Die Wohnsiedlung Vatikan zählt mit zu den ältesten Bauten der Baugenossenschaft Bad Cannstatt. Foto: Uli Nagel

Die Baugenossenschaft Bad Cannstatt feiert 2018 ihr 125-jähriges Bestehen. Begonnen hatte sie mit 103 Mitgliedern, jetzt sind es schon mehr als 2200.

Bad Cannstatt - Die Baugenossenschaft Bad Cannstatt verzeichnet 2207 Mitglieder im Jubiläumsjahr 2018. Als sie vor 125 Jahren gegründet wurde, waren es 103. Und die Genossenschaft befindet sich weiter auf Wachstumskurs, freuen sich die beiden Vorstände Peter Hasmann und Thomas Kermes. 1675 Wohnungen sind in Genossenschaftsbesitz, die Bilanzsumme lag zuletzt bei 68,5 Millionen Euro.

Wohnen unterliege gesellschaftlichem Wandel, stellt Hasmann fest. „Was früher Luxus war, ist heute Standard.“ Um Fußbodenheizungen beispielsweise komme man nicht mehr herum. Die Genossenschaft habe aber schon immer zukunftsorientiert gebaut. So wurde um 1898 eine sogenannte Schaukelbadewanne in die Bäder eingebaut, etwa ins Haus Wilhelmshöhe im Prießnitzweg. „Wir haben stets modern gebaut, nur unter anderen technischen Rahmenbedingungen“, so Hasmann.

War die Bautätigkeit der Genossenschaft früher sehr rege, so mangelt es dafür heute an Grundstücken. „Wir haben uns mit drei befreundeten Baugenossenschaften um eine Fläche im Neckarpark beworben “, berichtet der Vorstandsvorsitzende. Es ist das Grundstück Q 5. Die Baugenossenschaft würde sich mit einem Viertel am Projekt beteiligten, insgesamt 106 Wohnungen würden da entstehen. „Wir hoffen sehr, dass wir es bekommen. Es wäre das richtige Signal, dass auch Baugenossenschaften mit ins Boot geholt werden“, meint Hasmann. Der Gemeinderat werde voraussichtlich nach der Sommerpause darüber entscheiden.

Unverzichtbar für die Stadt

Die aktuelle Diskussion über den fehlenden Wohnraum in Stuttgart hat für den Vorstand der Baugenossenschaft Bad Cannstatt etwas Gutes: „Wir sind wieder im Gespräch mit der Stadt“, sagt Hasmann. Über viele Jahre sei das nicht so gewesen. Jetzt gebe es wieder einen Austausch. „Das Bündnis für Wohnen muss man mit Leben füllen“, betont Hasmann. Die beiden Vorstände sind sich einig, dass die Stadt Stuttgart die Baugenossenschaften braucht, um bezahlbaren Wohnraum sicherzustellen und um mittelfristig die Wohnungsprobleme in Stuttgart zu lösen. Einen Vorteil sieht der Vorstand hierbei: „Wir sind nicht verkaufbar. Bei uns kann die Stadt sicher sein, dass wir auch nach 125 Jahren Wohnraum, der bezahlbar ist, an die Leute vermieten, die hier auch ein Dauernutzungsrecht haben“, betont Hasmann.

Was das Thema Zweckentfremdungsverbot betrifft, so glaubt Hasmann nicht, dass es etwas bewirken könne. Einen größeren Hebel sieht er, wenn über das Mietrecht nachgedacht werde – viele private Vermieter würden sich nicht trauen, ihre Wohnungen zu vermieten. Er sähe es als sinnvoll an, die Rechte der Vermieter zu stärken. Die Baugenossenschaft setze auf eine gute Auswahl der Mieter. „Wir haben ein erfahrenes Team, das weiß, wo es hingucken muss“, so der Vorstand. Zudem habe man auch Hausmeister vor Ort.

Zum Thema Mietpreisbremse weist der Vorstand auf die Satzung der Genossenschaft. Darin erklärt sie sich bereit, sichere und sozial verantwortbare Wohnungen zur Verfügung zu stellen. „Sie liegen im Durchschnitt zwei Euro unter dem Mittelwert in Stuttgart“, so Hasmann. Die Genossenschaft könne mit ihren Mieten die breiten Schichten ansprechen. Deshalb stellen sie auch eine wachsende Nachfrage fest. Mieterhöhungen fielen bei der Genossenschaft moderat aus, so Kermes. „Wir erhöhen auch nicht flächendeckend“, sagt Hasmann. „Das liegt auch daran, dass unsere Mieter unsere Mitglieder sind, unsere Genossenschafter.“ Ihnen fühle man sich verpflichtet.

68 Millionen Euro investiert

Die Baugenossenschaft ist überwiegend in Bad Cannstatt samt Steinhaldenfeld und im Stadtbezirk Mühlhausen aktiv. „Darauf beschränken wir uns bisher“, so Kermes. Es gibt auch Gemeinschaftsprojekte mit anderen Genossenschaften, zum Beispiel in Freiberg zusammen mit der Baugenossenschaft Luginsland. Zu den größten Projekten der Baugenossenschaft Bad Cannstatt in den letzten Jahren zählten die Neubauten im Zuckerleweg mit 7,3 Millionen Euro Investitionskosten, in der Ruhr-/Pfalzstraße für sechs Millionen Euro sowie in der Hechtstraße und im Stichlingweg für zehn Millionen Euro. Letztes Jahr wurde die Obere Waiblinger Straße mit Aufzügen modernisiert für drei Millionen Euro. Gerade gestartet ist die Sanierung der Gebäude Rohrdommelweg 2 bis 12 in Neugereut. Hier werden in den nächsten drei Jahren rund elf Millionen Euro investiert.

Seit 2010 hat die Baugenossenschaft für Instandsetzungen, Modernisierung und Neubauten eigenen Angaben zufolge 68 Millionen Euro ausgegeben. Davon profitierten auch regionales Firmen, denn die Genossenschaft arbeite viel mit Firmen aus Bad Cannstatt zusammen. „Wir sind einer der bedeutenden Investoren“, so der Vorstand.

Die Baugenossenschaft kauft auch immer wieder Häuser dazu, so etwa im Geranienweg und in der Mannheimer Straße. „Wir würden gerne mehr zukaufen“, sagt Hasmann und appelliert an die Ehre privater Eigentümer: Ihnen sollte es nicht um Gewinnmaximierung gehen, sondern darum, „dass die Mieter in gute Hände gegeben werden“.