert und in der Spitze, nicht als Mittelwert.

Lärmschutzbeauftragter leidet mit

Marwein kann sich daher gut vorstellen, dass Baumaschinen bei einem Umbau derart laut sind. Tatsächlich ist die Lärmquelle laut Auskunft des verantwortlichen Projektleiters der Baufirma Ed. Züblin in Stuttgart bekannt: „Es werden derzeit lärmintensive Tätigkeiten wie Hochdruckwasserstrahlarbeiten durchgeführt. Zudem werden Durchbrüche in Betondecken durch Stemmarbeiten mit maschinellen Meißeln hergestellt.“

Von der Stadt wurde der Projektleiter des Rohbaus nun aufgefordert, „lärmmindernde Maßnahmen, wie zum Beispiel eine Einhausung der Maschinen und Geräte, die Errichtung von immissionsmindernden Abschirmungen in den Stockwerken und direkte Kapselungen der Emissionsorte, umzusetzen.“ Weiter fordert die Stadt: „Parallel zum Baufortschritt soll die Projektleitung überprüfen, wo weniger lärmintensive Verfahren eingesetzt werden können.“ Angeblich sei dies durch die Projektleitung zugesichert worden. Die Abteilung Gewerbeaufsicht der Stadt Stuttgart versichert zudem die Baustelle bis zum voraussichtlichen Ende im Herbst 2017 weiter zu kontrollieren.

„Mehr wird man wahrscheinlich nicht machen können“, sagt der Lärmschutzbeauftragte Marwein mit einem Unterton des Bedauerns. Er klingt fast so, als leide er mit den Menschen in der Schulstraße mit. „Das einzige, das ich diesem Fall vorschlagen kann, ist der Dialog. Der Bauherr wäre aus meiner Sicht gut beraten, wenn er auf die lärmgeschädigten Menschen zugeht.“ Vielleicht könne man so gegenseitiges Verständnis schaffen – zum Beispiel bei einem gemeinsamen Fest .