Viele Familien träumen von den eigenen vier Wänden - mit Bauspardarlehen wird es schwierig Foto: KfW

Immer mehr Bausparkassen kündigen gut verzinste Altverträge. Die Branche rechtfertigt das als eine Art Notwehr gegen die von der Europäischen Zentralbank verordneten Minizinsen. Den Instituten brechen dadurch die Erträge weg. Die Politik soll helfen.

Stuttgart - Nach außen hin verbreiten die Chefs der Bausparkassen immer noch Optimismus. Bausparen ist zukunftsfähig, geben sich die Vertreter der Branche überzeugt – auch in Zeiten extrem niedriger Zinsen. Mit einem Bausparvertrag sichern sich Kunden, die in fünf bis acht Jahren bauen wollen, jetzt die günstigen Zinsen. Das kommt an. Pro Arbeitstag werden hierzulande über 13 000 Verträge verkauft.

Nicht in dieses Bild passt, dass sich gleichzeitig immer mehr Bausparkassen von Kunden trennen, die noch auf vergleichsweise gut verzinsten Altverträgen sitzen und diese weiter besparen, statt das Darlehen abzurufen. Doch in Zeiten des Anlagenotstands, in denen sich die Zinsen für Tages- oder Festgeld Richtung null bewegen, wirken die 2,5 oder 3,5 Prozent – manchmal sogar noch mehr – für einen Bausparvertrag wie Leuchttürme.

Für die Branche entwickeln sich die sparfreudigen Kunden mehr und mehr zu einem Problem. Denn die vielen Einzahlungen auf gut verzinste Verträge können die Institute selbst nur zu geringeren Zinsen wieder anlegen. Die Anlagevorschriften sind sehr streng und sehen nur sichere Anlageformen vor, die eben kaum Rendite abwerfen. Gleichzeitig entgehen den Instituten die Darlehenszinsen aus den Altverträgen, weil diese nicht mehr konkurrenzfähig sind. Die Bausparer verzichten und nehmen lieber einen ganz normales Hypothekendarlehen auf, das es derzeit zu historisch niedrigen Zinsen gibt.

Sind die Branchenvertreter unter sich, klingt der Ernst der Lage durchaus an. „Das Niedrigzinsniveau frisst sich Schritt für Schritt in die Bilanzen. Bei Banken, bei Versicherungen, bei Pensionskassen. Bausparkassen bilden da leider keine Ausnahme,“ sagt Andreas Zehnder, Vorstandsvorsitzender des Verbands der privaten Bausparkassen, unlängst in Frankfurt. „Auch wir spüren einen wachsenden Druck auf die Erträge.“

Manchmal fallen noch deutlichere Worte. „Wenn die Niedrigzinsphase anhält, wird es Institute geben, die unter Druck kommen“, sagt ein Branchenkenner, der nicht genannt werden möchte. „Die Bausparkassen können gar nicht so schnell gegensteuern, wie ihnen Erträge wegbrechen."

Die Bausparinstitute müssen angesichts der politisch gewollten Niedrigzinsen handeln, „damit das System auch morgen und übermorgen noch funktioniert“, heißt es in der Branche. Dies geschieht vor allem auf zwei Wegen: Ein Institut nach dem anderen stellt seine Bauspartarife um. Gleichzeitig führen die Institute immer neue Gründe an, um Kunden zu kündigen und sich so von den Altverträgen zu befreien.Die neuen Tarife passen zum gegenwärtigen Mini-Zinsniveau. Ein klassischer Bausparvertrag verzinst die Guthaben heute nur noch zwischen 0,25 und 1,0 Prozent. Dafür gebe es auch die niedrigsten Darlehenszinsen aller Zeiten, betont Zehnder. Doch der Verbandsvorsitzende weiß, dass neue Tarife allein nicht reichen: „Die Bausparkassen kommen nicht um unpopuläre Maßnahmen herum.“ Gemeint sind Vertragskündigungen.

Jüngst wurde bekannt, dass die LBS Bayern 26 000 Altverträge kündigt, deren Guthaben zum Teil noch mit 3,5 Prozent verzinst werden. Betroffen sind Verträge, die seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreif sind. Soll heißen: die Kunden waren seit zehn Jahren berechtigt, das Darlehen in Anspruch zu nehmen, haben aber keinen Gebrauch davon gemacht. Die LBS West will auch solche Verträge kündigen, die LBS Nord tut dies schon länger, und bei der LBS Baden-Württemberg räumt die Sprecherin gegenüber unserer Zeitung ein: „Wir werden nicht umhinkommen, auch Verträge zu kündigen, die seit zehn Jahren oder mehr zuteilungsreif sind.“

Nicht nur die Bausparkassen der Sparkassen, auch private Institute greifen zu diesem Mittel. „Über kurz oder lang werden alle Bausparkassen Verträge kündigen, wenn seit der Zuteilung zehn Jahre vergangen sind“, heißt es in der Branche. Die Kassen berufen sich dabei auf das Bürgerliche Gesetzbuch, das einem Darlehensnehmer erstmals nach zehn Jahren ein Kündigungsrecht einräumt. Die Spareinlagen der Kunden werden als Darlehen an die Bank betrachtet. Die Verbraucherschützer halten diese Sicht für nicht zulässig. „Solange der Bundesgerichtshof für diese Praxis kein grünes Licht gegeben hat, handeln die Bausparkassen in einer Grauzone“, sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Die Bausparkassen verteidigen ihr Vorgehen als eine Art Notwehr gegenüber den von der EZB verordneten Minizinsen. Wie ernst die Lage ist, zeigen Überlegungen in der Branche, die Politik zu Hilfe zu rufen. Diese soll die umstrittene Kündigung von zuteilungsreifen Verträgen im Bausparkassengesetz erlauben. Aus dem Bundesfinanzministerium ist zu hören, es gebe diesbezüglich zurzeit keine konkrete Planung, das Bausparkassengesetz zu ändern. Was kein Widerspruch ist. Denn so weit ist das Vorhaben noch nicht, doch die Stoßrichtung ist klar. „Wenn die ersten Institute die Zinszahlungen nicht mehr stemmen können, greift der Gesetzgeber vielleicht ein wie bei den Lebensversicherern“, drückt ein Branchenkenner die Hoffnung aus. Bei den Versicherern, die ebenfalls durch die Niedrigzinsen stark unter Druck gerieten, hat der Gesetzgeber in einem Reformgesetz die Ausschüttung der Bewertungsreserven neu geregelt.

Ganz so schlimm stuft der Hohenheimer Bankenprofessor Hans-Peter Burghof die Lage bei den Bausparkassen noch nicht ein. Die Bausparkassen hätten größere Reservepuffer als die Lebensversicherer, weil sie nicht so lange Verpflichtungen eingingen. Doch auch Burghof sieht die Situation kritisch. Verträge mit 3,5 Prozent Zinsen „sind Bomben“, sagt er, die würden jedes Unternehmen an den Rand des Ruins bringen. Niemand könne erwarten, dass er eine Zinsbindung bis ans Ende aller Tage habe. Die schwierige Lage der Bausparkassen sei nicht auf ökonomisches Versagen zurückzuführen, betont Burghof. „Die Probleme kommen durch die Politik der Europäischen Zentralbank, die die Zinsen künstlich unten hält.“