Der Bauskandal von Zazenhausen ist noch lange nicht ausgestanden: Die Bauherren, die vom Bauträger hintergangen worden sind, kämpfen um ihr Geld.
Stuttgart - Mehrere Häuslebauer sind 2012 in Zazenhausen Opfer eines Bauskandals geworden. Jetzt hoffen sie, ihre Mehrkosten über Schadenersatzansprüche decken zu können, und sehen die Stadt Stuttgart in der Pflicht. Gern würden sie vor Gericht um ihr Recht kämpfen, scheuen jedoch die Kosten.
Seit Spätsommer 2012 hängt in Zazenhausen der Haussegen schief. Die Bauherren von 25 Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften waren damit konfrontiert, dass ihre Häuser auf den ehemals städtischen Grundstücken zu hoch, zu groß und ohne Baufreigabe gebaut worden waren.
Allem Anschein nach waren die Bauherren von den Bauplanern, der Firma PP Bauconsulting GmbH, falsch beraten worden. 2013 ging die Firma in die Insolvenz. Die geschädigten Familien aus dem Bittenfelder Weg Süd und Rosenapfelweg Süd haben Strafanzeige gegen alle Beteiligten gestellt, Rechtsanwalt Thomas Fuhrmann zeigte den Fall an. Die Staatsanwaltschaft hat nach Auskunft ihrer Sprecherin die Ermittlungen wegen Betrugsverdachts aufgenommen, aber noch nicht abgeschlossen. Der damalige Geschäftsführer der PP Bauconsulting, Herr S., bezeichnete die erhobenen Vorwürfe von Anfang an als„nicht richtig“, eine aktuelle Anfrage blieb unbeantwortet.
Für die betroffenen Familien hat der Schrecken trotzdem noch kein Ende. Die Stadt hatte am 21. September 2012 einen Baustopp erlassen, später dann bei einigen eingelenkt und Befreiungen von den baurechtlichen Vorgaben erteilt. Bei zwei Bauherren blieb die Stadt hart und forderte den Rückbau der Häuser um 80 Zentimeter. „Ist es gerecht, uns Bauherren für die Pfuschereien zu bestrafen? Wir sind Opfer von kriminellen Machenschaften und durch diese Schäden schon mehr als genug gestraft“, schreiben die Betroffenen.
Fuhrmann, der bei der aktuellen Gemeinderatswahl für die CDU kandidiert, hat es ehrenamtlich übernommen, die Argumente und Forderungen schriftlich zu gliedern. Seiner Darstellung nach ist die Stadt vor zweieinhalb Jahren nicht nur als Verkäufer der Grundstücke aufgetreten, sondern „verfolgte auch hoheitliche Ziele“. Dies ergebe sich aus den Kaufverträgen. Darin sei eine „Bauverpflichtung mit der PP Bauconsulting GmbH und dem ,Architekt‘ S.“ fixiert. Thomas Fuhrmann sieht darin einen Verstoß der Kommune gegen das Verbot, in notariellen Verträgen den Grundstückskauf an einen bestimmten Architekten oder eine Baufirma zu binden.
Auch habe die Stadt ihre Fürsorgepflicht verletzt, weil „weder eine Liquiditätsprüfung der PP Bauconsulting GmbH noch eine Abfrage bei der Architektenkammer“ erfolgt sei. Der Rechtsanwalt kommt zu folgendem Schluss: „Die Stadt ist im Rahmen der Amtshaftung zum Ersatz des den Bauherren entstandenen Schadens verpflichtet“, außerdem sei der Rückbau von Balkonen „wirtschaftlich unverhältnismäßig“.
Eine Amtshaftungsklage, so Fuhrmann, sei eine schwierige, langwierige Sache, „das stehen die Familien finanziell nicht durch“. „Wir bräuchten dringend einen kompetenten Anwalt, der sich der Sache pro bono annimmt“, erklären die Betroffenen.
Schäden sind den Bauherren in beträchtlicher Höhe entstanden: Für die Änderungen an den Rohbauten waren neue Pläne nötig, die Familie M. beispielsweise musste das Untergeschoss abreißen und eine neue Bodenplatte setzen lassen. „Alles zusammen hat das allein unsere Familie 150 000 Euro mehr als geplant gekostet“, sagt Frau M. In einem Brief schreiben die Betroffenen: „Wir sind alle am Ende!“
Der Brief ist an die Fraktionen der CDU, der FDP und der Freien Wähler gerichtet. Darin bitten die Betroffenen um kommunalpolitische Unterstützung. Stadtrat Jürgen Zeeb (Freie Wähler) hat das Ansinnen der Betroffenen „leicht irritiert“, zumal man ja schon vor längerer Zeit zu einem Konsens gekommen sei. Weder könne der Gemeinderat das Baurecht beugen noch mit einer finanziellen Unterstützung einen Präzedenzfall schaffen – „auch wenn es allgemein nicht üblich ist, dass Grundstücksverkäufe mit einem Bauunternehmen gekoppelt sind“. Die Antwort ging bereits schriftlich an Familie M.
„Entscheidend ist, was rechtens ist“, meint auch Alexander Kotz (CDU). Es sei unangebracht, „jedem 100 000 Euro in die Hand zu drücken“, den Rechtsweg hält er hingegen für angebracht: „Das ist nicht mehr die Ebene der Politik.“ Bernd Klingler (FDP) hält es für möglich, dass die Stadt „eine für die Leute sinnvolle Lösung findet“.
Da bei der Stadt noch keine Schadenersatzklage eingegangen sei, könne sie keine Stellung dazu nehmen, sagt Pressesprecher Fabian Schlabach. „Wir müssen zunächst einen Schriftsatz sehen.“ In einem Antwortbrief an die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Maag betonte Oberbürgermeister Fritz Kuhn am 3. Februar 2014: „Ein Verschulden der Stadt an den den Bauherren entstandenen Schäden ist nicht zu erkennen.“ Für die Verwaltung sei „nicht zu erkennen gewesen“, dass es sich „bei PP Bauconsulting um einen Bauträger mit unlauteren Absichten handeln könnte“. Auch habe es vonseiten der Stadt „keine vertragliche Verpflichtung der Bauherren gegeben, mit der PP Bauconsulting beziehungsweise Herrn S. Verträge abzuschließen“.
Karin Maag hält die Stellungnahme stellenweise für widersprüchlich. Deswegen „und aus der Vorgeschichte heraus sollte man nicht auf den Rückbau der Balkone bestehen. Man sollte die Leute nicht doppelt und dreifach bestrafen für etwas, wofür sie nichts können“, sagt sie.