Seit einem Jahr leben und arbeiten Anna-Sophie und Lukas Dreyer auf dem Reyerhof in Möhringen. Zu Beginn etwas überrascht von der Lage, sind sie nun glücklich mit dem Umzug. In Zukunft werden die beiden den Bauernhof übernehmen.
Möhringen - Mitten im Möhringer Wohngebiet zwischen Einfamilien- und Reihenhäusern, in der Unteraicher Straße, liegt der Reyerhof. Statt von grünen Wiesen, Feldern und Wäldern ist der Hof von Teer und Beton umgeben. „So stellt man sich das Leben auf dem Bauernhof erst mal eher nicht vor“, sagt Anna-Sophie Dreyer, die mit ihrem Mann Lukas die Hofnachfolge auf dem Reyerhof antreten wird. „Als wir das erste Mal hierhergefahren sind und vor der richtigen Adresse standen, da waren wir beide echt überrascht“, sagt die 29-Jährige.
Seit November 2015 wohnt das Ehepaar mit seinem 14 Monate alten Sohn Milan auf dem Reyerhof. Sie haben über eine Online-Plattform erfahren, dass Dorothea Reyer-Simpfendörfer und Christoph Simpfendörfer, die den Hof seit 1986 führen, eine Nachfolge suchen. Das Ehepaar Simpfendörfer hat keine eigenen Kinder und die Pflegekinder wollten den Hof nicht übernehmen. Daher suchten sie außerhalb der Familie nach einem Nachfolger. Nach dem ersten Treffen, bei dem die Vorstellungen für den Hof ausgetauscht wurden, stellten die Landwirte fest, dass die Chemie stimmt. Das Probejahr der Dreyers begann mit dem Umzug im November und verlief so erfolgreich, dass bereits vor Ablauf feststand, dass Lukas Dreyer und seine Frau die Hofnachfolge antreten werden. Dabei soll die Familie Dreyer Unterstützung von einem weiteren Nachfolger erhalten, der bisher noch nicht ausgewählt wurde.
40 Gemüsesorten und zehn Milchkühe
Offiziell ist das Ehepaar Simpfendörfer noch zehn Jahre in den Betrieb eingegliedert. Bis dahin arbeiten Lukas Dreyer und Christoph Simpfendörfer gemeinsam auf dem Hof. Dorothea Reyer-Simpfendörfer betreibt weiterhin den Hofladen. Nach und nach werden die Nachfolger dann zunehmend alleine Aufgaben verantworten. „Die Simpfendörfers haben hier schon alles sehr gut für unsere Nachfolge vorbereitet“, sagt Anna-Sophie Dreyer. Beispielsweise bewohnt das Ehepaar Simpfendörfer schon seit einiger Zeit das Nachbarhaus, sodass Familie Dreyer direkt in das Wohnhaus auf dem Reyerhof ziehen konnte.
Schon als Kind träumte Lukas Dreyer von seinem eigenen Bauernhof. „Seit ich sechs bin, will ich Bauer werden und bisher habe ich das auch nicht bereut“, sagt der 28-Jährige. Auf dem Reyerhof übernimmt der Landwirt den Anbau von rund 40 Gemüsesorten von Kohl bis Tomaten, den Ackerbau, zehn Milchkühe und die Koordination von etwa acht Mitarbeitern. Vor seinem Umzug auf den Reyerhof war Dreyer sieben Jahre auf einem Bauernhof in der Nähe von Osnabrück tätig, wo er auch seine Ausbildung absolvierte. „Man muss sich heute gut überlegen, was überhaupt Perspektive hat“, sagt der Landwirt.
Bei der Auswahl des Reyerhofes hat Dreyer vor allem die solidarische Landwirtschaft überzeugt. Dabei beteiligt sich eine Gruppe von Leuten für ein Jahr finanziell am Hof und bekommt dafür wöchentlich Lebensmittel wie Obst und Gemüse direkt vom Hof. „Für mich als Landwirt wird es dadurch sicherer, weil das Geld auf jeden Fall reinkommt“, sagt Dreyer. Auch die Verschwendung von Lebensmitteln soll dadurch verringert werden. „Die Beteiligten nehmen auch krumme Gurken oder beinige Möhren. Das ist für einen Hof natürlich ideal“, sagt Dreyer.
Die Kühe sollen wieder auf eine Weide können
Bei der Bieteraktion am 6. November entscheidet sich, wer sich für das nächste Jahr am Reyerhof beteiligt. „Man muss vielfältig anbauen, weil die Leute eine gewisse Auswahl wollen“, sagt Anna-Sophie Dreyer. Sie ist Bratschistin in dem Streichtrio Duck Tape Ticket. Erst durch ihren Mann konnte sie sich das Leben auf einem Bauernhof überhaupt vorstellen. „Im Moment bin ich auf dem Hof nicht groß eingespannt“, sagt die Musikerin. Das ist aber auch dem kleinen Milan geschuldet. Zurzeit kocht sie zweimal die Woche für alle Mitarbeiter und widmet sich sonst musikalischen Projekten. „Der Ort hier bietet aber so viele Möglichkeiten und deshalb werde ich hier auch meinen Platz finden.“
Für ihre Zukunft auf dem Reyerhof haben die Dreyers auch schon einige Ideen, was sich ändern könnte. „Ich möchte die Kühe wieder auf die Weide bringen“, sagt Lukas Dreyer. Derzeit gibt es keine Fläche, auf der er die Kühe länger als einen Tag stehen lassen kann. Außerdem plant er, auch Legehennen zu halten und Eier zu verkaufen. „Auf einem anderen Hof wäre es vielleicht idyllischer“, sagt Dreyer. „Aber den perfekten Hof gibt es eben nicht.“