Seit 2010 haben rund 30 Prozent der Schweinehalter im Land aufgegeben: Derzeit halten die Bauern in Baden-Württemberg noch 1,8 Millionen Tiere –und liegen damit auf dem Stand von 1969 Foto: dpa

Die Gewinne der baden-württembergischen Bauern sind in den zurückliegenden Monaten stark eingebrochen. In einigen Bereichen wie der Schweinehaltung und dem Obstbau ist die Lage dramatisch.

Stuttgart Die Gewinne der baden-württembergischen Bauern sind in den zurückliegenden Monaten stark eingebrochen. In einigen Bereichen wie der Schweinehaltung und dem Obstbau ist die Lage dramatisch.

Die aktuelle Lage

Die „rote Laterne“ bei den Hofeinkommen haben die Bauern im Südwesten im Bundesländervergleich fast schon gepachtet. Nun haben die Landwirte einen weiteren Rückschlag hinzunehmen. Im vergangenen Wirtschaftsjahr (Stichtag: 30. Juni) sind die Betriebsgewinne im Durchschnitt um gut 30 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum eingebrochen.

Damit bleiben einem Hof im Südwesten unter dem Strich gut 35 500 Euro. Von dieser Summe gehen aber noch weitere Zahlungen ab – etwa Investitionen. In Baden-Württemberg sei es derzeit für die Höfe nahezu unmöglich Eigenkapital zu bilden, sagte Südwest-Bauernpräsident Joachim Rukwied am Freitag in Stuttgart. Wenn es nicht möglich sei, Eigenkapital anzusammeln „sind die Betriebe nicht zukunftsfähig“, sagte Rukwied, der gleichzeitig deutscher Bauernpräsident ist. Ein Bauer, der seinen eigenen Betrieb bewirtschaftet, verdient nach Daten des Landesbauernverbands (LBV) Brutto derzeit rund 2000 Euro Brutto im Monat.

Die Probleme

Einer der Hauptgründe für die schwierige Lage sind die Importbeschränkungen gegen Russland, die in Folge der Krim-Krise von der EU verhängt wurden. „Das Russlandembargo hat voll durchgeschlagen“, sagte Rukwied. Im vergangenen Wirtschaftjahr sind die Exporte in das Riesenreich um 50 Prozent auf rund 900 Millionen Euro eingebrochen.

Insbesondere die Milch- und Fleischerzeuger sowie die Obstbauern habe das hart getroffen. Dort seien die Erzeugerpreise „massiv eingebrochen“. Außerdem macht sich ein konjunktureller Effekt bemerkbar. Die Preise für landwirtschaftliche Produkte entwickeln sich im Gleichklang mit der Weltkonjunktur. Hohe globale Wachstumsraten führen so meist zu ebenfalls guten Erzeugerpreisen für die Bauern. Im Moment schwächelt die Weltwirtschaft aber. Daher sind auch die Preise für Agrargüter unter Druck.

Übermacht des Handels

Einen großen Anteil an der Einkommensmisere vieler Bauern erkennt Joachim Rukwied in der Übermacht des Handels. Die gesunkenen Erzeuger-Preise für Milch, Obst und Fleisch sowie anderer Produkte seien vom Lebensmittelhandel nicht an die Kunden weitergegeben worden, sagte der Bauern-Präsident. Der Handel habe seine Gewinnspannen um 5 bis 13 Prozent ausgeweitet. „Bei uns Bauern kommt einfach zu wenig an“, erklärt er.

Misere im Obstbau

Obstbauern gehörten bis vor kurzem zu den Spitzenverdienern in der Landwirtschaft, jetzt sind sie aber besonders stark getroffen. Durch das Russland-Embargo stieg das Überangebot an Obst in der EU stark an. Das drückte die Preise in den Keller. Statt 60 Cent pro Kilogramm im Jahr 2013 hätten die Obstbauern 2014 nur noch 11 bis 15 Cent bekommen, sagte Rukwied. Die Unternehmensgewinne sind von rund 65 000 Euro auf gut 30 000 Euro eingebrochen. Durch den Mindestlohn kämen auf die sehr arbeitsintensive Branche zusätzliche Belastungen zu, sagte Rukwied und prophezeite ab 2017 zunehmende Betriebsaufgaben, falls sich an den Rahmenbedingungen nicht ändere.

Schweinehalter im Abseits

Besonders dramatisch ist die Lage bei Baden-Württembergs Fleischerzeugern. Hans-Benno Wichert, Vize-Präsident des Landesbauernverbands, sprach von einer „nie dagewesenen Situation“ und einer „dramatischen Entwicklung“. Seit 2010 haben rund 30 Prozent der Schweinehalter im Land aufgegeben. Mit einem Bestand von 1,8 Millionen Tieren sei man aktuell auf dem Stand von 1969. Wenn die Entwicklung so weitergehe, werde es sehr schwierig, die regionale Versorgung mit Schweinefleisch aufrechtzuerhalten. Grund sei ein ruinöser Preiswettbewerb im Fleischgeschäft. Baden-Württemberg, das von eher kleinen Höfen mit wenigen Tieren geprägt ist, kämpft gegen Riesenbetriebe aus Norddeutschland und aus dem Ausland, die zu günstigeren Konditionen anbieten können. Ferkelerzeuger im Südwesten bekämen derzeit nur die Hälfte dessen, was sie zur Deckung ihrer gesamten Kosten benötigten, sagte Wichert.

Der umstrittene Biomarkt

Während die Hofeinkommen der konventionell arbeitenden Bauern 2014/15 drastisch eingebrochen sind, haben Biobauern rund zehn Prozent mehr verdient als im Vorjahr. Dennoch ist der Anteil der Öko-Erzeuger in der Landwirtschaft noch gering. Im Südwesten gelten nur acht Prozent der Höfe als Bio-Landwirtschaften. Bei den Schweinehaltern sind es nur knapp vier Prozent. Und das, obwohl sie für ihr Fleisch viel höhere Preise erzielen können. Edeka etwa bietet Erzeugern, die nach Kriterien des Bioland-Anbauverbands Fleisch erzeugen, aktuell das Dreifache des üblichen Marktpreises von 1,25 Euro pro Kilo Fleisch an.

Dass nicht mehr Bauern den Schritt in die Bio-Branche wagen, begründet der Vize-Präsident des Landesbauernverbands Wichert, mit den im Vergleich zu normalen Produkten sehr viel höheren Kosten für die Erzeugung von Bio-Fleisch. Die Betriebe umzustellen, sei „noch nicht nachhaltig“. Aktuell beträgt der Anteil von Bioschweinefleisch in Deutschland gerade mal 0,6 Prozent. Vom Erzeugerverband Bioland hieß es, man verdiene mit Bio-Fleisch „gutes Geld“. Bio-Lebensmittel aus Deutschland böten auch für den Export große Chancen, sagte Bioland-Geschäftsführer Christian Eichert. In China seien derartige Lebensmittel „sehr gefragt“.