Das Fahrradparkhaus am Fellbacher Bahnhof ist nicht übersehbar. Bevor es in Betrieb gehen kann Foto: Dirk Herrmann

Fürs Fahrradparkhaus am Bahnhof muss Fellbach noch tiefer in die Tasche greifen. Jeder der 76 Abstellplätze mit Paternoster-Technik schlägt mit 15 000 Euro zu Buche.

Fellbach - Die schier unendliche Geschichte des Fahrradparkhauses am Fellbacher Bahnhof erhält noch vor der Eröffnung ein weiteres Kapitel. Denn mit dem bisher geplanten und schon einmal aufgestockten Kostenrahmen für das nahverkehrstechnische Prestigeprojekt kommt die Stadt Fellbach erneut nicht aus. Nachdem die Bürgervertreter vor knapp einem Jahr einen Nachschlag von exakt 50 000 Euro für einen digitalen Zugang zum Bike-Tower bewilligt hatten, sollen sie jetzt noch einmal 195 000 Euro zusätzlich genehmigen. Deshalb steht das von monatelangen Baustopps begleitete Vorhaben an diesem Dienstag erneut auf der Tagesordnung des Gemeinderats. Fellbachs Baudezernentin Beatrice Soltys könnte in der Sitzung wiederholen, was sie bereits im Januar zu Protokoll gegeben hat: „Wir haben gemerkt, dass der Teufel im Detail steckt. Es ist zwar nur ein kleines Projekt, macht aber ganz schön Arbeit“, sagte die Bürgermeisterin damals.

Erst die Mehrwertsteuer nicht kalkuliert, dann das Baugerüst vergessen

Von „klein“ freilich kann beim Bike-Tower am Bahnhof nicht nur wegen der 16 Meter hohen Konstruktion keine Rede sein. Auch die Kosten für den Fahrrad-Abstellplatz liegen in einer beachtlichen Dimension. Ursprünglich war die Drahtesel-Herberge in verkehrsgünstiger Lage mit 912 000 Euro berechnet worden. Weil in der Kalkulation aus dem Rathaus aber die Mehrwertsteuer fehlte, war schon mit dem Baustart klar, dass das Projekt die Millionengrenze sprengen wird.

Nicht berücksichtigt wurde bei der Planung außerdem, dass für die Montage der Gondeln in luftiger Höhe auch ein Gerüst nötig wurde – allein der Absturzschutz für Schlosser und Fassadenbauer schlägt jetzt mit 30 000 Euro zu Buche. Die Kosten für Ampeln und Verkehrssicherung sowie für die Außenanlagen haben ähnlich hohe Summen verschlungen. Da mit den Baukosten auch die Planungshonorare steigen und für einen nutzerfreundlichen Zugang über die Polygo-Card des Verkehrsverbunds Stuttgart erst noch eine App entwickelt werden musste, belaufen sich die Gesamtkosten mittlerweile auf fast 1,2 Millionen Euro – viel Geld für den Versuch, mit dem Fahrrad zum Bahnhof kommenden Pendlern einen komfortablen Umstieg in die S-Bahn zu erleichtern.

Die beachtlichen Kosten von zunächst 12 500 Euro pro Fahrrad-Abstellplatz hatten schon in der Planungsphase dafür gesorgt, dass der Bike-Tower am Bahnhof in der Bürgerschaft ähnlich umstritten war wie in der Kommunalpolitik. Deutliche Kritik an dem Projekt hatte mit Blick auf die Finanzen auch die Fellbacher Oberbürgermeisterin Gabriele Zull formuliert. Ein zweites Mal, so die Rathauschefin bei einer Veranstaltung vor Handwerkern und Geschäftsleuten vor gut zwei Jahren sinngemäß, hätte sie den Stadträten ein solches Vorhaben wohl nicht ans Herz gelegt.

Selbst Regionalräte wunderten sich schon über die Kosten

Auch dem Fahrradverkehr keineswegs abgeneigte Regionalräte haben schon vor gut einem Jahr angemerkt, dass für die 76 Stellplätze mit dem Gondelsystem viel Geld ausgegeben werde. Hinter die von der Stadt erhoffte Vorbildrolle für den umweltfreundlichen Nahverkehr müsse beim Vergleich von Kosten und Nutzen ein dickes Fragezeichen gesetzt werden. Schließlich koste das Pilotprojekt nicht nur das Geld der Fellbacher Steuerzahler, sondern werde auch mit insgesamt 441 000 Euro aus Fördertöpfen in Brüssel und Stuttgart unterstützt. Den Zuschussbescheid hat das Fellbacher Rathaus übrigens sicher – sonst müsste beim Bike-Tower am Bahnhof noch mal ganz neu kalkuliert werden.

Auf der Zielgeraden des Projekts dürfte Fellbachs Stadträten wohl nichts anderes übrig bleiben, als die erneuten Mehrkosten mit knirschenden Zähnen abzunicken – auch wenn die Kosten für einen Abstellplatz im Drahtesel-Turm durch die Nachforderung rein rechnerisch inzwischen mit knapp 15 500 Euro zu Buche schlagen. Viele Bürgervertreter sind dem Vernehmen nach schon froh, wenn der Bike-Tower endlich in Betrieb geht, und der Stadt unterm Kappelberg weitere Blamagen erspart bleiben. Fertiggestellt sein sollte der Prototyp mit der Paternoster-Technik schließlich schon zur Eröffnung der Remstal-Gartenschau im Frühjahr 2019. Unklarheiten bei der Frage nach der Gewährleistung für Gondeltechnik und Glasfassade verzögerten das Projekt ebenso wie die Entwicklung der App für Zugang und Bezahlsystem.

Vor der Eröffnung fehlt noch eine zweimonatige Testphase

Selbst die Corona-Krise hinterließ im Bauzeitenplan noch ihre Spuren: Weil die Monteure des Schweizer Herstellers nicht einreisen durften, lief von März bis Mai gar nichts auf der Baustelle. Bevor das erste mit einer App bedienbare Fahrrad-Parkhaus in der Region in Betrieb gehen kann, ist noch eine zweimonatige Testphase eingeplant. Und: Auch die technische Abnahme durch den Tüv steht beim Bike-Tower am Bahnhof vor der Eröffnung noch an.