Es muss nicht immer Bruchsal sein: Manche Spargelesser fahren extra von Stuttgart nach Bondorf, um das Königsgemüse zu kaufen. Der Bauer Heinrich Hiller hat eine Vermutung, warum sie das tun.
In langsamem Tempo fährt der Traktor über das Feld und hebt in zwölf Reihen die Folien von den kniehohen Dämmen an. An jedem Erdwall sind Erntehelfer und halten Ausschau nach kleinen, weißen Spargelköpfen, die aus der Erde spickeln. Mit einem langen, unten leicht gebogenen Stechmesser und geübtem Handgriff stechen sie in die Erde und kappen den Spargel möglichst weit unten. Die erdverkrusteten Stangen werfen sie in Kisten am Traktor. Die Männer aus Polen arbeiten still vor sich hin, mal ruft einer dem anderen etwas zu, jemand lacht. Aus einer Musikanlage tönt „La Cucaracha“. „Das ist eine gute Truppe“, sagt der Landwirt Heinrich Hiller. Auf seinem Bauernhof in Bondorf ist Spargelerntezeit.
Auf die Wärme kommt es an
Vor vier Wochen haben die Bondorfer Erntehelfer die ersten Stangen aus der Erde geholt, seither läuft die Ernte eher langsam an. „Es fehlt die Sonne“, sagt Hiller. „Mir sind fünf Grad mit Sonne lieber als elf Grad mit Regen.“ Denn nur bei Sonnenschein heizen sich die Folien auf und erwärmen die Dämme, was den Spargel zum Sprießen bringt. Und auch für den Absatz ist frühlingshaftes Wetter wichtig, denn erst dann bekommen die Leute Lust auf das saisonale Gemüse, weiß Hiller aus Erfahrung. Wenn alles gut läuft, erwartet er Mitte Mai die Hochphase des Spargelverkaufs.
Dass in Bondorf am Schwarzwaldrand die weißen, grünen und violetten Stangen angebaut werden, ist ungewöhnlich. In der näheren Umgebung kennt Heinrich Hiller nur einen anderen Landwirt, der in kleinem Umfang Spargel anbaut. Warum ist das so? „Es ist hier kälter als in der Pfalz oder im Badischen“, sagt Hiller. Sein Hof habe Glück und guten, wasserspeichernden Lösslehmboden. Fünf Kilometer weiter sei der Boden aber sehr steinig, „da brauche ich keinen Spargel anbauen“.
Auch für die Familie Hiller war es im Jahr 2000 ein Wagnis, mit dem Anbau des Königsgemüses zu beginnen. Bis dahin hatten Heinrich Hillers Großeltern und Eltern überwiegend mit Milchvieh ihr Geld verdient. Wegen der Knebelung durch Milchkontingente hätten sie damit immer weniger Einnahmen generiert, sagt Heinrichs Mutter Magda. „Wir hatten drei Kinder – es hat nicht mehr zum Leben gereicht.“ Vor die Frage gestellt, aufzugeben oder neu zu beginnen, entschied sich die Familie für Letzteres und baute zunächst auf einem Hektar Spargelpflanzen an. „Es war von Anfang an ein Erfolg“, sagt Magda Hiller rückblickend.
Spargel-Liebhaber reisen sogar aus Stuttgart nach Bondorf
Sukzessive erweiterten sie und ihr Mann Hermann die Spargel-Anbaufläche. 2018, als der Sohn Heinrich in den Betrieb einstieg und die Nachfolge gesichert war, vergrößerten sie den Spargelanbau noch einmal stark und investierten in moderne Maschinen. Mittlerweile bauen die Hillers auf 24 Hektar, einem Drittel ihrer Ackerfläche, Spargel an. Pro Saison ernten sie etwa 50 Tonnen unsortierte Rohware. Fast die Hälfte davon verkaufen sie in ihrem eigenen Hofladen, den sogar Kunden aus Stuttgart anfahren, sagt Heinrich Hiller. „Er schmeckt ein bisschen anders. Bei uns gibt es nichts Bitteres.“ Die weitere Hälfte der Ernte wird an Metzger, andere Hofläden oder einzelne Supermärkte verkauft.
Das funktioniert gut: Selbst im vergangenen Jahr, als Spargelbauer bundesweit darüber klagten, wegen der inflationsbedingten Kaufzurückhaltung der Kunden und importierter Billigware auf ihrem Gemüse sitzen zu bleiben, lief der Absatz der Hillers wie gewohnt. Preislich orientiert sich der Bondorfer Bauer am Großhandel. „Wir sind etwas teurer, weil wir viel kleiner sind“, sagt der 27-Jährige. Dafür halte er seine Preise recht stabil und verteure seine Stangen nicht plötzlich am Muttertag oder an Pfingsten wie das häufig in Supermärkten der Fall sei. Im Laufe der Saison pendele sich bei ihm der Preis zwischen fünf und 20 Euro pro Kilogramm ein.
An Johanni ist Schluss
Unterschiede gebe es natürlich zwischen den zehn verschiedenen Klassen, in die der Spargel eingeteilt wird. Diese sind im Wesentlichen abhängig von Dicke und Länge der Stangen und davon, ob sie gerade oder krumm gewachsen sind, weiße oder rote Köpfchen haben. „es geht nur um die Optik“, sagt Heinrich Hiller. Und natürlich sei es auch ein wenig eine Frage des Geschmacks: Er selbst möge die dünnen Stangen am liebsten, seine Eltern hingegen die dicken. Trotzdem kommt bis zum Johannistag, dem letzten Spargel-Stichtag am 24. Juni, nahezu jeden Tag Spargel auf den Esstisch der Hillers, wenn vier Generationen der Bauernfamilie zusammen Mittag essen.
Es gebe so viele verschiedene Varianten, wie man das Königsgemüse zubereiten könne, sagt Heinrich Hiller. Mal gebe es Spargel mit Kartoffeln und Sauce Hollandaise, mal mit Fisch oder einem Steak, mal als Lasagne oder gegrillt. „Es gibt so viel, was man damit machen kann“, sagt der Landwirt. Aber hängt es ihm nicht trotzdem irgendwann zum Hals raus? „Am Ende der Saison, da reicht’s dann“, sagt er und lacht.
Landwirtschaft bei der Familie Hiller
Bauernhof
Landwirtschaft hat bei den Hillers Tradition: Sie sollen schon im 14. Jahrhundert Anbau betrieben haben. 1967 wurde der Betrieb in die Haitinger Höfe ausgesiedelt. Seit 2018 hat Heinrich Hiller den Hut auf. Seit er vor ein paar Monaten Vater wurde, leben vier Generationen auf dem Bondorfer Bauernhof. Neben Spargel bauen sie Erdbeeren an, verkaufen Eier und Nudeln.
Spargelanbau
Zwei Jahre nach dem Setzen der Spargelpflanzen kann mit der Ernte begonnen werden. Nach acht bis zehn Jahren braucht der Boden eine mehrjährige Pause, in der bei den Hillers zum Beispiel Getreide angebaut wird. „Wir halten nichts von Monokultur, wir wollen dem Boden Ruhe geben“, sagt Heinrich Hiller.