Der Bestand in der Ludwigsburger Marienwahl wird kontrolliert. Foto: factum/Weise

Bäume gelten vielen als Retter in der Klimanot: In Ludwigsburg überbieten sich Umweltinitiativen und Kommunalpolitiker mit immer neuen Forderungen nach weiteren Pflanzaktionen. Doch ist das auch sinnvoll?

Ludwigsburg - Bäume haben Konjunktur in Ludwigsburg: Die einen wollen mehr von ihnen, die anderen wollen sie weg haben. Die einen argumentieren mit Naherholung und Klimaschutz, die anderen mit Bauprojekten und Wirtschaftswachstum. Nicht selten sitzen die für das Baummanagement zuständigen Mitarbeiter des Fachbereichs Tiefbau und Grünflächen deshalb zwischen Baum und Borke. Zurzeit hegen und pflegen sie einen Bestand von gut 29 000 Bäumen. Reicht das für eine Stadt wie Ludwigsburg?

Angst vor schweren Dürreschäden

„Natürlich könnten es mehr sein“, sagt Ulrike Schmidtgen, die Leiterin des Grünflächenamtes. Die Ludwigsburger Markung umfasst 4335 Hektar, davon sind 74 Hektar Grünfläche. Im Großen und Ganzen sei das ein gutes Pfund, mit dem man wuchern könne, meint Schmidtgen. Für großen Ärger sorgten jedoch immer wieder Autofahrer, die beim Parken ohne Rücksicht über Wurzelbereiche führen, oder unsensible Bauarbeiter, die ganze Äste abrasierten. „Wenn das nicht gemeldet wird, setzen sich da Pilze an“, sagt Schmidtgen. Werde der Schaden zu spät entdeckt, sterbe der Baum.

Demnächst könnte es noch weitere böse Überraschungen geben, meint der Fachbereichsmitarbeiter Michael Kamps, zu dessen Aufgaben die regelmäßige, jährliche Kontrolle der Bäume auf mögliche Schäden und Standfestigkeit gehört: Die Dürre des vergangenen Sommers habe den Pflanzen arg zugesetzt. „Die Folgen davon zeigen sich erst im Frühjahr, wenn die Bäume austreiben – oder eben nicht.“ Vergangene Woche war Kamps gemeinsam mit dem Baumgutachter Reiner Katzmaier an der Marienwahl unterwegs, um das Baumkataster auf den neuesten Stand zu bringen.

Leitungen kollidieren mit Wurzeln

Zuletzt hatten sich Stadträte von FDP und Grünen mit Forderungen nach Baumpflanzaktionen überboten. Die einen wollten 1000 Bäume in zehn Jahren pflanzen, die anderen gar 5000. Ulrike Schmidtgen verweist diese populistischen Forderungen ins Reich der Märchen: „Das wäre vielleicht wünschenswert, aber ich habe schlicht nicht den nötigen Platz dafür.“

Es werde viel gebaut, jeden Tag werde mehr von der ohnehin knappen Ludwigsburger Markung versiegelt: „Überall liegen Leitungen in den Straßen.“ Hier werde der Breitbandausbau vorangetrieben, dort eine neue Fernwärmeleitung gelegt. Jetzt komme noch eine Trasse für die geplanten BRT-Busse hinzu: „Ich kann die Abstände nicht einhalten“, sagt die Amtsleiterin. „Und es ist unsinnig, Bäume an Stellen zu pflanzen, an denen sie keine zwei Jahre überleben.“

Mehr Ahorn als Kastanie

Dabei versuchen die Experten den Pflanzen inzwischen – wenn schon oben nichts mehr geht – wenigstens einen halben Meter unter dem Straßenniveau mehr Raum zu schaffen: Ein Baum benötigt etwa 30 Kubikmeter Erde, um richtig gedeihen zu können. Von den exakt 29 152 amtlich erfassten Bäumen stehen 13 042 am Straßenrand, in Grünanlagen 5212. Mehr als 3000 wachsen auf Friedhöfen und mehr als 2000 auf Spielplätzen. 29 Prozent sind älter als 50 Jahre. Spitzenreiter ist übrigens nicht die Kastanie, sondern der Ahorn.

Er arbeite lieber in einer Anlage, sagt der Gutachter Reiner Katzmaier während der Kontrollen an der Marienwahl. „Lieber als dort drüben“, sagt er und deutet auf die nahe Heilbronner Straße. Aber selbst im Park sei/ Vorsicht geboten: Stichwort Hundekot. Zu Kontrollzwecken müsse er auch den Wurzelbereich freilegen, sagt Katzmaier, der vor allem Innenstadtbäume begutachtet: „Das kann sehr unschön sein.“

Bequemlichkeit geht über alles

Nach Ansicht von Ulrike Schmidtgen gehört das alles zum gleichen Thema: Ob rücksichtsloses Einparken, gestreutes Salz oder Hundekot – alles schädige die Bäume massiv. „Es ist eben kaum jemand bereit, die eigene Bequemlichkeit zurückzustellen.“ Mindestens so wichtig wie neue Bäume anzupflanzen, wäre es, die vorhandenen gut zu behandeln. Zumal die Klimabilanz bei alten Bäumen um ein Vielfaches besser sei als bei Jungpflanzen.