Selbst kleine Umbauten werden durch die Bürokratie erschwert. Foto: Ute Grabowsky/photothek.net

Veraltete, komplizierte und zu viele Vorschriften machen selbst kleinere Umbauten mitunter zeitaufwendig und kompliziert. Das nervt Investoren und Architekten.

Stuttgart - Schaffe, schaffe, Häusle baue – das Klischee vom fleißigen Schwaben, der sich so die eigenen vier Wände finanziert, hält sich in vielen Teilen der Republik hartnäckig. Doch immer mehr Menschen verlieren die Lust am Bauen, weil sie sich von Richtlinien und Normen gegängelt fühlen. Manche dieser Vorschriften reichen bis in die Jahre 1935 oder 1910 zurück.

Arno Müller (Name geändert) kann ein Lied davon singen. Der Hausbesitzer wollte vor vier Jahren in seinem Mehrfamilienhaus das Dachgeschoss ausbauen, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Das ist in Zeiten, in denen bezahlbarer Wohnraum ein knappes Gut in Stuttgart ist, ein lobenswertes Ansinnen. Das Problem: Das Haus liegt in einem Gebiet, für das es keinen gültigen Bebauungsplan gibt. Das städtische Baurechtsamt berief sich im konkreten Fall daher auf die Württembergische Bauordnung von 1910. Auf Basis dieses über hundert Jahre alten Regelwerks musste Müller seinen Bauantrag entsprechend überarbeiten und unter anderem den darin geforderten „rechnerischen Nachweis des Flächenanteils von Wohn- und Schlafräumen“ im Verhältnis zur Grundfläche des Dachgeschosses nachreichen. Auch die notwendige Teilanhebung des Daches sowie dessen künftige Form mussten den Paragrafen der Bauordnung, die noch aus Zeiten des Königreichs Württemberg stammt, angepasst werden. Für den Bauherrn ein Ärgernis: „Unter Bezug auf Vorschriften von anno damals kann man jedes Bauvorhaben erheblich verteuern oder sogar unwirtschaftlich machen“. Müller hatte Glück: Letztlich wurde sein Bauantrag nach einem guten Jahr Bearbeitungszeit genehmigt.

Viele Hürden

Das Beispiel steht exemplarisch für viele Hürden, denen sich Bauwillige heutzutage aus ihrem subjektiven Blickwinkel ausgesetzt sehen. Wer in Stuttgart bauen oder umbauen möchte, muss je nach Komplexität des Vorhabens darauf gefasst sein, dass vom Umweltamt über den Kampfmittelbeseitigungsdienst und die Verkehrsbehörde bis hin zur Branddirektion die geballte Verwaltungsbürokratie ein Auge auf den Antrag wirft, bevor er als genehmigungsfähig abgezeichnet wird. Mitunter werden dabei auch Details abgefragt, die mit dem Bauvorhaben selbst rein gar nichts zu tun haben – so etwa im Fall eines Landwirts aus dem Stuttgarter Norden.

Der Bauer wollte auf seinem Aussiedlerhof in einem existierenden Schuppen einen Hofladen aufmachen, um sein Einkommen durch den Verkauf von Obst, Gemüse und anderen Produkten aufzubessern. Ein nur scheinbar unverfänglicher Plan: Es gibt keine Nachbarn weit und breit, die Einspruch erheben könnten. Es muss kein Boden versiegelt werden. Und auch der nur für landwirtschaftliche Fahrzeuge zugelassene Feldweg zum Hof konnte mittels neuer Beschilderung zur Erschließungsstraße umgewidmet werden. Die geforderten Stellplätze für Autos und Fahrräder konnte der Landwirt ebenfalls nachweisen. Die vom Baurechtsamt final angeforderte Liste über die angebotene Ware und deren Veredelungsgrad und Herkunft der Veredelungsstoffe (etwa Gelierzucker bei Marmelade) brachte dann beim Antragsteller das Fass zum Überlaufen. „Das hat mit Baurecht nichts mehr zu tun – das ist reine Schikane“, empört sich auch der beauftragte Architekt. Die Genehmigung verzögert sich weiter, der Bauantrag war bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht bewilligt.

Wenn Behörden dazwischenfunken

Beim Haus- und Grundbesitzerverein Stuttgart schlagen häufig Bauherren auf, die sich von den Baurechtsbehörden gegängelt fühlen. Geschäftsführer Ulrich Wecker nennt als „Klassiker“ unter den Beschwerden etwa die in der Landesbauordnung enthaltene Pflicht zur Schaffung von Fahrradabstellplätzen bei Neubauvorhaben. Dies sei etwa beim Bau von Studentenwohnungen durchaus sinnvoll, so Wecker: „Wenn aber jemand an der Alten Weinsteige ein barrierefreies Zweifamilienhaus bauen will, dann treibt das nur die Kosten nach oben und macht die Sache unnötig kompliziert.“ Gleiches gelte für die Dach- und Fassadenbegrünung bei neuen Gebäuden. Hier muss der Häuslebauer nicht nur für die Begrünung selbst, sondern auch für die Folgekosten wie Rückschnitt oder Bewässerung aufkommen. Das schrecke so manchen Bauherrn ab, meint Wecker. Grundsätzlich sei eine „wohlwollende Begleitung“ eines Bauvorhabens durch die Behörden wünschenswert.

Das hätte sich auch der Bauherr im nächsten Fall gewünscht: Der junge Familienvater hatte einst eines der ältesten Häuser im Weilimdorfer Gebiet erworben, mit hohem finanziellem Aufwand saniert und sich dafür verschuldet. Vor drei Jahren kam die Familie auf die Idee, das Einfamilienhaus abzureißen und auf ihrem Grundstück ein Mehrfamilienhaus mit neun Wohnungen zu bauen. Die ersten Pläne dazu stießen beim Baurechtsamt durchaus auf Zustimmung, erinnert sich der Mann, der bei den Abstimmungsgesprächen dabei war. Allerdings sei die unter dem Haus geplante Tiefgarage nicht genehmigungsfähig gewesen. Die Umplanung durch eine andere Architektin war der Behörde dann aber plötzlich zu voluminös: Statt einer Wohnfläche von knapp 700 Quadratmetern waren nun plötzlich nur noch 470 erwünscht, und auch die ursprüngliche Dachform erschien dem Baurechtsamt nicht mehr adäquat. „Das hätte man mir bei den ersten Gesprächen schon sagen können“, klagt der Bauherr, für den sich nun die Frage der Wirtschaftlichkeit des Vorhabens stellt. Sein frustriertes Fazit: Im Baurechtsamt würden die Paragrafen „willkürlich“ ausgelegt: „Die großen Investoren dürfen bauen, wie sie wollen, aber der kleine Mann ist der Dumme.“