Mittlerweile leben wieder 1800 bis 2500 Biber in Baden-Württemberg Foto: dpa

Die Landesregierung kämpft für die Rückkehr des Nagetiers. Für Schäden durch das Tier will sie aber nicht aufkommen.

Stuttgart - Der Biber galt im Südwesten jahrzehntelang als ausgestorben. Doch an vielen Flüssen gibt es die Nager inzwischen wieder. Ihre Zahl wird auf 1800 bis 2500 geschätzt. In ausgewiesenen Naturschutzgebieten bereitet das Freude, weil die Biber anderen Tieren mit ihren Dämmen und Stauseen Lebensräume schaffen. Doch die Biber haben sich längst auch auf bewirtschafteten Flächen und in Stadtparks ausgebreitet. Das sorgt bei den betroffenen Menschen für Unmut, weil die Biber Äcker und Wiesen überfluten und Wege untergraben.

So zum Beispiel in Ulm. Dort ist die Zukunft des beliebten Stadtparks Friedrichsau ungewiss, seit sich dort eine sechsköpfige Biberfamilie angesiedelt hat und regelmäßig Bäume fällt und Wege unterhöhlt. Ungefähr 130 zum Teil sehr alte Bäume hat der Biber schon gefällt und mehrere bei Spaziergängern beliebte Wege unbegehbar gemacht. „Einen Weg mussten wir zweimal sperren, weil sich da ein richtiges Loch aufgetan hat“, sagt Thomas Brandl von der Abteilung Grünflächen bei der Stadt Ulm.

30 Bäume umgenagt

Die unterirdischen Gänge des Bibers sind nicht nur für Fußgänger, sondern vor allem für Fahrzeuge ein Problem. Davon kann Georg Ziesel ein Lied singen. Der 56-jährige Landwirt aus Berkheim (Kreis Biberach) besitzt ein Grundstück entlang eines schmalen Kanals. Jedes Mal, wenn er mit seinem Traktor in Ufernähe unterwegs ist, hofft er, nicht einzubrechen. „Wenn das Erdreich nachgibt, liege ich mitsamt Trekker im Wasser“, sagt Ziesel. Seit etwa fünf Jahren wohnt der Biber im Kanal neben Bauer Ziesels Grundstück und macht dem Landwirt das Leben schwer. „Ich habe wegen dem Biber etwa 10 000 Euro verloren“, sagt er. Ziesel hatte entlang des Kanals vor ungefähr 15 Jahren Apfel- und Birnenbäume gepflanzt. „Damals hat noch niemand vom Biber geredet“, sagt er. Nun hat der Nager 30 von einstmals 50 Bäumen zum Umstürzen gebracht. Auch im angrenzenden Acker, in dem der Bauer Mais und anderes Getreide anbaut, hat der Biber schon große Schäden angerichtet. Entschädigung hat Bauer Ziesel keine bekommen.

Das ist in Baden-Württemberg im Gegensatz zu Bayern auch nicht vorgesehen. Es ist nicht einmal bekannt, wie hoch die Zahl der Schadensfälle wegen des Bibers im Land ist.

Deswegen fordert der CDU-Landtagsabgeordnete Klaus Burger immer wieder die Einrichtung eines Fonds, aus dem die Betroffenen entschädigt werden könnten. Doch die Landesregierung blockt ab mit dem Argument, dass der Biber in Baden-Württemberg nicht wie in Bayern mit staatlicher Unterstützung angesiedelt wurde, sondern freiwillig zugewandert ist. Eine private Versicherung gegen die Biberschäden gibt es aber auch nicht.

Seit etwa 20 Jahren kommen die Biber nach Baden-Württemberg. Vor allem entlang der Donau, der Iller, des Hochrheins und der Tauber haben sie sich ausgebreitet. Die Tiere kommen teils aus der Schweiz, aber vor allem aus Bayern. Dort hatte man die Biber in den sechziger Jahren erfolgreich ausgewildert. 60 Paare waren damals am unteren Inn ausgesetzt worden. Weil der Biber jedes Jahr Junge bekommt und nur jeweils zwei Generationen Junge in seinem Bau duldet, müssen die Jungbiber im dritten Jahr ein eigenes Revier finden.

Erste Ansiedlungen auch am Neckar

Die Gewässer rund um die Landeshauptstadt, Neckar, Rems und Enz, sind bisher weitestgehend Biber-frei, doch das könnte sich bald ändern, meint Rainer Allgöwer, der Biberbeauftragte des Regierungspräsidiums Stuttgart. Am oberen Neckar haben sich schon die ersten Tiere angesiedelt.

Um Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, setzt man in Baden-Württemberg auf Prävention, wie Allgöwer betont. „Wir haben verlernt, mit dem Biber zu leben, jetzt müssen wir uns das mühsam wieder aneignen“, sagt er. Ein Biberbeauftragter pro Regierungspräsidium und etwa 70 ehrenamtliche Berater sollen den Landwirten Tipps geben, wie sie sich vor Schäden schützen können – und was sie mit Rücksicht auf den Artenschutz nicht dürfen.

Allgöwer sieht das Problem vor allem darin, dass der gesetzlich vorgeschriebene Gewässerrandstreifen von den Landwirten oftmals nicht eingehalten wird. Auf einer Breite von zehn Metern von der Uferböschung soll demnach keine Landwirtschaft betrieben werden. „Das ist auch der Bereich, in dem 90 Prozent der Biberaktivitäten stattfinden“, sagt Allgöwer.

Gesetzlich ist aber auch vorgesehen, dass die Landwirte für den Verlust von Anbaufläche wegen der Einhaltung des Gewässerrandstreifens entschädigt werden sollen – doch das stellt sich im Einzelfall als nicht immer einfach dar.

Auch Bauer Ziesel hatte man von der Kommune aus angeboten, einen zehn Meter breiten Streifen am Ufer abzukaufen. Aber das war keine Option für den Landwirt. „Ich hätte der Stadt ein Durchfahrtsrecht über meinen Acker gewähren müssen und damit wertvollen Ackerboden verloren“, sagt er. Nur am Stück und im Tausch gegen ein gleichwertiges Grundstück hätte er sein Land abgegeben. Das aber wollte die Kommune nicht.

Also ist Ziesel weiter auf sich allein gestellt. Und er will nicht einsehen, wieso der Biber Vorrang haben soll. Der Kanal, der an sein Grundstück grenzt, sei schließlich ein künstliches Gewässer. „Das ist doch kein natürlicher Lebensraum für einen Biber“, sagt er. Doch den Biber zu verjagen oder gar zu töten, kommt für die Behörden in Baden-Württemberg, anders als in Bayern, nicht in Betracht.

„Der Biber ist durch eine EU-Richtlinie europaweit stark geschützt, er kann deswegen nicht ins Jagdrecht übernommen werden“, sagt Oswald Jäger, der Artenschutzreferent des Regierungspräsidiums Stuttgart. Dass man in Bayern auch ohne Jagdrecht den einen oder anderen Biber zur Strecke bringt, weiß Jäger auch. „Aber dafür haben wir in Baden-Württemberg noch zu wenig Erfahrung mit dem Tier und zahlenmäßig zu wenige Exemplare.“

Dass der Biber ein nützliches Tier ist und in Baden-Württemberg heimisch war, weiß auch Bauer Ziesel. „Aber wenn es ein gesamtgesellschaftlicher Wunsch ist, dass der Biber bei uns wieder heimisch wird, dann muss auch die gesamte Gesellschaft für die Kosten aufkommen“, sagt er.